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Teil des Erfolgsrezeptes. Zwei portugiesische Polizisten kontrollieren die Ausgangsbeschränkungen.

© Imago

Update

Vom Hotspot zum Vorbild: So gelang Portugal die Corona-Kehrtwende

Vor zwei Monaten verzeichnete Portugal eine Sieben-Tage-Inzidenz von 878. Heute liegt sie bei unter 30. Dank eines knallharten Lockdowns.

Es war ein Bild mit Symbolcharakter: 24 Soldat:innen des Sanitätsdienstes der Bundeswehr stiegen aus einem Transportflugzeug am Flughafen Stuttgart. Ihr Startort: die portugiesische Hauptstadt Lissabon.

Sie hatten dort in einem Krankenhaus eine Intensivstation zur Behandlung von Covid-19-Patienten betrieben – weil das Gesundheitssystem Portugals Ende Januar unter dem Druck der zweiten Corona-Welle durch die Variante B.1.1.7 kollabiert war.

Die ersten Ärzte, Pfleger und notfallmedizinischen Assistenten der Bundeswehr waren Anfang Februar aufgebrochen und waren durch die 24 Soldat:innen abgelöst worden. Nun, rund acht Wochen nach dem Start der Mission, kehrten diese letzten Soldat:innen am vergangenen Freitag zurück.

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Natürlich hat Portugal die Corona-Pandemie nach der Rückkehr der deutschen Soldaten, um deren Unterstützung die Bundesregierung gebeten wurde, nicht besiegt. Doch ist das südwesteuropäische Land auf dem besten Weg dorthin. Das zeigt allein schon ein einfacher Zahlenvergleich.

Die Corona-Fälle pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen hatten Ende Januar mit 878 ihren Höchststand erreicht. Kurz darauf wirkte der wenige Tage vor dem Höchststand der Inzidenz verhängte Lockdown – die Fallzahlen sanken so rapide, wie sie von Ende Dezember an gestiegen waren. Das geht aus Tagesspiegel-Zahlen hervor.

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Seitdem sind die Zahlen nicht mehr gestiegen. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag zuletzt bei nur noch 28. In Deutschland, das sich noch in der dritten Welle befindet, liegt sie bei 138. Zum Vergleich: Als die Fälle pro 100.000 Einwohner ihren Höchststand in Portugal erreichten, lag die Inzidenz in Deutschland bei 104.

An der Anzahl der Tests liegt dieser Unterschied nicht. Die Positivrate lag in Deutschland zuletzt bei rund 8 Prozent, in Portugal bei rund 1,4 Prozent. Ende Januar war noch jeder fünfte Test in Portugal positiv.

Auch die Zahl der täglichen Todesfälle sank in Portugal inzwischen unter den Wert, den Deutschland verzeichnet. In Portugal waren es Anfang Februar teilweise mehr als 300 Todesfälle pro Tag, das sind rund 3 pro 100.000 Einwohner – zuletzt waren es noch weniger als 10 pro Tag. Deutschland verzeichnet im Verhältnis zur Bevölkerungszahl doppelt so viele coronabedingte Todesfälle.

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In Portugal waren allein im Januar fast die Hälfte der Menschen gestorben, die insgesamt seit dem Ausbruch der Pandemie vor knapp einem Jahr in Verbindung mit dem Virus ums Leben gekommen sind: rund 5500 Menschen. Im März sind bislang rund 500 Menschen an oder in Verbindung mit einer Corona-Infektion gestorben.

Viele Krankenhäuser erreichten Ende Januar ihre Kapazitätsgrenzen. Krankenwagen warteten manchmal bis zu Stunden vor den Kliniken, bis ein Bett frei wurde. Zwischenzeitlich wurden fast 7000 Corona-Patienten in Krankenhäusern gezählt, zuletzt waren es deutlich unter 1000, wie aus offiziellen Gesundheitsdaten hervorgeht.

Die Regierung hatte Ende Januar außerdem erklärt, dass nur noch sieben der 850 für Covid-19-Patienten vorgehaltenen Intensivbetten frei seien. Kurz darauf waren die Intensivstationen überlastet, weil die Zahl der Patienten auf fast 900 stieg. Zuletzt sank die Zahl der Corona-Intensivpatienten auf rund 150. So wenige waren es zuletzt vor der zweiten Welle im Oktober.

Impfkampagne in Portugal stockt wie in Deutschland

Anders als in Großbritannien beispielsweise ist dafür aber nicht die Impfkampagne mitverantwortlich, sondern einzig der harte Lockdown. Sowohl in Deutschland als auch in Portugal sind bislang rund 15.500 Impfdosen pro 100.000 Einwohner verabreicht worden.

Der Mitte Januar beschlossene Lockdown in Portugal hatte es allerdings auch in sich. Nicht umsonst gilt er auch in Deutschland als Vorbild. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte zuletzt im Tagesspiegel-Interview erneut bundesweite Ausgangsbeschränkungen – und nannte neben Frankreich und Großbritannien auch Portugal als Beispiel, wie B.1.1.7 gestoppt werden könne. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hält Ausgangssperren für ein probates Mittel.

[Wir müssen deutlich unter 100.000 Toten bleiben“. Lesen Sie hier das gesamte Interview mit Karl Lauterbach. T+]

In Portugal sehen die strengen Ausgangsbeschränkungen bis heute so aus: Die Menschen dürfen das Haus im Prinzip nur zum Einkauf von Lebensmitteln und für den Weg zur Arbeit verlassen – wenn es der Arbeitgeber bescheinigt hat. Außerdem ist das Tanken gestattet und der Besuch von Banken, dem Arzt, von Apotheken und Krankenhausbesuche.

Spaziergänge und Sport an der frischen Luft sind nur für kurze Zeit und im Umfeld der eigenen Wohnung erlaubt – ähnlich hatte es Frankreich in der ersten Welle auch zwischenzeitlich gehandhabt. Wie dort damals, wird die Ausgangssperre auch in Portugal von der Polizei, teilweise sogar mit Hubschraubern, kontrolliert.

Generell dürfen die Portugiesen, bis auf wenige regionale Unterschiede, den eigenen Landkreis an Wochenenden zwischen Freitagabend und Montagmorgen nicht verlassen – diese Regelung gilt explizit auch über Ostern zwischen dem 26. März und 5. April.

Und auch im eigenen Landkreis sind die Kontakte auf den eigenen Hausstand zu beschränken, Treffen mit Freunden und Verwandten außerhalb des eigenen Hausstandes sind also bereits seit Mitte Januar verboten.

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Entsprechend sind auch Gastronomie und Einzelhandel in Portugal geschlossen. Erlaubt ist lediglich das Abholen von Speisen und Getränken.

Lediglich in einem Teil des öffentlichen Lebens gab es Mitte März bereits die erste Öffnung: Einige Kitas, Schulen und Universitäten durften wieder öffnen, nachdem seit Ende Januar nur wenige Kitas geöffnet waren. Allerdings dürfen beispielsweise viele Schulen nur solche Kinder betreten, bei denen die Fiebermessung am Eingang unauffällig ist.

Portugal machte ähnliche Fehler wie Deutschland jetzt

Ähnlich wie die Regierenden in Deutschland aktuell, hatte sich die Regierung von Ministerpräsident Antonio Costa lange gegen einen weiteren harten Lockdown gesträubt. Stattdessen versuchten die Verantwortlichen in Lissabon bis zuletzt, möglichst viele Wirtschaftsbereiche und weniger betroffene Landkreise zumindest in Teilen offen zu halten.

Schärfere Maßnahmen wurden unter Berücksichtigung der Inzidenzen anhand eines Stufen-Konzepts umgesetzt. Doch schnell zeigte sich, dass nur noch ganz wenige Landkreise unter den Zielwerten blieben und die Neuinfektionszahlen überall im Land in die Höhe schossen. Diese Entwicklung bremste der Lockdown effektiv ab.

Ein Folge des erfolgreichen Lockdowns ist portugiesischen Medienberichten zufolge nun aber, dass der Anteil der coronamüden unter den rund zehn Millionen immer größer wird. Vor allem aufgrund der finanziell teils dramatischen Lage.

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Nachdem die portugiesische Wirtschaft vor der Pandemie nach einer großen Finanzkrise gewachsen war, brach das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2020 um zehn Prozent ein. Die Arbeitslosenquote stieg bis zum Februar 2021 im Vergleich zum Frühjahr des Vorjahres um mehr als 35 Prozent. So viele Arbeitslose wie jetzt, und zwar deutlich mehr als 400.000, gab es zuletzt 2017.

Auch deshalb soll den harten Maßnahmen nun nach und nach ein Ende gesetzt werden, damit die Wirtschaft wieder wachsen kann.

Der Lockerungsplan streckt sich bis Anfang Mai. Dieser sieht schon ab dem 5. April vor, dass Museen, kleinere Läden sowie Gastronomiebetriebe ihre Außenbereichen für maximal vier Personen pro Tisch öffnen dürfen. Auch werden die Ausgangsbeschränkungen sogar so weit gelockert, dass Sport im Freien in Kleingruppen bis maximal vier Personen erlaubt sein wird.

Mitte April sollen dann sogar schon Kinos und Theater Besucher empfangen dürfen. Schließlich ist für Anfang Mai der vorerst letzte Lockerungsschritt vorgesehen, und zwar die Öffnung von Innenräumen der Restaurants und Cafés für bis zu sechs Personen.

„Die Ansteckungen werden unausweichlich zunehmen“

Gesundheitsexpert:innen warnen, dass die Lockerungen zu früh kommen könnten. „Portugal ist nicht vor einer vierten Welle gefeit“, warnt der Epidemiologe Manuel Carmo Gomes von der Universität in Lissabon im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Lusa. „Wenn wir anfangen zu lockern, werden die Ansteckungen unausweichlich zunehmen.“

Denn es beschränkt sich nicht nur auf Öffnungsschritte für Portugiesen: Das Land ist aufgrund des bisherigen Erfolgs des Lockdowns sogar schon so weit, dass in ersten Teilen des Landes wieder an Urlaub gedacht werden kann. Seit dem 21. März gilt das bei Deutschen beliebte Urlaubsgebiet Algarve nicht mehr als Risikogebiet. Damit entfällt bei der Rückkehr nach Deutschland eine Quarantäne und Testpflicht.

Eine nächtliche Ausgangssperre gibt es dort nicht mehr. Alle Gaststätten, Cafés und Bars sollen ab Anfang April sogar schrittweise wieder öffnen dürfen. Allerdings dürfen Urlauber an Wochenenden und über Ostern vorerst nicht im Land umherreisen.

Schon bald solle es zusätzliche Flugverbindungen von mehreren deutschen Städten nach Portugal geben, sagte der Präsident des Tourismusverbandes der Region im Süden des Landes, João Fernandes, der Deutschen Presse-Agentur. Dann nicht für Soldat:innen mit Transportflugzeugen der Bundeswehr, sondern für Urlauberinnen und Urlauber. João Fernandes ist zuversichtlich: Seit der vergangenen Woche steigt die Zahl der Buchungen wieder. (mit dpa)

In einer vorherigen Version des Textes war fälschlicherweise ein Bild aus Chile zu sehen. Wir haben es korrigiert.

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