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In den Tübinger Labors von Curevac wird mit Hochdruck an einem Impfstoff gegen Covid-19 gearbeitet. Jetzt geght die RNA-Vakzine in erste Tests an Menschen.

© Sebastian Gollnow/dpa

Tübinger Firma Curevac startet Studie: Warum der Impfstoff so revolutionär ist und vor welchen Hürden er steht

Auch der zweite deutsche Corona-Impfstoff, dessen klinischer Test jetzt startet, basiert auf RNA-Molekülen. Eine Technologie, deren Wirksamkeit noch offen ist.

Die Tübinger Firma Curevac darf ab sofort einen neuen Impfstoff-Kandidaten gegen Covid-19 an ersten Probanden testen. Das gab das Paul-Ehrlich-Institut, die zuständige Zulassungsbehörde in Deutschland, am Mittwochmittag bekannt.

Mit ersten Ergebnissen der Phase-I-Studie, bei der zunächst die Verträglichkeit und Dosierung des Impfstoffs in Kliniken in München, Hannover, Tübingen und Gent ausgelotet wird, sei "im Herbst", vermutlich im September oder Oktober zu rechnen, so die Technologiechefin von Curevac, Mariola Fotin-Mleczek.

Curevacs Impfstoff ist damit nach dem der Mainzer Firma Biontech der zweite aus Deutschland stammende Impfstoff, der an Menschen getestet wird, und der dritte weltweit, der auf RNA-Molekülen basiert.

Grund dafür ist wohl, dass RNA, wie das chemisch ähnliche DNA-Molekül, sehr schnell in großen Mengen produziert werden werden kann. Herkömmliche Impfstoffe, die etwa auf Protein-Bestandteilen des Sars-CoV-2-Virus beruhen, müssen - auch für erste klinische Tests - erst in geeigneten Systemen, etwa Zellkulturen, produziert werden.

Doch während es bereits viele virusproteinbasierte Impfstoffe auf dem Markt gibt, sind RNA-Impfstoffe, deren Prinzip vor 20 Jahren vom Curevac-Gründer Ingmar Hoerr in Tübingen entdeckt wurde, noch in der Erprobungsphase. Noch ist kein RNA-Impfstoff zugelassen worden. Es ist also völlig offen, ob sie wirken und ob sie womöglich bislang unbekannte Nebenwirkungen haben.

Winzige Menge RNA, kräftige Immunantwort

Der Impfstoff von Curevac beruht auf RNA-Molekülen, von denen in der Studie jeweils 24 Patienten zwei Mikrogramm (Millionstel Gramm), vier Mikrogramm oder acht Mikrogramm in den Muskel gespritzt werden - am ersten und am 29. Tag der Studie, die jetzt vom Paul-Ehrlich-Institut in der Rekordzeit von 14 Tagen geprüft und bewilligt wurde. Die Patienten sollen insgesamt 15 Monate beobachtet und regelmäßig dahingehend getestet werden, ob ihr Immunschutz stabil bleibt oder sich abschwächt.

[Mehr zum Thema: Forschung in Corona-Zeiten - Autor Ulrich Dirnagl im Podcast des Berlin Health Instituts]

Curevacs RNA enthält den Bauplan für das "Spike"-Protein des Sars-CoV-2-Virus, des "Stachels", mit dem die Viren in die Zelle gelangen. Der RNA-Bauplan wird in der Zelle abgelesen, woraufhin das Spike-Protein dann produziert wird. Zwar kann dieser Stachel keine Covid-19-Erkrankung auslösen, wohl aber dem Immunsystem vorgaukeln, dass gefährliche Viren den Körper attackieren, und so eine Abwehrreaktion auslösen, die ein Immungedächtnis aufbaut und den Geimpften vor den echten Viren schützt.

In Vorversuchen bei Mäusen und Ratten sei beobachtet worden, erklärt Fotin-Mlesczek, dass die gewünschte Immunreaktion dabei weit stärker ausfiel, als nach Impfungen mit Virusproteinen. So seien etwa doppelt so viele der für einen Impfschutz wichtigen "neutralisierenden Antikörper" nach der RNA-Impfung gemessen worden, die Viren außer Gefecht setzen können. Außerdem seien besonders viele jener Immunzellen gebildet worden, die für einen langfristigen Immunschutz nötig sind, sogenannte Sars-CoV-2-spezifische CD4+-T-Zellen.

Drei RNA-Impfstoffe gegen Covid-19 sind jetzt weltweit in der klinischen Prüfung, doch sie unterscheiden sich in ihrer "Optimierung", sagt Mariola Fontin-Mleszek, Curevacs Technologiechefin.
Drei RNA-Impfstoffe gegen Covid-19 sind jetzt weltweit in der klinischen Prüfung, doch sie unterscheiden sich in ihrer "Optimierung", sagt Mariola Fontin-Mleszek, Curevacs Technologiechefin.

© Curevac

Dabei spielt wohl eine Rolle, dass menschliche Zellen auf fremde RNA generell mit einer heftigen Immunantwort reagieren, da das Erbgut vieler Viren (etwa Ebola, HIV oder Influenza) aus RNA besteht. RNA-Impfstoffe, anders als proteinbasierte, können daher auf "Impfverstärker", die die Immunreaktion stimulieren, verzichten.

Die Frage, wie stark die Immunreaktion sein muss, um einen ausreichenden Immunschutz auszulösen, sei bei Sars-CoV-2 jedoch noch nicht zu beantworten, sagt Fotin-Mleczek. Curevacs Strategie sei es daher, eine der natürlichen Immunantwort möglichst ähnliche Reaktion der Körperabwehr hervorzurufen.

Ähnliche Wirkstoffe, unterschiedliche Optimierung

Darin liege auch der Unterschied von Curevacs RNA gegenüber der von Biontech, deren Phase-I-Studie bereits seit Ende Mai läuft. Zwar verwenden beide Firmen eine RNA, die das Spike-Protein codiert. Doch jede Firma "optimiere" ihre RNA unterschiedlich. So wird etwa der Code so verändert, dass die RNA stabiler und für die Zellmaschinerie leichter zu entziffern ist - ohne dabei aber das damit produzierte Spike-Protein zu verändern.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden]

Curevacs Optimierung führe dazu, dass man mit sehr viel weniger RNA-Molekülen pro Impfstoffdosis auskomme. So verwendet etwa die US-Firma Moderna, die ebenfalls mit RNA-Impfstoffen arbeitet und Mitte Mai bereits erste Ergebnisse aus einer Phase-I-Studie vorlegte, mit 25, 50 und 100 Mikrogramm. Biontech testet in der Ende Mai gestarteten Phase Dosierungen von 1 bis 100 Mikrogramm.

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Die Menge an RNA-Molekülen ist nicht zuletzt wichtig, da möglichst viele Impfdosen produziert werden müssen, sobald eine Vakzine als wirksam anerkannt ist. Und auch wenn RNA sehr viel schneller in großen Mengen herzustellen ist als Proteine - Wochen statt Monate - braucht es für Milliarden von Impfdosen mehr Produktionskapazitäten, als derzeit vorhanden sind.

Curevac baut daher die Herstellungskapazität aus, hat im Dezember ein Werk eröffnet, baut bereits am nächsten mit zehnfach höher Kapazität und produziert den Sars-CoV-2-Impfstoff bereits auf Verdacht, berichtet der derzeitige Geschäftsführer Franz-Werner Haas.

Die 300 Millionen Euro der KfW, mit denen sich der Bund an Curevac beteiligt, sollen unter anderem dafür eingesetzt werden. Außerdem wird die Investmentbank der Europäischen Union Curevac 75 Millionen Euro Förderung bewilligen, verkündete Haas zeitgleich mit dem Studienstart.

Ugur Sahin, Gründer und Vorstandsvorsitzender von Biontech, ist Curevac bei der Entwicklung eines Impfstoffs gegen Covid-19 ein paar Wochen voraus.
Ugur Sahin, Gründer und Vorstandsvorsitzender von Biontech, ist Curevac bei der Entwicklung eines Impfstoffs gegen Covid-19 ein paar Wochen voraus.

© Andreas Arnold/dpa

Das Geld wird auch nicht allein für die Produktion der RNA gebraucht, es ist auch nötig, um sich so profane Materialien wie Impfstofffläschchen und Spritzen oder Kapazitäten bei jenen Unternehmen zu sichern, die weltweit klinische Studien organisieren und durchführen - denn die Nachfrage sei derzeit weltweit riesig, sagt Haas.

Langfristig plant Curevac, an der auch die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung beteiligt ist, "mobile RNA-Drucker", mit denen innerhalb von zwei Wochen etwa ein Gramm RNA-Moleküle produziert werden können. Die Idee ist, solche RNA-Drucker weltweit zu verteilen, um im Fall einer aufkeimenden Pandemie vor Ort schnell Impfstoffe produzieren zu können. Aufgrund der RNA-Technologie, die schneller anpassbar ist an neue, zuvor unbekannte Viren, wäre das rasch möglich.

Aber noch ist das Zukunftsmusik. Erst einmal müssen Mariola Fotin-Mleczek und ihr Team zeigen, ob ihr RNA-Impfstoff nicht nur im Tierversuch sondern auch bei Menschen wirkt und sie vor einer Covid-19-Erkrankung schützen kann. Also ob RNA-Impfstoffe überhaupt funktionieren.

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