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Buckelwale kommunizieren untereinander über ihre sogenannten Gesänge. Sie verstehen aber auch andere Wale.

© mauritius images / Cavan Images

Überraschung im Ozean: Buckelwale belauschen andere Arten

Auch unter Meeressäugern gibt es Diskriminierung aufgrund des Dialektes. Die Leidtragenden sind dabei die Orcas.

Gute Ohren sind im Meer von Vorteil: Das Tageslicht schwindet mit der Tiefe rasch, aber vor allem tiefe Töne verbreiten sich über weite Strecken, teilweise Hunderte von Kilometern. Viele Meeresbewohner sind daran mit einem hervorragenden Gehör angepasst. Es hilft ihnen, Beute zu machen, nicht selbst zur Beute zu werden und bei der Partnersuche.

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Buckelwale vor der Küste Norwegens und Spitzbergens scheinen zu den besonders guten Zuhörern zu gehören. Wie sich jetzt herausstellt können sie in einem gewissen Maße sogar andere Wal-Arten verstehen: Sie sind in der Lage, Rufe von Orcas an deren Dialekten zu unterscheiden – eine sehr nützliche Fähigkeit. 

Denn die Dialekte sagen ihnen, ob die bis zu über neun Meter langen Schwertwale für sie gefährlich sind oder ihnen den Weg zu guter Beute weisen könnten. Das berichten Benjamin Benti von der Universität im schottischen St. Andrews und andere Forscherinnen und Forscher aus Frankreich und Norwegen jetzt im Fachblatt „Marine Ecology Progress Series“.

Unter Wasser nur schwer zu beobachten

Dabei haben sie bei ihrer Forschung eigentlich ein großes Handicap: Wale müssen zwar zum Atmen an die Wasseroberfläche kommen, verbringen aber die meiste Zeit unter Wasser, wo sie schwerer zu beobachten sind. 

Zudem sind Buckelwale Wanderer. Im Sommer sieben sie mit Hilfe vieler Hornplatten im Maul vor den Küsten Spitzbergens und der Bäreninsel Krebse und kleine Fische aus dem Wasser. Danach wandern sie südwärts und fressen sich im Spätherbst und Winter an den Küsten Norwegens mit Heringen Speckvorräte an.

Anschließend ziehen sie weiter nach Süden in wärmere Gewässer. Dort bringen sie ihren Nachwuchs zur Welt und sorgen per Paarung für den Erhalt ihrer Population.

Gefischt wird unter anderem mit einem Schlag der Walflosse.
Gefischt wird unter anderem mit einem Schlag der Walflosse.

©  Foto: Caetano Barreira/dpa

Danach geht es wieder in den Norden. Dort wartete im Frühsommer auf Spitzbergen bereits Bentis Team. Die Forschenden brachten Saugnäpfe auf der Haut einzelner Buckelwale an. An diesen waren Unterwasser-Mikrofone, Beschleunigungsmessgeräte und Mini-Sender befestigt. 

Die Wale, so berichtet das Team, hätten auf das Befestigen der Geräte zunächst mit Zusammenzucken und teilweisem Abtauchen reagiert. Bald aber schienen sie das Anhängsel zu ignorieren.

Bei den eigentlichen Experimenten spielte das Team den Tieren aus einiger Entfernung die Rufe von zwei Orca-Populationen vor. Eine davon ist vor der Nordwestküste Nordamerikas zuhause und jagt dort Robben und andere Wale. Da ausgewachsene Buckelwale mit bis zu 15 Metern Länge deutlich größer als Orcas sind, attackieren Schwertwale meist Neugeborene oder Jungtiere.

Orcas kommunizieren in unterschiedlichen Dialekten

Untereinander verständigen sich die Orcas mit einer Reihe von Lauten. Allerdings, so fand der kanadische Meeresbiologe John Ford schon 1990 heraus, kommunizieren sie je nach Population in unterschiedlichen Dialekten. 

Bentis Team spielte den Buckelwalen vor Spitzbergen nun die Rufe der Orcas von der kanadischen Pazifikküste vor. Die großen Wale schienen zu wissen, dass vor allem ihrem Nachwuchs im offenen Meer Gefahr von diesen Orcas droht. Die Tiere versuchten in sieben von acht Experimenten, von den Lautsprechern mit den Schwertwal-Rufen wegzuschwimmen.

Die Buckelwale flohen noch einige Minuten, nachdem die Forscher ihre Lautsprecher mit den Schwertwal-Rufen ausgestellt hatten. Das ist ein Hinweis darauf, dass sie sogar Details des Verhaltens der Orcas kennen: Diese unterhalten sich zwar eifrig nach einer erfolgreichen Jagd, schweigen aber bei der Jagd selbst, um ihre Beute nicht vorzuwarnen. Verstummten die Lautsprecher der Forscher, hatten die Buckelwale also Grund anzunehmen, dass die Orcas zu jagen begonnen hatten.

Vor der Küste Norwegens dagegen jagt die andere Schwertwal-Population mit einer raffinierten Methode Heringe: Weil ein Schwarm dieser Fische sich schnell aufteilt, sobald sich ein Schwertwal nähert, würde dessen Attacke ins Leere laufen. Daher treiben die Orcas Heringsschwärme zunächst an die Oberfläche. 

Buckelwale können auch die Laute anderes Spezies verstehen.
Buckelwale können auch die Laute anderes Spezies verstehen.

©  EPA/Trevor Long/dpa-Bildfunk

Mit Luftblasen werden die Fische dann eingekesselt. Manchmal kreisen die Orcas ihre Beute auch in immer engeren Runden ein und wenden ihnen dabei ihre blitzend weißen Bäuche zu. Die Heringe brechen nicht aus und die Orcas ziehen ihre Kreise enger, bis ein kräftiger Schlag mit der Schwanzflosse etliche Fische tötet oder betäubt, die der erfolgreiche Jäger dann nur noch aufsammeln muss.

Buckelwale orientieren sich an anderen Arten

Auf Buckelwal-Jagd verzichten diese Schwertwale. Das wissen auch die Buckelwale. Als die Forscher ihnen vor der Insel Vengsøya vor der Küste Nord-Norwegens im Januar Rufe von Heringsjäger-Orcas vorspielten, eilten sie in Erwartung eines Schwarms von Heringen dem Lautsprecher-Signal entgegen.

Offensichtlich belauschen die Buckelwale also andere Arten, unterscheiden Dialekte und richten ihr eigenes Verhalten danach aus – und das sogar sehr differenziert: Als die Forscher ihnen im Winter in den Fjords in der Nähe Vengsøyas die Laute der Robbenjäger vorspielten, schienen die Buckelwale seltener zu fliehen. Dann sind die wehrhaften ausgewachsenen Buckelwale gut genährt und können es leichter mit den Orcas aufnehmen, vermuten Benti und seine Kollegen.

Zudem finden sie in den Fjords leichter Verstecke. Genau das hat man bei Buckelwalen vor der kanadischen Pazifik-Küste beobachtet: Sie verbergen sich in dichten Braunalgen-Wäldern vor den Schwertwalen. 

Das Belauschen anderer Arten bietet den Buckelwalen daher einen wichtigen Überlebensvorteil – solange sie nicht nur gut hören, sondern auch die richtigen Schlüsse ziehen.

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