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Rabenschlau. Die Experimente mit den Vögeln helfen die Evolution der Intelligenz zu verstehen.

©  Christoph Schmidt/dpa

Verhaltensforschung: Raben planen für die Zukunft

Vorausschauendes Denken gilt als typisch menschliche Fähigkeit. Jetzt beweisen Verhaltensforscher: Vögel können das auch.

Ist es der Schraubverschluss einer Pfandflasche, das Holzstäbchen, der Strohhalm oder doch das Stück Baumrinde? Der Kolkrabe beäugt genau, was ihm die Verhaltensforscher Can Kabadayi und Mathias Osvath von der Universität Lund in Schweden im Rahmen eines Experiments anbieten. Sie wollen herausfinden, ob der Vogel vorausschauend denken kann. Seit Wochen haben sie dem Tier beigebracht, dass es für einen der Gegenstände am nächsten Tag ein leckeres Stück Hundefutter bekommt. Was für Menschen und Menschenaffen eine ziemlich leicht zu treffende Entscheidung ist, weil vorausschauendes Denken zum Standardrepertoire ihrer Gehirne gehört, haben Forscher Vögeln oder anderen Tieren bislang nicht zugetraut. Doch überraschenderweise muss der Kolkrabe nicht lange überlegen und greift sich den Flaschendeckel – wissend, dass es nur dafür am nächsten Morgen ein Leckerli geben wird.

„Dieses Experiment ist ein wichtiger Schritt, die Evolution der Intelligenz zu verstehen“, kommentiert der Verhaltensforscher Markus Böckle von der Universität Cambridge in Großbritannien die im Fachblatt „Science“ veröffentlichte Arbeit der schwedischen Kollegen.

Dass nun auch bei Kolkraben vorausschauendes Denken nachgewiesen ist, bedeutet aber nicht, dass schon der letzte gemeinsame Vorfahr von Vögeln und Menschenaffen, der vor über 300 Millionen Jahren gelebt haben dürfte, diese Fähigkeit besaß. Offenbar hat sich das intelligente Verhalten im Verlauf der Evolution der Vögel eigenständig entwickelt.

Rabenvögel gelten schon lange als clever

Rabenvögel gelten schon lange als besonders clever. So werfen mitteleuropäische Nebelkrähen gern Nüsse auf Straßen. Rollt ein Auto darüber, wird die Schale geknackt und die Krähe kommt an den Kern. „Neukaledonische Krähen stochern mit kleinen Ästchen nach Larven, die im Holz leben und stellen sich solche Werkzeuge sogar gezielt her“, sagt Böckle, der das Verhalten der Südsee-Krähen untersucht.

Die Experimente von Kabadayi und Osvath offenbaren nun das vorausschauende Denken der schwarzen Vögel. Dabei gibt ein kleiner Apparat einen Leckerbissen in Form von Hundefutter erst heraus, wenn ein Stein von oben in eine Öffnung geworfen wird. Die Kolkraben meistern diese Aufgabe mit Bravour. Danach dürfen die Tiere beobachten, dass der Apparat sich mit verschiedenen anderen Gegenständen nicht öffnen lässt. Am nächsten Tag sitzen die Kolkraben ohne Stein vor dem Apparat und kommen an ihren Leckerbissen nicht heran. Anschließend entfernen die Forscher das Gerät, lassen die Vögel eine Stunde warten und bieten den anscheinend frustrierten Tieren an einem anderen Ort vier verschiedene Gegenstände an. Auch wenn der Apparat mit dem Leckerbissen gar nicht da ist, nehmen die Kolkraben zielstrebig den Stein, der in die Öffnung passt. Eine Viertelstunde später stellen die Forscher das Gerät wieder an seinen Platz und die Vögel kommen mithilfe des Steins endlich an den Leckerbissen heran.

Die Vögel entscheiden sich für das, das langfristig mehr bringt

Im nächsten Teil des Experiments lernen die Kolkraben, dass sie für einen Flaschenverschluss ein Stück Hundefutter eintauschen können, das sie als ganz besonderen Leckerbissen sehr schätzen. In der Abschlussprüfung müssen sich die Tiere dann zwischen einem eigentlich begehrten Futter, das sie sofort schlucken können, und einem Stein oder einem Flaschendeckel entscheiden, mit dem sie sich später das noch begehrtere Hundefutter selbst aus dem Apparat holen oder es eintauschen können.

Die meisten Tiere ließen das direkt verfügbare Futter liegen und schnappten sich den nicht fressbaren Gegenstand, der ihnen später einen noch besseren Leckerbissen bescherte. Ein überzeugender Beweis für die vorausplanende Intelligenz der Kolkraben.

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