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Vier Tage alte menschliche Embryonen unterscheiden sich von Affenembryonen auf den ersten Blick nicht.

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Update

Umstrittene Chimären-Experimente: Mensch-Affe-Mischwesen in China gezüchtet

Ein spanischer Forscher hat mit Kollegen in China menschliche Stammzellen in Affenembryos geschleust, um Unterschiede in der Hirnentwicklung zu studieren.

In China sollen Forscher menschliche Zellen, so genannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen), in Embryonen von Makaken verpflanzt, also Mensch-Affe-Chimären erzeugt haben. Das berichtet die spanische Zeitung "El Pais". Beteiligt ist dem Blatt zufolge der spanische Wissenschaftler Juan Carlos Izpisúa Belmonte, der am Salk Institute bei San Diego forscht, der die Forschungen gemeinsam mit chinesischen Kollegen durchgeführt und die Ergebnisse zur Publikation in einem Fachjournal eingereicht haben soll.

Schwein-Mensch-Chimäre funktionierte nicht

Die Idee hinter solchen Chimären-Experimenten ist es unter anderem, Organe aus menschlichen Zellen in Tieren, etwa Schweinen, heranzuzüchten. Das ist das Fernziel des in Japan und Kalifornien forschenden Wissenschaftlers Hiromitsu Nakauchi. Vergangene Woche bekam er die Genehmigung der japanischen Behörden, schrittweise vorzugehen und erste Experimente an Maus- und Rattenembryonen mit menschlichen Stammzellen durchzuführen. Belmonte hat hingegen bereits 2017 versucht, Schweineembryonen mit menschlichen Stammzellen zu versetzen - wenn auch ohne Erfolg. Nach Injektion menschlicher ipS-Zellen in Schweineembryonen waren nach vier Wochen Embryonalentwicklung nur sehr wenige menschliche Zellen übrig, etwa eine pro 100.000 Schweinezellen - womit keine nennenswerte Beteiligung der menschlichen Zellen an der Organentwicklung möglich ist.

In einem Meinungsbeitrag im Fachjournal "Neuron" hatte sich Belmonte bereits 2015 dafür ausgesprochen, Chimärenexperimente an nicht-menschlichen Primaten durchzuführen - allerdings nicht in erster Linie, um Organe für die Transplantation und Therapie von Patienten zu gewinnen, sondern um die Unterschiede in der Hirnentwicklung zu erforschen. Eines seiner Argumente, Chimärenexperimente mit menschlichen Zellen und Affenexperimenten zuzulassen, war, dass China bereits in solche Tierversuche investiere. Nun ist er offenbar selbst Teil solcher Forschungsprojekte geworden.

Experimente "nicht über einen Kamm scheren"

Peter Dabrock von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Vorsitzender des Deutschen Ethikrats warnt davor, die geplanten Experimente Nakauchis und die jetzt bekannt gewordenen Versuche Belmontes "ethisch über einen Kamm" zu scheren. Zwar verfolgen beide Vorhaben hochrangige Forschungs- und Anwendungsziele, so Dabrock: die Embryonalentwicklung besser zu verstehen und die notorische Organknappheit in der Transplantationsmedizin zu überwinden. Auch stünden beide unter dem kritischen Vorbehalt, was man mit Tieren zu menschlichen Zwecken machen und welches Leid Tieren zugemutet werden dürfe, um die Hoffnung schwerstkranker Menschen zu erhalten.

Doch die beiden Gruppen ließen "unterschiedliche ethische Einstellungen" erkennen, meint Dabrock: "Die Japaner haben angekündigt, Schritt für Schritt vorzugehen, wollen sich extern überwachen lassen und haben eine rote Linie markiert und suchen das Gespräch mit der Öffentlichkeit." Diese seien "vorbildliche Schritte für eine Forschung, die von nicht Wenigen wegen der Erinnerung an mythische Figuren als gruselig oder verstörend wahrgenommen wird." Anders dagegen agiere Belmonte, der "aufs Ganze" gehe, "Embryonen aus Primat und Mensch herstelle, bei denen alle Ängste vor Mischwesen bedient werden," und der "seine Forschung nach China verlagere, um der strengen Gesetzgebung im eigenen Land zu entgehen". Das Beispiel zeige, dass solches Vorgehen riskiert, "das bitter nötige Vertrauen zu verspielen, das Wissenschaft benötigt."

Mensch-Affe-Chimären besonders aussichtsreich, um Organe zu züchten

Allerdings ist auch Nakauchi kein Gegner von Chimärenexperimente menschlicher Zellen mit nicht-menschlichen Primaten. Er hält sie sogar für besonders aussichtsreich, um so zu transplantierbaren Organen zu kommen, da sich Mensch und etwa Schimpanse genetisch sehr viel ähnlicher sind als Mensch und Schwein, und die verschiedenen Zellen in einer Chimäre daher besser miteinander wechselwirken dürften. Und einem Artikel auf der Website "BioRxiv" zufolge, wo noch nicht begutachtete Forschungsergebnisse hochgeladen werden können, hat Nakauchi testweise Stammzellen von Schimpansen in frühe Makaken-Embryonen injiziert. „Erstaunlich ist, dass die Schimpansen-iPSCs in (...) Embryonen von Rhesus-Makaken überlebt, sich vermehrt und integriert haben“, heißt es in dem Text. Der nächste Schritt wäre, das Experiment statt mit Schimpansen-Stammzellen mit menschlichen durchzuführen.

In Deutschland wären solche Experimente durchaus erlaubt, sagt Jochen Taupitz vom Institut für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Biomedizin der Universitäten Heidelberg und Mannheim: „Das deutsche Recht enthält keine speziellen Regeln für die Verwendung von iPS-Zellen, wie es der spanische Forscher Belmonte versucht.“ Auch das Embryonenschutzgesetz verbiete nicht, menschliche Stammzellen in Affenembryos zu spritzen. (mit SMC)

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