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Gas-Leck. Der Anteil des Methans, das aus Erdgasleitungen wie hier in Brandenburg in die Atmosphäre gelangt, ist größer, als bislang geschätzt wurde.

© Stefan Sauer/dpa

Viel mehr Treibhausgas aus Pipeline-Lecks: Industrie verursacht massenhaft mehr Methan-Emissionen

Von menschlicher Technik verursachte Emissionen des Treibhausgases Methan tragen erheblich mehr zum Klimawandel bei als vermutet.

Schon seit Jahrmillionen dringen Methangase aus dem Untergrund an die Oberfläche – etwa über Schlammvulkane oder Sickerquellen. Über dieses natürliche Maß hinaus gelangt das Treibhausgas, das die Klimaerwärmung etwa 25-mal mehr anheizt als Kohlendioxid, auch über die Kohle-, Erdöl- und Erdgasförderung sowie die Landwirtschaft in die Atmosphäre – und zwar in noch viel stärkerem Ausmaß, als man bisher geschätzt hatte, schreiben Benjamin Hmiel von der University of Rochester im US-Bundesstaat New York und seine Kollegen im Fachblatt „Nature“.

Ihre Messungen von Methanspuren im ewigen Eis von Grönland und der Antarktis, das aus vorindustriellen Zeiten stammt, legen nahe, dass die natürlichen Methanemissionen nur ein Zehntel der bisher geschätzten Mengen betragen.

Die bei der Nutzung von Erdgas über Lecks in Pipelines und Förderanlagen frei werdenden Methanmengen würden daher erheblich unterschätzt.

„Um die in Paris vereinbarten Klimaschutzziele einzuhalten, müssen diese Lecks dringend gestopft werden“, sagt Martin Heimann vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena, der an der Studie nicht beteiligt war.

Ein Fünftel der Klimaerwärmung geht auf das Konto von Methan

Bei etwa 70 Prozent allen Methans, das jährlich in die Atmosphäre gelangt, ist der Mensch involviert. Etwa die Hälfte dieser Gasmenge stammt aus der Landwirtschaft und Viehhaltung, aus Klärwerken und Mülldeponien und zur anderen Hälfte aus der Förderung, dem Transport und der Verwendung von Erdgas sowie der Nutzung von Kohle und Erdöl. Dieses Methan trägt zu rund einem Fünftel zu den steigenden Temperaturen auf der Erde bei.

Ob Methanmoleküle in der Atmosphäre aus Bakterien in Rindermägen, Reisfeldern, Sümpfen, Klärwerken und Mülldeponien stammen oder aus auftauenden Dauerfrostböden oder Erdgasquellen, können Forscher mithilfe von Isotopenanalysen ermitteln, den Isotopen Kohlenstoff-12 und Kohlenstoff-13. Nur kann diese Isotopen-Analyse nicht zwischen Methan aus Lecks in Erdgasleitungen und dem gleichen, alten Gas unterscheiden, das aus natürlichen Quellen kommt.

Daher waren die Forscher bislang auf grobe Schätzungen angewiesen. Demnach sollten jedes Jahr 40 bis 60 Millionen Tonnen Methan aus natürlichen, alten Quellen im Untergrund in die Luft strömen. Da nach zuverlässigen Methoden insgesamt jährlich etwa 172 bis 195 Millionen Tonnen altes Methan in die Atmosphäre gelangen, wurden von diesem Wert die natürlichen Quellen einfach abgezogen, um auf Emissionen aus menschlicher Technik zu schließen.

Methangehalt in altem Eis gemessen

Um zu einer genaueren Schätzung zu kommen, ermittelte Benjamin Hmiels Forschungsgruppe, wie viel Methan in vorindustrieller Zeit, bevor Kohle, Erdöl und Erdgas in großen Mengen gefördert wurden, natürlicherweise in die Atmosphäre gelangte. Winzige Mengen der damaligen Atmosphäre sind in kleinen Luftbläschen im Eis Grönlands und der Antarktis eingeschlossen. In dieser Luft aus alten Zeiten bestimmten sie mithilfe der Kohlenstoff-Isotope 12, 13 und 14, wie viel Methan aus lebenden oder kurz vorher gestorbenen Organismen und wie viel aus fossilen Quellen stammt.

Dabei nutzen die Forscher eine „Isotopenuhr“: Das Kohlenstoff-Isotop 14 wird laufend in der Atmosphäre produziert durch Strahlung aus dem Weltraum. Da von diesem Kohlenstoff-14 in 5730 Jahren die Hälfte wieder zerfällt, pendelt sich in der Luft ein Gleichgewicht ein. Dieser Kohlenstoff-14-Anteil findet sich auch in lebenden Organismen wieder.

Nach dem Tod aber endet der Austausch mit der Luft und Kohlenstoff-14 verschwindet langsam wieder. Entweicht Methan dann aus Dauerfrostboden oder aus fossilen Brennstoffen im Untergrund, das vor Millionen Jahren aus lebenden Organismen entstanden war, enthält es kein Kohlenstoff-14 mehr oder allenfalls noch in verschwindend geringen Mengen.

Bis zu 58 Millionen Tonnen Methan mehr stammen aus Pipeline- und Förder-Lecks

Der Haken an dieser Methode: Um den Gehalt an Kohlenstoff-14 zu bestimmen, braucht es Tonnen von Eis. Doch trotz des Aufwands, so viel altes Eis zu bergen, konnten Benjamin Hmiel und Kollegen die natürliche Menge an Methanemissionen aus vorindustrieller Zeit ermitteln. im Durchschnitt rund 1,6 Millionen Tonnen pro Jahr, höchstens allenfalls 5,4 Millionen Tonnen.

Das bedeutet: Die natürlichen Emissionen liegen bei einem Zehntel der bisher geschätzten Werte. Daher dürften 38 bis 58 Millionen Tonnen Methan mehr als bisher vermutet aus Lecks bei der Förderung, dem Transport und der Verwendung von Erdgas in die Luft gelangen, fassen die Forscher zusammen.

Zu ähnlichen Ergebnissen, höchstens 15,4 Millionen Tonnen natürliche Methanemissionen pro Jahr, kam schon 2017 eine Forschungsgruppe um Vasili Petrenko, die Eis aus der Zeit vor ungefähr 12.000 Jahren untersucht hatte, ebenfalls im Fachblatt „Nature“.Roland Knauer

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