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Gesundes Grün. Vegetarische Ernährung liegt im Trend.

© Getty Images/iStockphoto

Vegetarismus: Machen Pflanzen traurig?

Eigentlich gilt vegetarische Kost als gesund. Doch einer Studie zufolge kann sie das Risiko einer Depression erhöhen.

Neben ethischen Argumenten dafür, keine Tiere zu essen, gibt es Hinweise auf gesundheitliche Vorteile einer vegetarischen Ernährung. Gut daran ist vor allem, dass frisches Obst und Gemüse den größten Platz im Einkaufswagen einnehmen, ist das Grünzeug doch der wichtigste Bestandteil der herzgesunden „mediterranen Diät“. Wer oft blutige Steaks verzehrt, erhöht dagegen sein Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Allerdings hat sich die Wissenschaft bisher kaum darum gekümmert, welchen Einfluss der individuelle Speiseplan auf die seelische Gesundheit haben könnte.

Mit einem Paukenschlag wird das nun nachgeholt. Männer, die vegetarisch leben, haben ein höheres Risiko, eine Depression zu bekommen, so ist im „Journal of Affective Disorders“ zu lesen. Der Psychiater und Biochemiker Joseph Hibbeln von den Nationalen Gesundheitsinstituten der USA hat Daten von 9668 Männern ausgewertet, die im Rahmen der britischen Avon-Langzeitstudie von Eltern und Kindern interviewt und getestet wurden.

Das Ergebnis: Die Männer, die kein Fleisch aßen, hatten auf einer etablierten Skala für Depressionen (der Edinburgh Post Natal Depression Scale) deutlich häufiger Werte, die auf eine milde Depression hindeuteten. Bei fast sieben Prozent von ihnen vermuteten die Forscher sogar eine mittelschwere bis schwere Depression, während das bei den nicht-vegetarisch lebenden Männern unter vier Prozent waren.

Kann Mangel an Mineralien auf die Seele schlagen?

Hibbeln und sein Team halten es für möglich, dass ein Mangel an Eisen, Zink und Vitamin B12 den fleischlos lebenden Männern aufs Gemüt geschlagen haben könnte. Allerdings waren unter ihnen nur 39 Veganer, die auch auf Eier und Milchprodukte verzichteten. Außerdem wurde nicht erfragt, ob die Teilnehmer Nahrungsergänzungsmittel zu sich nahmen. Um auszuschließen, dass die übrige Lebenssituation der Männer eine Rolle spielt, haben die Forscher allerdings sorgfältig auf die Faktoren Alter, Familienstand und berufliche Situation, Religion, Zigaretten- und Alkohol geachtet und sie herausgerechnet.

Trotzdem bleibt ein Grundproblem. Beobachtungsstudien wie diese können nur Zusammenhänge finden, sie können – wenn das Bild in diesem Zusammenhang erlaubt ist – nicht zwischen Henne und Ei unterscheiden. „Eine umgekehrte Kausalität kann nicht ausgeschlossen werden“, muss deshalb auch Hibbeln zugestehen. Es könnte also durchaus sein, dass die Studienteilnehmer, die schon mit depressiven Verstimmungen zu kämpfen hatten, häufiger eine vegetarische Lebensweise wählten.

Vielleicht waren die männlichen Vegetarier "speziell"

Für die Interpretation ist möglicherweise auch von Bedeutung, dass die britischen Daten vom Beginn der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts stammen, als der vegetarische Lebensstil weit weniger verbreitet war als hier und heute. Nur 350 von über 9600 Männern fielen in der Studie in diese Gruppe. Sie waren möglicherweise auch in anderer Hinsicht besonders. Weil nur männliche Partner schwangerer Frauen einbezogen wurden, fehlt uns hier zudem jede Auskunft über die Auswirkung einer vegetarischen oder veganen Ernährungsweise auf das psychische Wohlbefinden von Frauen.

Dazu liegt allerdings schon seit 2012 eine australische Studie vor. Felice Jacka, Direktorin des Food and Mood Center der dortigen Deakin-Universität, hat hier die Beziehung zwischen Stimmungsschwankungen und Angststörungen auf der einen Seite und dem Konsum von rotem Fleisch unter die Lupe genommen, und zwar speziell bei Frauen. Sie fand eine U-förmige Kurve: Am besten stand es um die seelische Gesundheit der Frauen, bei denen kleine Mengen Fleisch auf dem Speiseplan standen. Auch dieses Ergebnis ist selbstverständlich mit Vorsicht zu genießen, eine kausale Beziehung zwischen deftigen Fleischgerichten und stabiler Seelenlage beweist es nicht.

Als Präsidentin der im letzten Jahr gegründeten Internationalen Gesellschaft für psychiatrische Ernährungsforschung ist die Australierin aber überzeugt davon, dass es sich lohnt, der Rolle des Essens für die seelische Gesundheit weiter nachzugehen. Dabei geht es nicht ums Fleisch allein, auch wenn Jacka gegenüber dem medizinischen Info-Portal „Medscape Medical News“ kürzlich hervorhob, das von australischen Weidetieren sei von besonders hoher Qualität.

In einer kleineren Studie konnte Jacka inzwischen auch belegen, dass individuelle Diätberatung als Bestandteil der Behandlung von Depressionen sinnvoll ist. Welches Essen Leib und Seele von Männern und Frauen am besten zusammenhält, darüber ist wissenschaftlich das letzte Wort aber noch nicht gesprochen.

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