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Obama

© dpa

USA: Intelligenzbestien für Obama

Nobelpreisträger als Berater, mehr Geld für Forschung: Wie der US-Präsident auf die Wissenschaft setzt.

Eine freie, kritische Wissenschaft hatte im Weltbild des ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush wenig Platz. Nicht an Fakten, Logik oder Vernunft wollte er sich messen lassen, sondern alleine am historischen Ziel, die Welt von Terror und Fundamentalismus zu befreien. Mit Barack Obama regiert nun ein ehemaliger Collegeprofessor die Vereinigten Staaten. Und das Personal, das er sich für wichtige Beraterposten ausgesucht hat, lässt auf einen grundlegenden Wandel im Verhältnis des Weißen Hauses zur Wissenschaft schließen.

Sie zeugen von einem „neuen Respekt für die Wissenschaft“, wie die „New York Times“ schreibt. Den ersten Test, dass sie es ernst damit meint, hat die Regierung bestanden. Der letzte Woche von Obama vorgelegte Haushaltsplan für 2010 sieht kräftige Steigerungen für die Forschung vor. Repräsentantenhaus und Senat wollten in dem Bereich eigentlich kürzen, um die durch die Konjunktur-Hilfen verursachten Billionen-Schulden wenigstens ein bisschen zu verringern.

In den USA und Großbritannien, wo Think Tanks schon Anfang des 20. Jahrhunderts als Antwort auf neue sicherheits- und wirtschaftspolitische Herausforderungen entstanden, gilt der Rückgriff auf externes Know-how als selbstverständlicher Bestandteil des politischen Prozesses. Seit Jahrzehnten lässt sich das politische Führungspersonal von unterschiedlichen Institutionen beraten.

Anders als in Deutschland, wo selbst die fünf „Wirtschaftsweisen“ ihr Amt nebenberuflich ausüben, haben die Mitglieder des wissenschaftlichen Beraterstabs des Präsidenten (dem „Council of Advisers on Science and Technology“) eine größere Nähe zum politischen Prozess. Sie betreiben fast ausschließlich Regierungsberatung. Häufig sind sie hauptberuflich tätig – wie auch die Mitglieder des einflussreichen „Council of Economic Advisors“ (Runde der ökonomischen Berater), dem US-Pendant zu den deutschen Wirtschaftsweisen.

Trotzdem litt unter George W. Bush der Austausch zur Wissenschaft. Seinem wissenschaftlichem Chefberater gewährte Bush anders als seine Vorgänger kaum Zugang. Immer wieder wurde seine Regierung kritisiert, wissenschaftliche Erkenntnisse zu ignorieren oder gar zu manipulieren. Populäre Ressentiments gegen „abgehobene“ Akademiker bedienend, zitierte Bush bei der Begründung seiner Entscheidungen gerne sein „Bauchgefühl“. Dementsprechend eisig war das Klima zwischen der Administration und der Mehrheit der (traditionell ohnehin den Demokraten zuneigenden) Akademiker.

Schon als Kandidat hatte Barack Obama angekündigt, das Verhältnis des Weißen Hauses zu Empirie und Wissenschaft zu korrigieren. Sein Übergangsteam verlor nach der Wahl keine Zeit und besetzte die wichtigsten Ämter im wissenschaftlichen Beraterstab in rekordverdächtigen zwei Monaten. Unter seinem Vorgänger hatte das ein Dreivierteljahr gedauert. Als obersten wissenschaftlicher Berater gewann Obama einen Forscher aus Harvard: John P. Holdren. Ursprünglich ein Spezialist für Plasma-Physik, hat Holdren an der Elite-Uni inzwischen eine Professur für Umweltpolitik. Er gilt als Vorkämpfer gegen den Klimawandel. Wie die Expertise von Forschern politische Entscheidungen beeinflussen kann, gehört ebenfalls zu seinen wissenschaftlichen Schwerpunkten: Er leitet ein Programm, das sich mit diesen Fragen beschäftigt.

Gemeinsam mit Harold Varmus, einem Krebsforscher und Medizin-Nobelpreisgewinner von 1989, und Eric S. Lander, Genom-Forscher am Massachusetts Institute of Technology und einer der Hauptakteure im internationalen Genomprojekt, wird Holdren zudem Obamas wissenschaftlichen Beraterstab führen. Jane Lubchenco, Meeresbiologin an der Oregon State University, ist als Leiterin der nationalen Behörde für die Ozeane und die Atmosphäre künftig für die Forschung über Klimaerwärmung verantwortlich. Dass mit Steven Chu erstmals ein Wissenschaftler zum Energieminister ernannt wurde, passt ins Bild. Der Physik-Nobelpreisträger gilt als Vorreiter bei der Erforschung erneuerbarer Energien und war einer der schärfsten Kritiker der Klimapolitik Bushs.

Klimaerwärmung, Schutz der Meere, Genforschung – Obamas Personalwahl ist auch programmatisch motiviert. Doch sie macht deutlich, dass der Präsident in unabhängiger wissenschaftlicher Expertise eine wichtige Ressource für die Lösung gesellschaftlicher Probleme sieht. Entsprechend groß sind die Hoffnungen vieler Forscher, von nun an im Weißen Haus Gehör zu finden.

Der Haushalt Obamas sieht auf jeden Fall mehr Geld für die Wissenschaft vor. 21,5 Milliarden Dollar will Obama im nächsten Jahr dafür ausgeben – das sind acht Milliarden mehr, als das Repräsentantenhaus dem Bereich zubilligen wollte. Die „National Science Foundation“, die die Grundlagenforschung der Unis unterstützt, kann mit einem Plus von 8,5 Prozent rechnen und drei Milliarden Dollar ausgeben. Für die Medizinforschung gibt es einen Extratopf mit weiteren 10,5 Milliarden Dollar.

Für Darrell West, Vizepräsident der Washingtoner Denkfabrik Brookings Institution, ist auch die Transparenzoffensive des Weißen Hauses ein Zeichen dafür, dass Obama die „evidenzbasierte“ Unterfütterung von Politik zum Maßstab seiner Amtszeit machen will. So soll auf Seiten wie recovery.org die Wirksamkeit von Maßnahmen im Internet dokumentiert werden. Über zehn Brookings-Mitarbeiter haben die Seiten gewechselt und sind nun für die Administration tätig.

So wie Obamas Popularität insgesamt ohne die Bilanz seines Vorgängers undenkbar wäre, so ist auch die momentane Begeisterung für Obamas „Team von Intelligenzbestien“ („New Yorker“) nur vor dem Hintergrund des Unbehagens mit dem Antirationalismus der Bush-Jahre zu verstehen. Kritiker haben allerdings angemerkt, der Präsident könne sich gerade beim Thema Klimawandel womöglich zu viel Sachverstand ins Haus geholt haben. Bei der großen Anzahl von Top-Forschern zum selben Thema könnten sich diese auch gegenseitig blockieren anstatt konstruktiv zusammenzuarbeiten.

Leonard Novy

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