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Ein etwa rechteckiges Knochenstück von drei verschiedenen Seiten, in dessen Oberfläche abgewinkelte Schnitzereien eingefügt wurden.

© Volker Minkus / Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege / dpa

Von wegen primitiv: Schon Neandertaler schufen Kunst

Sensationsfund: In einer Höhle im Harz entdecken Forschende ein Knochenstück, das Neandertaler kunstvoll verziert haben. Es ist das älteste Objekt seiner Art.

Forschende aus Deutschland haben einen von einem Neandertaler verzierten Riesenhirsch-Knochen im Harz entdeckt. Das etwa daumenlange Objekt ist eines der komplexesten bisher bekannten Kunstwerke von Neandertalern.

Offenbar verfügten die Frühmenschen vor mehr als 50.000 Jahren bereits über erstaunliche kognitive Fähigkeiten.

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Die Neandertaler lebten bis vor rund 40.000 Jahren. Sie gelten als unsere nächsten genetischen Verwandten. Mehrere tausend Jahre lang existierten sie neben den frühen Vertretern von Homo sapiens, den modernen Menschen.

Lange galten die Neandertaler als vergleichsweise primitiv. Zwar ist inzwischen bekannt, dass sie Werkzeuge und Waffen herstellten. Doch Schmuck, Höhlenmalereien oder kleine Figuren wurden bisher fast nur aus jüngerer Zeit entdeckt.

Hinweis auf ästhetisches Empfinden der Frühmenschen

Bei dem Objekt handelt es sich um einen kompakten Zehenknochen, dem ein Winkel-Muster aus sechs Kerben eingeritzt ist. Auf der Unterseite gibt es ein Muster aus vier weiteren kurzen Kerben. Der Knochen lässt sich auch hinstellen.

Er ist fast sechs Zentimeter lang, knapp vier breit und etwa drei Zentimeter dick. 2020 fand man ihn unter Jagdbeute-Resten im Eingangsbereich der Einhornhöhle in der Nähe von Herzberg am Harz.

Das Werk sei ein Hinweis darauf, dass schon die Neandertaler ein ästhetisches Empfinden hatten und wohl über Symbole kommunizierten, sagt der Archäologe Thomas Terberger. Gemeinsam mit seinem Team veröffentlichte er den Fund im Fachblatt „Nature Ecology and Evolution“.

Experiment zeigt aufwändigen Herstellungsprozess

Kunstobjekte von Neandertalern kennt man bislang aus Frankreich, wo wenige Anhänger und Klauen als Schmuck gefunden wurden. Sie sind rund 40.000 Jahre alt. Einfache abstrakte Höhlenbilder existieren zudem in Spanien.

Das nun gefundene Objekt ist wesentlich älter als die bisher bekannten Stücke: Mittels Radiokarbondatierung stellten die Forschenden ein Alter von über 51.000 Jahren fest.

„Es dürfte kein Zufall sein, dass der Neandertaler den Knochen eines eindrucksvollen Tieres mit riesigen Geweihschaufeln für seine Schnitzerei ausgewählt hat“, sagt Antje Schwalb von der Technischen Universität Braunschweig. Auch sie ist an dem Projekt beteiligt. Das Geweih des Riesenhirsches hatte eine Spannweite von bis zu vier Metern.

Um die Herstellung des Objekts nachzuvollziehen, führten die Forschenden Experimente mit Rinderknochen durch. Der Knochen musste demnach wohl zunächst gekocht werden, bevor man das Muster etwa 1,5 Stunden lang in die aufgeweichte Oberfläche ritzte. (dpa)

Christina Sticht

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