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PrEP ist eine Medikamentenkombination zur Vorbeugung einer HIV-Infektion.

© Britta Pedersen/dpa

Update

Tripper, Chlamydien und Syphilis: Menschen, die sich mit Medikamenten vor HIV schützen, haben oft andere Geschlechtskrankheiten

Einer weltweiten Studie zufolge werden bei fast jedem vierten PrEP-Nutzer andere Geschlechtskrankheiten festgestellt. Helfen könnte mehr begleitende Behandlung.

Menschen, die sich mit Medikamenten vor dem Aids-Virus HIV schützen, haben in vielen Fällen andere Geschlechtskrankheiten. Ärzte diagnostizierten bei fast einem Viertel der Patienten, die in den vergangenen drei Monaten eine Prä-Expositionsprophylaxe gegen HIV (PrEP) begonnen hatten, Tripper, Chlamydien oder Syphilis.

Das berichten Forscher um Jason Ong von der London School of Hygiene and Tropical Medicine in London im Fachmagazin "JAMA Network Open". Demnach träten diese Krankheiten auch nach den ersten drei Monaten der Prophylaxe weiterhin auf.

Die Wissenschaftler um Ong, darunter Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation (WHO), hatten 88 Untersuchungen von fünf Kontinenten zur Nutzung von PrEP und deren medizinische Begleitung ausgewertet. PrEP ist eine Medikamentenkombination, die wirkungsvoll vor einer Infektion mit HIV schützt. Die Voraussetzung ist, dass die Patenten keinen HI-Virus in sich tragen.

Daten nicht vergleichbar

Schon länger gibt es unter Experten die Befürchtung, dass die "Impfung gegen Aids" dazu führt, dass die Nutzer seltener Kondome verwenden und bei ihnen die Gefahr der Infektion mit anderen sexuell übertragbaren Krankheiten steigt. Aus den nun erhobenen Daten könne man allerdings nicht schließen, dass der HIV-Schutz das Risiko für andere Geschlechtskrankheiten erhöht, sagt Armin Schafberger von der Deutschen Aidshilfe.

Während bei der Eingangsuntersuchung zu PrEP bei 23,9 Prozent der Patienten Tripper, Chlamydien oder Syphilis diagnostiziert wurden, ermittelten die Wissenschaftler für den weiteren Verlauf eine Inzidenz, also ein Neuauftreten der Erkrankung. Diese Inzidenz geben sie mit 72,2 Fällen pro 100 Personenjahre PrEP an.

Mit dieser Maßzahl stellen die Forscher eine Bezugsgröße her, in die die Daten von vielen Personen zusammengenommen eingehen: Schützen sich Personen insgesamt 100 Jahre lang mit PrEP vor HIV, treten in dieser Zeit statistisch 72,2 Fälle von Syphilis, Tripper oder Chlamydien auf.

Damit seien die Daten nicht vergleichbar und es lasse sich nicht ableiten, dass durch PrEP ein Anstieg hervorgerufen wurde, sagte Schafberger. "Ob oder wie stark Menschen vom Kondom auf PrEP umgestiegen sind und damit ein höheres STI-Risiko hatten, lässt sich aus dieser Studie nicht ablesen."

"Wenn man genauer hinsieht, findet man auch mehr"

Schafberger gibt außerdem zu bedenken, dass die Studie Art und Umfang der medizinischen Untersuchungen und Diagnosen nicht berücksichtige. Dies zeige sich beispielsweise darin, dass Tripper, Chlamydien und Syphilis in Ländern mit hohem Durchschnittseinkommen viel häufiger nachgewiesen wurden als in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Durchschnittseinkommen. "Wenn man genauer hinsieht, findet man auch mehr", sagt Schafberger – weil auch diejenigen auf die Krankheiten untersucht werden, die keine Symptome haben.

Studien mit ähnlichen Ergebnissen – wenn auch mit weniger Daten – habe es bereits gegeben, so Schafberger. Von der aktuellen Analyse habe er sich eigentlich erhofft, dass die Daten genutzt werden, um klare Empfehlungen für die medizinische Begleitung zu PrEP zu geben.

So bleibe aber unklar, ob es Patienten mit einer symptomlosen Infektion mehr nutzt als schadet, wenn diese Infektion mit Antibiotika behandelt wird – etwa, weil die häufige Anwendung von Antibiotika zu Resistenzen führen kann.

"PrEP-Behandlung erreicht die Richtigen"

Die Autoren der Studie schreiben, sexuell übertragbare Krankheiten spielten sowohl bei Menschen, die neu mit PrEP beginnen als auch bei solchen, die es kontinuierlich einnehmen, eine große Rolle. Umso wichtiger sei es, diesen Personen begleitende Diagnose- und Therapiemöglichkeiten anzubieten.

Auch Schafberger sieht in den hohen Diagnosezahlen etwas Positives: "Sie zeigen, dass man über die PrEP-Behandlung tatsächlich die Gruppen erreicht, die ein großes Risiko für sexuell übertragbare Krankheiten haben." Dies sei eine gute Chance für vorbeugende Maßnahmen.

Denn während der PrEP-Behandlung müssen sich die Patienten den deutsch-österreichischen PrEP-Leitlinien zufolge alle drei Monate auf HIV untersuchen lassen. Die Leitlinien empfehlen außerdem Untersuchungen auf Hepatitis C (alle sechs bis zwölf Monate), Syphilis (alle drei Monate), Tripper (alle drei bis sechs Monate) und Chlamydien (alle drei bis sechs Monate).

Rückgang in Berlin und München – aber warum?

Vor Kurzem hatte das Robert Koch-Institut aktuelle Zahlen zu Syphilis-Neuerkrankungen in Deutschland veröffentlicht. 2018 hatte es 7332 Fälle gegeben, erstmals seit Jahren stagnierte damit die Zahl an gemeldeten Neuinfektionen. Der Bundesdurchschnitt lag bei 8,8 gemeldeten Infektionen pro 100.000 Einwohner. In Berlin gab es mit 32,5 Fällen pro 100.000 Einwohner nach wie vor die meisten Syphilis-Fälle.

Für die Hauptstadt bedeutet das einen deutlichen Rückgang der Infektionen um etwa 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die RKI-Experten nannten als eine mögliche Ursache die begleitenden Untersuchungen zur HIV-PrEP. Demnach könnten diese dazu führen, dass die Geschlechtskrankheit häufiger diagnostiziert und behandelt wird und somit langfristig zu weniger Infektionen. Ob dies allerdings in Deutschland schon der Fall ist, bezweifeln die Wissenschaftler.

Dagegen spricht auch, dass der Abfall der Neuerkrankungen vor allem in Berlin und München zu verzeichnen ist, nicht aber in anderen Großstädten. Um die Ursachen zu klären, will das RKI nun eine wissenschaftliche Untersuchung durchführen.

Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version des Artikels hieß es, der Schutz vor HIV mit PrEP könne das Risiko für andere sexuell übertragbare Krankheiten erhöhen. Das lässt sich aus der Studie jedoch nicht schließen. Die Information basierte auf einer unkorrekten Wiedergabe der Studie durch die Deutsche Presseagentur. Wir haben den Fehler korrigiert und zusätzlich bei den Studienautoren eine Stellungnahme angefragt. Diese werden wir ggf. nachreichen. (fsch, dpa)

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