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Ein Klinikmitarbeiter weist Patienten ein, die in einer langen Autoschlange warten.

© Ciro De Luca/Reuters

Toter im Bad, überfüllter Flur: Video aus Corona-Klinik in Neapel schockiert Italien

Bilder aus Neapel wecken düstere Erinnerungen ans Frühjahr. Die zweite Corona-Welle scheint außer Kontrolle. Und: Das Konzept der Schnelltests ist gescheitert.

Ein Video aus einem Krankenhaus in Neapel und der Sprung über die Marke von einer Million Corona-Fällen haben in Italien neuen Alarm ausgelöst. In der süditalienischen Hafenstadt Neapel war ein Patient in dem Hospital tot im Bad gefunden worden. Der Videofilm, der Medienberichten zufolge den Vorfall in der Notaufnahme zeigt, löste am Donnerstag landesweit heftige Reaktionen aus. Außerdem war darin ein mit Krankenbetten überfüllter Flur zu sehen.

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„Die Bilder des Patienten, der im Cardarelli-Krankenhaus in Neapel tot gefunden wurde, sind schockierend“, schrieb Außenminister Luigi Di Maio auf Facebook. „In Neapel und in vielen Teilen Kampaniens ist die Situation außer Kontrolle.“ Es gebe Berichte über Menschen in der Region am Golf von Neapel, die im Auto auf Parkplätzen behandelt würden. Andere müssten viel zu lange auf ihren Transport ins Hospital warten, schrieb er.

Die Verantwortlichen des Cardarelli-Krankenhauses sagten eine Untersuchung der Todesumstände zu. Das Hospital arbeite zwar unter viel Druck, aber die Lage sei nicht außer Kontrolle, hieß es. Klinik-Direktor Giuseppe Longo versicherte nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa, alle Patienten könnten angemessen behandelt werden.

Regionalminister Francesco Boccia sagte, die Video-Bilder seien beschämend für alle Verantwortlichen. Zugleich wies er in einem TV-Interview im Sender La7 darauf hin, dass zu viele Menschen mit leichten Corona-Symptomen ins Krankenhaus kämen, statt sich zu Hause auszukurieren.

Das Mittelmeerland mit seinen 60 Millionen Einwohnern hatte am Mittwoch die Marke von einer Million registrierten Corona-Fällen überschritten. Am Donnerstag kamen fast 38.000 Neuinfektionen hinzu. Zugleich starben binnen 24 Stunden 636 Menschen im Zusammenhang mit dem Erreger Sars-CoV-2. So hohe Opferzahlen hatte es in Italien zuletzt während der ersten Corona-Welle in einer schlimmen Phase Anfang April gegeben. Insgesamt verzeichnet das Land nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität bisher 43.589 Covid-19-Tote.

Viel mehr Regionen stark betroffen als im Frühjahr

In der ersten Viruswelle war hauptsächlich der Norden, und besonders auch die Lombardei betroffen gewesen. Dort liegt die Stadt Bergamo, wo die Krankenhäuser und Friedhöfe im Frühjahr völlig überlastet waren. Bilder von Särgen, die auf Militärlastwagen aus der Stadt gebracht wurden, gingen um die Welt.

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Aktuell jedoch sind viel mehr Regionen Italiens stark von der zweiten Corona-Welle erfasst. Diesmal registrieren auch eher arme, süditalienische Gebiete hohe Ansteckungszahlen. Dazu gehört Kampanien, wo es zuletzt rund 4000 neue Fälle pro Tag gab. Dort leben etwa knapp sechs Millionen Menschen.

Italien in drei Corona-Risikozonen eingeteilt

Am stärksten hat das Virus aber auch diesmal in der Lombardei zugeschlagen. Dabei gilt das Krankenhaussystem im Norden als viel besser als das in Süditalien. Aus einigen Regionen des Landes meldeten Fachleute jedoch auch, dass sich die Ansteckungskurve in den jüngsten Tagen abgeflacht habe – das gebe Hoffnung. Die Zahl der Neuinfektionen hatte landesweit vor knapp einer Woche ebenfalls schon mal höher gelegen als am Donnerstag.

Wegen der regional unterschiedlichen Lagen hat die Regierung in Rom im Kampf gegen die Pandemie das Land vor kurzem in drei Risikozonen eingeteilt. Mehr als die Hälfte der 20 Regionen wurde zu Roten oder Orangen Zonen erklärt. In den Roten Zonen – darunter die Lombardei und das Piemont im Norden sowie Kalabrien im Süden – gelten Teil-Lockdowns mit Ausgangsbeschränkungen.

Als erstes Land hatte Italien auf Schnelltests gesetzt

Die Großstadt Neapel und Kampanien insgesamt wurden von der Regierung von Ministerpräsident Giuseppe Conte bisher aber als Zone mit nur mäßigem Risiko (gelb) eingestuft. Mehrere Politiker hatten das in den vergangenen Tagen scharf kritisiert und vor dem Kollaps der Krankenhäuser dort gewarnt. Nach dem Schock-Video aus Neapel gab es Signale, dass Rom die Lage neu prüfen wolle.

Als erstes Land hatte Italien auf Schnelltests gesetzt, um den Menschen in der europaweiten zweiten Corona-Welle die Bewegungsfreiheit zu erhalten. Die zunächst durchaus erfolgreiche Strategie motivierte Großbritannien, die USA, die Slowakei und andere Länder, neben den üblichen PCR-Tests ebenfalls auf Antigen-Tests zu setzen.

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Auch Frankreich will die zweite Welle mithilfe von Schnelltests in Apotheken, Bahnhöfen, Flughäfen und speziellen Zentren bekämpfen. Deutschland plant ihren Einsatz in Pflegeheimen und Krankenhäusern.

Ergebnisse der Antigentests nur zu 89 bis 90 Prozent sicher

Die Antigentests liefern binnen weniger Minuten ein Ergebnis und sind deutlich günstiger als die herkömmlichen PCR-Tests, deren Auswertung in Italien bis zu sieben Tage dauern kann, weil die Labore völlig überlastet sind. Dafür sind die PCR-Tests zu fast 100 Prozent sicher, die Schnelltests aber nur zu 80 bis 90 Prozent. Das heißt, in einigen Fällen zeigen sie ein negatives Ergebnis an, obwohl die Getesteten das Virus bereits in sich tragen.

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Inzwischen steht fest: Die Tests konnten die zweite Welle im Land nicht stoppen. Von etwa 500 Neuinfektionen pro Tag im August, als die Tests eingeführt wurden, stiegen die Fälle auf inzwischen rund 35.000 täglich an.

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„Ich glaube, dass diese Tests derzeit nicht richtig eingesetzt werden – sie werden einfach wahllos an alle verteilt“, kritisierte der Experte Andrea Crisanti von der Universität Padua. Die Art und Weise, wie sie beispielsweise zum Schutz von Risikogruppen in Pflegeheimen genutzt würden, sei „absolut kriminell“, weil manche Infizierte damit unerkannt blieben, sagt er.

Mediziner kritisiert Conte-Regierung

Selbst der renommierte Biomediziner Sergio Abrignani von der Universität Mailand, der im September mit anderen führenden Wissenschaftlern den massenhaften Einsatz der Schnelltests gefordert hatte, sagt nun, dass sie keine Patentlösung seien. Allerdings gebe es zu ihnen in einigen Situationen keine Alternative, sagt er: Immerhin verringere der Antigen-Test das Risiko etwa bei Zug- oder Schifffahrten. „Ein PCR-Test dauert da einfach zu lange.“

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Jeder, der bei Antigen-Tests ein positives Ergebnis erhält, ist in Italien gehalten, sich dieses durch einen PCR-Test nochmals bestätigen zu lassen. Damit aber ist das Problem der falschen negativen Tests nicht gelöst.

Wenn es das Ziel sei, lediglich zu sehen, ob das Virus bereits innerhalb einer Gruppe von Menschen existiert, sei der Schnelltest ein geeignetes Mittel, sagte Experte Crisanti. Um aber eine Infektionswelle zu stoppen, müssten die Schnelltests mit PCR-Tests, Instrumenten der Nachverfolgung und Ausgangssperren ergänzt werden, forderte er.

Crisanti kritisierte die Regierung und die hauptsächlich zuständigen Regionalbehörden, weil sie es versäumt hätten, in den Monaten mit niedrigen Fallzahlen rechtzeitig für schlimmere Zeiten vorzusorgen: „Hätten sie ein Netz für PCR-Tests aufgebaut und dies mit Mitteln für eine raschere und bessere Information kombiniert; und hätten sie an einer Infrastruktur gearbeitet, die Betten dort verfügbar macht, wo sie gebraucht werden, dann hätten wir mit Sicherheit jetzt eine komplett andere Situation.“ (dpa, AFP)

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