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Christian Drosten, Leiter der Virologie an der Charité.

© AFP/Tobias Schwarz

Virologe Christian Drosten zum Coronavirus: „Wir haben eine Naturkatastrophe, die in Zeitlupe abläuft“

Im NDR-Podcast warnt der Chef-Virologe der Berliner Charité vor den dramatischen Zuständen in Italien. Deutschland müsse jetzt schnell reagieren.

Von Ragnar Vogt

Der Virologe Christian Drosten hat eindringlich schnelle Maßnahmen gegen das Coronavirus gefordert. „Deutschland hat seinen Ausbruch früh erkannt und muss aus diesem Vorsprung jetzt auch etwas machenׅ“, mahnte der Leiter der Virologie der Berliner Charité in seinem NDR-Podcast „Coronavirus-Update“.

Er verwies auf die dramatische Situation in Italien. Nach seiner Einschätzung kommt die hohe Todesrate dort daher, dass es viele unerkannte Infektionen gebe. „Wir in Deutschland sind näher dran an der echten Fallzahl dran als etwa Italien“, glaubt Drosten. Deutschland habe gegenüber Italien einen Vorsprung von vier bis sechs Wochen. „Wir haben hier eine Naturkatastrophe, die in Zeitlupe abläuft.“

Es brauche schnelle, konsequente Entscheidungen

Nun brauche es schnelle, konsequente Entscheidungen, es brauche „Menschen in Ämtern, die jetzt Courage zeigen müssen.“ Ein Problem sei, dass sich wegen möglicher Regresspflichten Ämter nicht trauen würden, Veranstaltungen abzusagen.

Hier müsse der Bund eingreifen mit einem Fonds, der die Ämter bei solchen Entscheidungen finanziell absichert. „Wenn wir jetzt nichts machen, dann machen wir es schlechter als die Italiener.“ Drosten ergänzte: „Man muss jetzt nicht das ganze öffentliche Leben stilllegen, sondern man muss gezielt agieren.“

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Zudem verwies er darauf, dass die Situation in italienischen Krankenhäusern unerträglich sei. „Das ist keine Panikmache, das ist die Realität, die auch uns treffen wird, wenn wir nicht jetzt etwas tun“, warnte Drosten.

In Italien gebe es bereits sehr viele Fälle in häuslicher Isolierung. Bei einigen von ihnen verschlechtere sich nach etwa einer Woche die Gesundheit. Diese müssten dann sehr schnell auf eine Intensivstation mit Beatmung. „Diese Fälle rasseln auf die Notaufnahmen ein und man weiß nicht mehr, wo man die Beatmungsgeräte herbekommen wird.“

Das Virus ist für alle neu, nicht nur für Kinder

Derzeit sei es wichtig, das Fortschreiten der Coronavirus-Epidemie in Deutschland zu verlangsamen. An einem bestimmten Punkt müsse man aber die Strategie wechseln, mit dem Ziel, die besonders Gefährdeten zu schützen. Dazu zählen ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen.

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Man könne dabei nicht auf die Erfahrungen mit Erkältungen und der Grippe zurückgreifen, wo die Kinder besonders gefährdet seien. Das sei bei Covid-19 anders, weil das Immunsystem von Erwachsenen keine Erfahrungen mit dem Erreger habe, sagte der Virus-Experte. „Hier sind wir alle Kinder, dieses Virus ist für uns alle neu.“

Da Schüler und Kita-Kinder nur einen geringen Prozentsatz der Bevölkerung ausmachen, bringe die Schließung von Schulen und Kitas nicht sehr viel im Kampf gegen die Coronavirus-Epidemie. Zumal nach Drostens Einschätzung auch nach der Schließung solcher Einrichtungen die Infektion von Kindern weitergehe, weil diese ja weiter Kontakt mit Altersgenossen hätten.

„Wir wollen nicht das öffentliche Leben beenden.“

Der Nachteil von Schul- und Kita-Schließungen sei aber, dass Eltern nicht zur Arbeit gehen könnten. „Und das sind vielleicht Krankenpfleger oder andere wichtige Personen im öffentlichen Leben, die wir damit zusätzlich noch schädigen.“ Wichtig sei, dass unnötige Veranstaltungen abgesagt werden, egal ob 1000 Teilnehmer oder weniger. Aber: „Wir wollen nicht das öffentliche Leben beenden.“

Ein so drastischer Lockdown des öffentlichen Lebens wie in China sei in Deutschland nicht möglich. Zumal auch dort die Epidemie nicht beendet sei. „Ein Wiederaufleben des öffentlichen Lebens dort wird auch wieder die Infektionsketten wiederbeleben.“

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