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Ein Warnschild zum Tragen von Schutzkleidung hängt auf der Intensivstation des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe an der Tür eines Covid-19-Patientenzimmers.

© Christoph Soeder/dpa

Umstrittener Survey zu Covid-19: Charité überprüft Impfbefragung

„Berechtigte Zweifel an der Qualität“ einer Umfrage zu Impfreaktionen sieht nun auch die Wissenschaftssenatorin. Die Charité reagiert und prüft die Methodik.

Die Charité wird die umstrittene Befragung „ImpfSurv“ zu Reaktionen auf und Nebenwirkungen von Corona-Impfungen sowie zu Symptomen von Covid-19-Erkrankungen intern prüfen. Das teilte Berlins Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote (Grüne) am Montag im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses auf eine Frage von Tobias Schulze (Die Linke) mit.

Es gebe „berechtigte Zweifel an der Qualität der Befragung“, sagte Gote in der aktuellen Stunde. Geleitet wird „ImpfSurv“ von Harald Matthes, dem ärztlichen Leiter des anthroposophischen Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe. Matthes hat außerdem eine befristete Stiftungsprofessur am Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der Universitätsmedizin Charité.

Von einer „Charité-Studie“ zu sprechen sei nicht korrekt, sagte Gote. Tatsächlich handelt es sich um eine auf zwei Jahre angelegte Befragung von nach Angaben Matthes’ bislang 40 000 Menschen, für die seit Juli 2021 freiwillig Teilnehmende gesucht wurden. An der Charité werde auch eine „externe Best-Practice-Prüfung“ erwogen, ergänzte Gote.

Ulrike Gote: Keine "Vorverurteilung" des Projektleiters

Bei solchen Verfahren geht es um die Frage, ob etwa beim Befragungsdesign, bei den Methoden oder bei der Auswertung wissenschaftliche Standards eingehalten oder verletzt wurden. „Die Charité positioniert sich klar im Sinne einer Qualitätssicherung und nicht im Sinne einer Vorverurteilung“, so Gote.

[Über die Distanzierung der Charité hat zuerst der Tagesspiegel Checkpoint berichtet: Charité zieht spektakuläre Studie zu angeblichen Impfnebenwirkungen zurück]

Matthes hatte gegenüber verschiedenen Medien Auskunft über Zwischenergebnisse der Befragung gegeben. Demnach sei das Auftreten „schwerer Nebenwirkungen“ der Impfungen gegen Covid-19 rund 40mal häufiger als bislang vom in Deutschland für die Erfassung von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen zuständigen Paul-Ehrlich-Institut (PEI) angegeben wird.

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Laut dem letzten, Ende März veröffentlichten Sicherheitsbericht des PEI beträgt die Melderate von Verdachtsfällen in Deutschland für alle Impfstoffe 1,7 Meldungen pro 1000 Impfdosen, für schwerwiegende Reaktionen 0,2 Meldungen pro 1000 Impfdosen. Matthes hatte angegeben, dass die Impfungen eine Nebenwirkungsrate von 0,8 Prozent hätten.

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Überprüfbar ist diese Aussage nicht, da die Ergebnisse und die Beschreibung der zugrundeliegenden Methodik nicht veröffentlicht wurden.

Kritiker aus Fachkreisen bemängeln die Verwendung des Begriffs „schwerer Nebenwirkungen“ durch Matthes. Welche Nebenwirkungen es sind und ob sie in einem Zusammenhang mit der Impfung stehen, ist anhand der Angaben nicht nachvollziehbar.

Eine Placebo-Gruppe fehlt in der Befragung

Matthes nannte in einem Interview neurologische Störungen, Nervenlähmungen, Muskel- und Kopfschmerzen und Herz-Kreislauf-Probleme als Beispiele. Grundlage seiner Aussagen sind Symptome, die die Befragten an sich selbst beobachteten.

In Studien zur Sicherheit von Impfstoffen müsse jedoch zwischen „unerwünschten Ereignissen“ und „unerwünschten Arzneimittelwirkungen“ unterschieden werden, hatte Leif Erik Sander, Leiter der Infektiologie an der Charité, dem Tagesspiegel auf Anfrage mitgeteilt.

Unerwünschte Ereignisse treten in klinischen Studien auch unter den Proband:innen auf, die ein wirkungsloses Placebo erhalten. Eine Placebo-Gruppe zum Vergleich fehlt in der Befragung. Nur von „schweren Nebenwirkungen“ zu sprechen, suggeriere einen Kausalzusammenhang mit der Impfung, der nicht in allen Fällen besteht, so Sander.

Weitere Kritik betrifft die nicht-repräsentative Rekrutierung der Befragten. Aufrufe zur Beteiligung erfolgten an Impfzentren, per Mail und Messenger-Dienst und über eine Website. Menschen mit akuten Beschwerden sind wahrscheinlich überrepräsentiert.

Ein Sprecher der Charité hatte der Deutschen Presse-Agentur mitgeteilt: „Diese Datenbasis ist nicht geeignet, um konkrete Schlussfolgerungen über Häufigkeiten in der Gesamtbevölkerung zu ziehen und verallgemeinernd zu interpretieren.“

(Korrekturhinweis: Der Titel dieses Artikels „Charité nimmt Impfbefragung von der Website“ wurde zu „Charité überprüft Impfbefragung“ geändert, da die Studie weiterhin auf der Charité-Website auffindbar ist. Der ersten Absatz wurde entsprechend angepasst.)

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