zum Hauptinhalt
Auch die Zahl der Krankenhauseinweisungen könnten wieder steigen.

© picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Vierte Welle spätestens im Oktober: Exponentieller Anstieg droht auch bei Corona-Fällen im Krankenhaus

Die Zahl der Neuinfektionen steigt im Vergleich zur Vorwoche deutlich. Geöffnete Schulen ohne Schutzmaßnahmen könnten laut Experten eine neue Welle lostreten.

In der Corona-Pandemie erwartet eine Wissenschaftlergruppe der Technischen Universität Berlin (TU) anhand von Modellierungen eine vierte Welle, die auch an Krankenhäusern nicht vorbeigeht.

„Laut unseren Simulationen wird im Oktober ein exponentieller Anstieg bei den Krankenhauszahlen starten. Falls die derzeitige Entwicklung anhält, wird dies sogar früher beginnen, und sich im Oktober dann nochmal verstärken“, heißt es im neuen Bericht der Gruppe um den Mobilitätsforscher Kai Nagel an das Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Den zuletzt bereits verzeichneten Anstieg der Sieben-Tage-Inzidenzen wertet das Team wegen hohen relativen Zunahmen als „beunruhigend“. Nur wenn die Impfstoffe gegen Delta deutlich besser wirkten als derzeit bekannt oder wenn eine Impfquote von 95 Prozent erreicht werde, bleibe eine vierte Welle in den Simulationen aus.

Das Modell ergebe „unter allen derzeit realistisch erscheinenden Bedingungen eine vierte Welle bei den Erwachsenen, welche mit der Verlagerung von Aktivitäten in Innenräume im Herbst verstärkt werden wird.“

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Die Simulationen zu Schulen zeigen laut dem Bericht, dass Lüftungssysteme und flächendeckender Einsatz von Schnell- und/oder PCR-Tests die Infektionsdynamik verringern könnten. Würden solche Maßnahmen konsequent umgesetzt, seien Schulschließungen oder Wechselunterricht nicht notwendig, hieß es. Die zwei Schnelltests pro Woche, die derzeit typisch seien, halten die Wissenschaftler ohne zusätzliche Maßnahmen allerdings bei weitem nicht für ausreichend.

Sachsens Ministerpräsident gegen Schulschließungen

Würden die Schulen nach den Sommerferien ohne Schutzmaßnahmen geöffnet, ergäbe sich laut Modell eine Infektionswelle bei den Schülerinnen und Schülern, die zu einer Welle bei Erwachsenen führe.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sprach sich strikt gegen erneute Schulschließungen aus - und für die Impfung von Kindern und Jugendlichen. Offene Schulen und Kindergärten seien eine Frage der Bildungsgerechtigkeit, aber auch der psychischen Gesundheit von Kindern und Familien, sagte er der „Rheinischen Post“.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Weltweit arbeiten Wissenschaftler mit verschiedenen Ansätzen an Covid-19-Simulationen. Diese beruhen auf bestimmten Annahmen und sind mit Unsicherheiten behaftet. Das Team um Professor Nagel nutzt anonymisierte Berliner Mobilfunkdaten, um das Infektionsgeschehen zu modellieren. Die Ergebnisse sind ihm zufolge mindestens auf andere Großstädte übertragbar.

Die Sieben-Tage-Inzidenz bei den Corona-Infektionen in Deutschland ist den zehnten Tag in Folge gestiegen. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab den Wert am Samstagmorgen mit 9,4 an - am Vortag hatte er bei 8,6 gelegen, beim jüngsten Tiefststand am 6. Juli bei 4,9.

Insgesamt haben die Gesundheitsämter dem RKI binnen eines Tages 1608 Neuinfektionen gemeldet. Zum Vergleich: Vor einer Woche waren es 952.

„Die Infektionszahlen steigen wieder und absehbar weiter - wir sind beim Impfen im Wettlauf mit der Delta-Variante. Jede einzelne Impfung erhöht unser aller Schutz für Herbst und Winter“, twitterte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Samstag.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Laut RKI wurden am Freitag in Deutschland 601.220 Impfdosen verabreicht. Damit sind nun rund 38,2 Millionen Menschen oder 45,9 Prozent der Bevölkerung vollständig gegen Covid-19 geimpft, wofür bei den meisten eingesetzten Impfstoffen zwei Dosen nötig sind. Insgesamt haben 59,7 Prozent oder rund 49,6 Millionen Einwohner mindestens die erste Spritze erhalten.

Künftig sollen bei der Beurteilung der Lage neben der Inzidenz auch Werte wie Krankenhauseinweisungen stärker berücksichtigt werden. Dafür plädierte auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Bund und Länder sollten sich auf einen „neuen Warnwert“ verständigen. Bei steigenden Impfquoten habe die Sieben-Tage-Inzidenz heute viel weniger Aussagekraft als noch vor einem halben Jahr, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Lage in den Hausarztpraxen berücksichtigen

Der Deutsche Hausärzteverband forderte zudem, neben den Fallzahlen die Lage in den Arztpraxen zu berücksichtigen. „Für unser tägliches Arbeiten sind die reinen Inzidenzzahlen nicht so entscheidend wie die Zahl der Patientinnen und Patienten, die mit mittleren und schweren Symptomen unsere Praxen aufsuchen“, sagte Verbandschef Ulrich Weigeldt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag). Deutlich zu spüren sei aber die nachlassende Impfbereitschaft.

Dreyer sprach sich dafür aus, bei der Ministerpräsidentenkonferenz im August über die Aufhebung sämtlicher Corona-Beschränkungen zu beraten. Es stelle sich die Frage: „Wie viel Grundrechtseinschränkung geht überhaupt noch, wenn Ende August alle Erwachsenen ein Impfangebot bekommen haben?“

Zahlreiche Menschen spazieren durch die Fußgängerzone in München.
Zahlreiche Menschen spazieren durch die Fußgängerzone in München.

© Sven Hoppe/dpa

Einschränkungen für Nicht-Geimpfte bis hin zu Reiseverboten lehnte sie ab. „Das würde vor allem Familien treffen. Selbst wenn die Eltern geimpft sind, könnten Sie nicht reisen, wenn die Kinder nicht geimpft sind“, sagte Dreyer.

„Wir müssen weiter impfen, impfen, impfen“

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger warnte vor einem Nachlassen des Impftempos in Deutschland. „Wir müssen aufpassen, dass wir das Erreichte nicht verspielen“, sagte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Wir müssen weiter impfen, impfen, impfen, damit sich die Lage weiter stabilisiert.“

Dulger sagte, Arbeitgeber und Gewerkschaften hätten an die Beschäftigten appelliert, die Impf- und Testangebote weiter anzunehmen und so zu einer hohen Durchimpfungsrate beizutragen. „Wir Sozialpartner sind zuversichtlich, dass wir mit einer gemeinsamen Anstrengung der nationalen Impfkampagne zum Erfolg verhelfen und ein hohes Schutzniveau erreichen können.“

Dulger schlug vor, dass sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier oder Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor den 20-Uhr-Nachrichten an die Bürger wenden und sagen: „Liebe Leute, wir sind noch nicht übern Berg. Bitte lasst euch impfen. Es ist jetzt genügend Impfstoff da.“ Dies wäre „ein gutes Signal“. (dpa)

Zur Startseite