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Steinwerkzeuge sind oben im Bild in einer Reihe geordnet, unten liegen sie auf einem Haufen.

© DAI-Pergamongrabung/Esref Erbil

Türkisch-deutsches Archäologenteam: Erste Funde zu Jägern und Sammlern an der türkischen Westküste

Ein Hirte wies den Archäologen den Weg zu einer versteckten Höhle zwischen Pergamon und dem Hafenstädtchen Dikili, die später zum Heiligtum wurde.

Was türkische und deutsche Archäologen in einer Höhle zwischen Bergama (Pergamon) und dem Hafenstädtchen Dikili in Westanatolien entdeckt haben, fügt der Vor- und Frühgeschichte dieser Region neue Facetten hinzu. 14 000 Jahre alte Siedlungsschichten wurden dort freigelegt.

Eindeutig datiert wurden die gefundenen Knochen mit Hilfe der Radio-Carbon-Methode, bei den Steinwerkzeugen geschah dies aufgrund ihres Formenspektrums und der Machart. Damit ist dieser Fundort mit Abstand der älteste und auch der erste in Westanatolien, der eine mehr oder weniger konstante Nutzung bis in die byzantinische und frühislamische Zeit vorweisen kann.

Im November vergangenen Jahres entdeckten die Archäologen der Abteilung Istanbul des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) im Rahmen des Surveys der DAI-Pergamongrabung in einem abgelegenen Tal diese Höhle. Der Hinweis auf die sehr schwer zugängliche Stätte in einem engen Canyon mit hoch aufragenden Felswänden und einem kleinen Fluss kam von einem Hirten, berichtet der leitende DAI-Archäologe Felix Pirson im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

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Zu einem solchen Survey, den Pirson mit deutschen und türkischen Kollegen unternahmen, gehören auch in High-Tech-Zeiten Gespräche mit Einheimischen, etwa in Teehäusern.

Untersucht werden Beziehungen Pergamons zu seiner Umgebung

Kürzlich beendeten die türkischen und deutschen Archäologen nun eine sechswöchige Grabung in dieser Höhle, die mit einer Sondergenehmigung des Ministeriums für Kultur und Tourismus im Rahmen des Projekts „Die Transformation der Mikroregion Pergamon zwischen Hellenismus und Römischer Kaiserzeit“ unter Leitung des Museums Bergama und in Kooperation mit der Universität Ankara stattfand.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert seit 2019 bis zu zwölf Jahre das Gesamtprojekt, an dem Forschende der Celal Bayar Üniversitesi Manisa, der Sinop Üniversitesi, der Freien Universität Berlin und des Tübiktak Marmara Forschungszentrums beteiligt sind. Gerade die Beziehungen zwischen der Stadt Pergamon und der ländlichen Umgebung sollen näher untersucht werden.

In einer Höhle sind Grabungen zu sehen und ein Archäologe, der eine Messung vornimmt.
Blick in die Höhle während der Grabung.

© DAI-Pergamongrabung/Esref Erbil

Die Höhle, so vermuten die Experten aus Ankara, haben Jäger und Sammler vor 14.000 Jahren als Camp benutzt, Material für ihre in der Höhle gefertigten Steinwerkzeuge aus dem Fluss gewonnen und gejagt. Dann sind sie weitergezogen.

Bemerkenswert ist, dass auch für die Bronzezeit (3. bis 2. Jahrtausend vor Christus) Siedlungsspuren nachzuweisen sind.

Ein Heiligtum der anatolischen Muttergottheit

Vom 6. Jahrhundert vor Christus an muss diese Höhle dann als Heiligtum der anatolischen Muttergottheit Meter-Kybele gedient haben, deren Kult sich bis nach Rom und in die Römische Kaiserzeit verbreitet hatte, glaubt Pirson. Heiligtümer an oder in besonders eindrucksvollen Naturdenkmälern seien in dieser Zeit keine Seltenheit.

Antikes Bildnis einer gekrönten Göttin in Terracotta.
Kopf einer Terrakotta-Statuette der Meter-Kybele mit ihrer charakteristischen Krone.

© DAI-Pergamongrabung/Adriana Günzel

Der bis heute selbst zu Fuß schwer zu erreichende Ort muss durch die Jahrhunderte hinweg eine Aura ausgestrahlt haben, die die Menschen faszinierte. Römische, byzantinische und wahrscheinlich sogar islamische Münzen deuten darauf hin, dass die Menschen von der Magie dieses Ortes wussten und den beschwerlichen Weg in Kauf genommen haben. Der dort gefundene Kopf einer Terrakotta-Statue der Meter-Kybele unterstreicht diese Vermutung.

Die bisher dort gefundene und identifizierte Keramik lässt nicht nur Bezüge nach Pergamon, sondern auch auf Ware von dem vor der Küste liegenden Lesbos erkennen – ebenso wie Kontakte nach Inneranatolien, in die Ägäis und zum griechischen Festland.

Diese Zone des Übergangs zwischen der Levante und der Ägäis war bisher auf der archäologischen Landkarte für die frühe Zeit des Epipaläolithikums (Nach-Altsteinzeit) ein weißer Fleck. Archäologische Spuren fand man höchstens aus dem 6. Jahrtausend vor Christus im Südosten Anatoliens. Die viel älteren Höhlen-Funde an der Westküste sind eine kleine Sensation und schließen eine Wissenslücke.

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