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Die Humboldt-Universität.

© imago/Seeliger

Übervolle Hörsäle: Die HU nimmt zu viele Studierende auf

Überfüllte Kurse, volle Hörsäle: Die Humboldt-Universität hat in einigen Fächern zu viele Studierende zugelassen. In einigen Fächern herrsche "Chaos", heißt es.

Die Humboldt-Universität (HU) hat im Zulassungsverfahren für das Wintersemester mehr Studierende zugelassen als erwartet. Der Grund: Überraschend viele Bewerberinnen und Bewerbern haben einen Studienplatz angenommen. In einigen Studiengängen sorgt das an der ohnehin schon durch Baustellen belasteten Universität für Probleme.

Am Institut für Sozialwissenschaften (ISW) sind bis zu 240 Studierende in ihr erstes Bachelorsemester gestartet, wie der Tagesspiegel aus Institutskreisen erfahren hat. In vergangenen Jahren wurden lediglich 180 Erstsemester begrüßt. Die Folge an der erst kürzlich erneut als Exzellenzuniversität ausgezeichneten HU: Überfüllte Kurse und volle Hörsäle.

Besonders brisant ist die Situation in den computergestützten Statistikkursen: „Die ersten zwei Wochen waren auf jeden Fall Chaos. Alles war überlaufen und wir wussten nicht, wo wir die Leute hinschicken sollten“, sagt Statistik-Tutorin Jana Borchers. Sie berichtet, dass vier Tutoren von 40 auf 60 Monatsstunden aufgestockt haben, um zwei weitere Kurse anbieten zu können.

Wie kann es dazu kommen, dass zu viele Studierende aufgenommen wurden? „Da sich in der Regel nicht alle Zugelassenen immatrikulieren, wird bei der Zulassung immer eine gewisse Überbuchung vorgenommen“, erklärt HU-Sprecher Hans-Christoph Keller. Wie bei Flügen werden mehr Zusagen ausgesprochen als Plätze vorhanden sind. Wie hoch diese Überbuchung ausfallen darf, wird mithilfe der Vorjahreszahlen festgelegt. Das Vorgehen sei notwendig, um „zeitaufwändige Nachrückverfahren“ und „unbesetzte Studienplätze“ zu vermeiden. Dabei können einmal erteilte Zulassungen nicht zurückgenommen werden.

Die Annahmequote stieg um 20 Prozentpunkte

Doch zu diesem Wintersemester registrierte die Humboldt-Universität in vielen Studiengängen sehr viel höhere Annahmequoten. Diese seien teilweise um mehr als 20 Prozentpunkte gestiegen, teilt die Uni mit. Das betreffe große Fächer wie Volkswirtschaftslehre (VWL) oder Sozialwissenschaften (SoWi), aber auch kleinere wie den neuen Bachelorstudiengang Informatik, Mathematik und Physik. Warum auf einmal mehr Studierende als sonst üblich einen Platz annahmen, konnte die HU laut eigener Aussage noch nicht ergründen.

Aus dem SoWi-Institut heißt es, dass die Zulassungsbescheide scheinbar früher verschickt wurden als in den vergangenen Jahren. „Der Vermutung nach hat das dazu geführt, dass sich mehr Bewerber für das Studium an der HU entschieden haben“, berichtet SoWi-Student Joscha Heimbold. Er war am 23. Oktober bei einer Sitzung des Institutsrates, bei der das Thema besprochen wurde. „Das 'Missgeschick' betrifft uns alle und senkt merklich die Qualität der Lehre“, sagt er. Die HU lässt das als Begründung jedoch nicht gelten: „Es handelt sich um einen dynamischen Prozess, weshalb es nicht ein konkretes Datum für den Bescheidversand gibt, sondern sehr viele“, sagt HU-Sprecher Keller.

Ein räumlicher Engpass verschärft die Situation

Die Studierendenvertretung RefRat befürwortet die steigende Zulassungszahl: „Grundsätzlich ist es natürlich zu begrüßen, dass mehr Leute ihr Grundrecht auf freie Berufswahl ausüben können“, sagt Juliane Ziegler, Referentin für Lehre und Studium. Es liege jetzt aber an der HU, allen Studierenden ihr Studium in Regelstudienzeit zu ermöglichen und das Lehrangebot der steigenden Studierendenzahl anzupassen. Derzeit sind 36.220 Studierende an der HU eingeschrieben, vor einem Jahr waren es noch 35.475. Für 5.678 zugangsbeschränkte Plätze gingen rund 40.500 Bewerbungen ein. Insgesamt starteten 8.291 Studierende in ihr erstes HU-Semester, wobei diese Zahlen Bachelor und Master beinhalten.

Die Situation wird durch einen räumliche Engpass verschärft, Baumaßnahmen sind teils seit Jahren verzögert. So stehen seit April 2018 zwei der größten Hörsäle, darunter das Audimax, nicht zur Verfügung. Die Konsequenz: Einige Vorlesungen finden an der Technischen Universität (TU) in Charlottenburg statt, auf dem Campus Nord in Mitte wurde ein Hörsaal-Zelt errichtet.

60 Stunden gearbeitet, 40 Stunden bezahlt

Um die Situation in den betroffenen Fächern zu verbessern, plant die Universität zusätzliche Mittel ein: „Die Zuweisung der Mittel an das Institut wird in den nächsten Tagen erfolgen. Das Institut ist hierüber bereits informiert“, so Keller. Anhand der Anzahl der Prüfungsanmeldungen werde sich dann noch zeigen, ob weitere Maßnahmen für die am Ende des Semesters anstehende Prüfungsphase ergriffen werden müssen.

Die Statistik-Tutoren haben einen Antrag gestellt. Sie wissen noch nicht, ob das Institut die Mittel bekommen wird, rechnen aber damit. Jana Borchers erzählt, dass sie für Oktober bisher nur 40 statt der geleisteten 60 Stunden bezahlt bekommen hat. Sie und ihr Team werden die zusätzlichen Kurse aber trotzdem anbieten, um ein Chaos zu verhindern.

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