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Christian Drosten.

© Michael Kappeler/dpa

Viel diskutierte Studie jetzt in „Science“ erschienen: Kinder ähnlich infektiös wie Erwachsene? Drosten bleibt dabei

Der Virologe hält an seiner Einschätzung zur Ansteckungsgefahr durch Kinder fest. Seine Studie ist jetzt in dem Fachmagazin „Science“ veröffentlicht worden.

Wie ansteckend sind Kinder? Ein Jahr ist es her, dass diese Frage für eine intensive Debatte in Deutschland sorgte. Damals veröffentlichte der Virologe Christian Drosten mit seinem Team der Berliner Charité eine Studie als sogenannten Pre-Print. Es handelte sich dabei um eine noch nicht von unabhängigen Fachleuten geprüfte Auswertung.

In der Studie ging es damals um die Frage, ob Kinder, die an Covid-19 erkranken, genauso ansteckend sind wie Erwachsene. Das Charité-Team hatte sich darauf konzentriert, anhand der Daten die Hypothese zu testen, dass sich die virale Last in den Altersgruppen nicht bedeutend unterscheide. Dazu teilten die Mediziner rund 3700 Patienten in Altersgruppen ein. Das Ergebnis der Studie: Kinder könnten genauso ansteckend sein wie Erwachsene.

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In der Debatte um Schul- und Kitaöffnungen spielte genau diese Studie im Frühjahr 2020 eine gewichtige Rolle. Sie wurde allerdings auch stark kritisiert. Der Vorwurf: Drosten habe relativ grobe statistische Methoden verwendet. Der Virologe räumte damals selber ein, dass die statistische Methode "völlig zu Recht" kritisiert werden könne.

Dies sei auch mit Absicht so gewesen, weil man schauen wollte, ob das Ergebnis weitere Untersuchungen rechtfertige. "Wenn man da mit einer groben statistischen Methode nichts findet, dann lohnt es sich sicherlich auch nicht, da weiter zu graben mit feineren Methoden", sagte er vor einem Jahr im NDR-Podcast.

Andere Forscher hätten die Ergebnisse der Studie mit feineren Methoden nachgerechnet und "hier und da einen Hinweis für Unterschiede in den Viruskonzentrationen gefunden", erklärt Drosten. Das stimme auch, "aber das hat für die medizinische Interpretation und die Deutung dieser Daten überhaupt keine Konsequenz."

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Vor allem die Bild-Zeitung hatte die Studie verrissen und einen Artikel mit der Überschrift "Drosten-Studie über ansteckende Kinder grob falsch" veröffentlicht. "Bild" sammelte in dem Artikel Stimmen verschiedener Wissenschaftler, die das Ergebnis der Studie scharf kritisierten. Später distanzierten sich einige der genannten Experten von dem Artikel. Die Zeitung hatte Drosten damals angeblich nur eine Stunde Zeit gegeben, um auf die Vorwürfe zu reagieren.

Hintergründe zum Streit zwischen "Bild" und Drosten:

Ein Jahr später sind die Daten von Drostens Teams nun im Fachblatt „Science“ erschienen. Die aktuelle Publikation ist allerdings deutlich umfangreicher als die ursprüngliche. Und Drosten hält an seiner Einschätzung zu einer Ansteckungsgefahr auch durch Kinder beim Coronavirus fest. „Mein anfänglicher Eindruck einer ungefähr gleich großen Infektiosität aller Altersgruppen hat sich bestätigt, nicht nur hier, sondern auch in anderen Studien“, sagte der Berliner Coronaviren-Experte laut einer Mitteilung der Charité.

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Für die am Dienstagnachmittag publizierte Studie bestimmten die Wissenschaftler für mehr als 25.000 Covid-19-Fälle die sogenannten Viruslasten, also die Menge des Viruserbguts in der PCR-Probe. „Die Erbgutkopien repräsentieren näherungsweise die Virusmenge im Rachen der Patienten und lassen daher Voraussagen über deren potenzielle Infektiosität zu“, erklärte die Charité.

Einbezogen wurden Menschen ohne Krankheitsanzeichen ebenso wie Patienten mit unterschiedlich schweren Symptomen bis hin zu Krankenhausfällen.

Bei Erwachsenen zwischen 20 und 65 Jahren zeigten sich demnach „keine nennenswerten Unterschiede“ bei der Viruslast. In den Proben der jüngsten Kinder zwischen 0 und 5 Jahren seien die niedrigsten Viruslasten gefunden worden, bei älteren Kindern und Jugendlichen hätten sich die Werte mit steigendem Alter denen der Erwachsenen angeglichen, heißt es weiter.

Die Werte von Kindern sieht Drosten durch eine andere Art der Probenentnahme im Vergleich zu Erwachsenen beeinflusst: Es würden deutlich kleinere Tupfer eingesetzt, die weniger als halb so viel Probenmaterial einbrächten. Statt der schmerzhaften tiefen Nasenrachen-Abstriche würden zudem oft einfache Rachenabstriche gemacht, in denen sich nochmals weniger Virus finde. Deshalb seien bei Kindern von vorn herein geringere Viruslast-Messwerte zu erwarten. (mit dpa)

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