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Megaproblem Mikroplastik: Plastiktüten, Flaschen und sonstige erkennbare Fremdkörper können aus dem Biomüll entfernt werden, wenn auch mühsam. Dennoch gelangen viel zu viele Mikroplastik-Teilchen in den Kompost und die Natur.

© imago/Rupert Oberhäuser

Umweltschutz: Komposterde ist voller Mikroplastik

Über den Biomüll aus Haushalten und Gewerben kommen winzige Kunststoffteilchen in die Umwelt. Das Problem ist laut einer Studie groß.

Kompostierungsanlagen sind eine tolle Sache: Während Bioabfall einst wie jeder andere Müll auf Deponien landete und ungenutzt vor sich hin rottete, werden Lebensmittelabfälle und Pflanzenreste seit 1985 in vielen Regionen getrennt gesammelt und zu Kompost verarbeitet. Das spart Kunstdünger, der oft mit erheblichem Energieaufwand hergestellt wird oder aus raren Lagerstätten stammt. Die rund tausend Kompostierungsanlagen in Deutschland spielen daher eine wichtige Rolle in dem Teil der Wirtschaft, die tatsächlich nachhaltig arbeitet. Nun haben Forscher der Universität Bayreuth in solchem Kompost allerdings große Mengen kleiner Plastikteilchen entdeckt, wie sie im Fachblatt „Science Advances“ berichten.

Millionen Tonnen Plastik im Meer - und noch mehr an Land

Dass Reste von Tüten, Einwegflaschen, Lebensmittelfolien und anderen Plastikprodukten die Ozeane vermüllen, ist schon länger bekannt. Allein im Jahr 2010 gelangten 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen Kunststoffe über die Flüsse in die Ozeane, so eine Schätzung von Forschern aus dem Jahr 2015. Die Plastikabfälle an Land finden dagegen noch wenig Beachtung. Dabei scheint die Plastikflut dort sogar noch größer zu sein. Verglichen mit dem Meer stecken je nach Umgebung vier- bis 23-mal mehr Plastik-Teilchen mit einer Größe von weniger als fünf Millimetern im Boden, schreiben Anderson Abel de Souza Machado von der Freien Universität Berlin und dem Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin und seine Kollegen in der Zeitschrift „Global Change Biology“.

Fragt sich nur, wo dieses Mikroplastik herkommt. IGB-Forscher Werner Kloas, der gleichzeitig an der Berliner Humboldt-Universität lehrt, hat unter anderem das Abwasser in Verdacht: „Dort landen zum Beispiel beim Waschen viele Kunstfasern aus Kleidungsstücken. Von diesen Partikeln im Abwasser schaffen es 80 bis 90 Prozent in den Klärschlamm, der später als Dünger in der Landwirtschaft verwendet wird.“

Dutzende bis Hunderte von Plastikteilchen pro Kilogramm Kompost

Eine weitere Quelle für Mikroplastik decken jetzt Christian Laforsch und seine Bayreuther Kollegen auf. Die Forscher haben Kompost aus verschiedenen Anlagen untersucht: Eine davon macht aus einer Mischung von Biomüll aus Haushalten und Grünschnitt aus Gras, Kräutern, Sträuchern und Laub Kompost. Obwohl dort vor der Kompostierung Fremdteilchen mit groben Sieben und von Hand ausgelesen werden, entdeckte Laforschs Team etwa 20 bis 24 Mikroplastik-Teilchen pro Kilogramm Trockengewicht. Die Teilchen hatten eine Größe von einem bis fünf Millimetern. Die zweite untersuchte Anlage produziert Biogas aus Haushalts-Biomüll, der mit wenig Grünschnitt gemischt wird. Übrig bleiben eine feste Masse und Sickerwasser, die beide als Dünger genutzt werden. In dem festen Dünger fanden die Forscher 70 bis 146 Mikroplastik-Teilchen pro Kilogramm Trockengewicht, in einem Liter Sickerwasser schwammen 14 Mikroplastik-Teilchen. In einer weiteren Anlage, die gewerblichen Biomüll zum Beispiel aus Supermärkten, Gastronomie und Kantinen vergärt, entdeckten Laforsch und seine Kollegen sogar 895 Plastikstückchen pro Kilogramm Dünger. Dagegen fanden sie in den Resten aus einer Biogasanlage, die Mais und Grassilage zu Biogas verarbeitet, kein einziges Mikroplastik-Teilchen. Auch in zehn Biogasanlagen, die Mist und Gülle, Reste aus der Verarbeitung von Früchten oder Sonnenblumen verarbeiten, waren keine und in zwei Fällen nur sehr wenige Mikroplastik-Teilchen zu finden.

Demnach scheint der Biomüll aus Haushalten und Gewerbe eine der Hauptquellen für Plastikrückstände in Komposten zu sein. Weitere Indizien liefert die chemische Zusammensetzung des Mikroplastiks: Es handelte sich überwiegend um Polystyrol und Polyethylen. „Das sind genau die Kunststoffe, aus denen häufig Verpackungen und Einwickelpapier für Lebensmittel hergestellt werden“, sagt Laforsch.

Welche Schäden Mikroplastik verursacht ist unbekannt

Das Problem von Plastikverpackungen im Biomüll kennt auch Volker Weiss, der im Umweltbundesamt (UBA) in Dessau für die Abfalltechnik zuständig ist. „Und wir arbeiten bereits an Lösungen.“ Allerdings ist das angesichts des Geflechts der Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union, deren Mitgliedsstaaten, Bundesländern und Kommunen ein langwieriges Unterfangen. Derweil werden in den Kompostanlagen größere Fremdkörper zwar von Sieben und auch durch Auslesen von Hand entfernt. Die Mikroplastik-Teilchen erwischen die Anlagen allerdings nicht. Sie gelangen mit dem Kompost in die Böden von Gärten und Äckern.

Erkennbare Schäden richtet das Mikroplastik zunächst nicht an. Von Pflanzen werden die Teilchen nicht aufgenommen. Allerdings wird das Plastik mit der Zeit immer feiner – etwa durch das ultraviolette Licht der Sonne oder mechanische Beanspruchungen wie Pflügen. Sind die Teilchen dann kleiner als einen Tausendstel Millimeter, können „solche Nano-Teilchen von den Zellen von Pflanzen und Tieren und damit auch von Zellen im Körper eines Menschen aufgenommen werden“, sagt IGB-Forscher Kloas. Was dann passiert, ist kaum untersucht. Erste Hinweise aber zeigen, dass sich hier ein großes Problem entwickeln könnte: Bei Fischen können die Nanoplastik-Teilchen zum Beispiel eine natürliche Barriere zwischen Blutgefäßen und dem Gehirn überwinden und das Verhalten der Tiere ändern.

Folgen der Mikroplastikflut? "Eher schlecht als gut"

FU- und IGB-Forscher Abel de Souza Machado untersucht zurzeit, wie Pflanzen auf die Plastikteilchen selbst, aber auch auf andere, im Plastik enthaltene Stoffe reagieren – etwa Phthalate, die den Kunststoff weicher machen. „Solche Weichmacher können zum Beispiel das Hormonsystem von Wirbeltieren stören“, sagt Kloas.

Noch steht die Forschung über die Folgen der Verunreinigung durch Mikroplastik und daraus enstehendem Nanoplastik am Anfang. Eines aber steht schon fest: Die Plastik-Teilchen die in den vergangenen fünfzig Jahren in die Umwelt gelangt sind, haben sich angereichert und werden wohl auch noch in vielen Jahrzehnten die Ökosysteme beeinflussen. In welcher Weise, müssen Forscher wie Werner Kloas noch herausbekommen: „Viele dieser Wirkungen dürften allerdings eher schlecht als gut sein.“

Wie sich Plastik im Biomüll vermeiden lässt:

Umweltverschmutzung im Nachhinein zu bekämpfen, ist schwierig, deshalb sollte sie besser gar nicht erst entstehen. Man sollte also schlicht darauf achten, keine Verpackungsreste in die Biotonne zu werfen. Das gilt im privaten Bereich, aber auch etwa für Mitarbeiter im Lebensmittelhandel, in Kantinen, Gaststätten und auf Wochenmärkten. Es gibt zudem kompostierbare Papiertüten, in denen der Bioabfall gesammelt und entsorgt werden kann. Wer eine Plastiktüte vorzieht, sollte diese nach vollständigem Entleeren des Bioabfalls in den Plastikabfall werfen. Vor „ kompostierbaren“ Plastiktüten dagegen warnt etwa die Naturschutzorganisation BUND. Sie gehören in den Restmüll. Volker Weiss vom Umweltbundesamt (UBA) entwickelt Verfahren, mit denen sich Mikroplastik und andere Fremdstoffe im Biomüll, Klärschlamm und Kompost analysieren lassen. Damit will er herausbekommen, wie groß das Problem tatsächlich ist, denn bislang wurden nur Stichproben untersucht. Lässt sich die Mikroplastik-Flut weder beim Biomüll in Haushalten und Gewerbe noch in den Verarbeitungsanlagen eindämmen, wäre eine Umstellung der Verwertung denkbar, so Weiß: Würde man Bioabfälle bei hoher Temperatur in Spezialanlagen verbrennen, ließe sich sowohl Energie als auch Phosphat aus den organischen Abfällen gewinnen. Das Phosphat könnte anschließend als Mikroplastik-freier Dünger verwendet werden.

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