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Auf einer Weltkugel ist Pangäa - umgeben von den Ozeanen - eingezeichnet. Zu erkennen sind die später entstehenden Kontinente wie etwa Afrika.

© imago images/Science Photo Library

Tödliches Meer: Wie Klimawandel prähistorische Ozeane stresste

Klimaerwärmung und Sauerstoffmangel im Meer verursachten vor 200 Millionen Jahren ein Massen-Artensterben. Forscher sehen Parallelen zum heutigen Klimawandel.

Als vor 201,3 Millionen Jahren am Ende des Zeitalters Trias in einem der „Big Five“ genannten fünf größten Massen-Aussterben der Erdgeschichte rund 70 Prozent aller Arten verschwanden, spielte nicht nur Klimawandel eine entscheidende Rolle. Durch die rasch steigenden Temperaturen wurde auch Sauerstoff-Mangel in weiten Teilen der Weltmeere ausgelöst.

Das schließen Tianchen He, Jacopo Dal Corso und Robert Newton von der Universität im englischen Leeds und ihre Kollegen in der Zeitschrift „Science Advances“ aus der Analyse von Gesteinsproben aus dem heutigen Sizilien, Nordirland und dem Westen Kanadas.

„Eine solche Sauerstoff-Verarmung wurde zwar schon lange diskutiert, es gab dafür bisher aber nur wenige Belege“, erklärt Wolfgang Kießling von der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen. Der Paläontologe untersucht diese Big Five seit Jahrzehnten, war an der Studie seiner Kollegen in England aber nicht beteiligt.

Als Pangäa zerbrach, wurden Lavamassen freigesetzt

Die Initialzündung des Massen-Artensterbens am Ende des Trias war ein Ereignis, das noch heute die Oberfläche der Erde prägt: Vor rund 325 Millionen Jahren hatten sich praktisch alle größeren Landmassen der Erde zu einem „Pangäa“ genannten Urkontinent vereinigt. Mitten in dieser gigantischen Landmasse bildeten sich Grabenbrüche.

[Lesen Sie auch unseren Bericht über die Folgen des aktuellen Klimawandels: Veränderte Lebensräume in der Tiefsee]

Aus ihnen entstand etliche Jahrmillionen später der zentrale Teil des heutigen Atlantiks, der Nordamerika auf der einen und Europa und den Norden Afrikas auf der anderen Seite voneinander trennt. Vor 201,3 Millionen Jahren quollen aus diesem Grabenbruch in relativ kurzer Zeit gigantische Lavamengen, die am Ende mit elf Millionen Quadratkilometern die zweieinhalb-fache Fläche der heutigen Europäischen Union bedeckten.

Mit der Lava kam das Treibhausgas

Mit der Lava strömten auch riesige Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid in die Luft, die weltweit die Temperaturen steigen ließ, um vier bis sechs Grad Celsius im Mittel. Möglicherweise entzündete das Magma auch unter der Erde liegende Schichten von Kohle, Erdöl, Gas und Torf, deren Verbrennen ebenfalls riesige Kohlendioxid-Mengen freisetzte.

Eine wichtige Rolle könnten auch Methan-Clathrate gespielt haben, die bei niedrigen Temperaturen am Meeresgrund fest sind. Erwärmt das Wasser sich, verlieren diese Clathrate Methan-Gas, das ein viel stärkeres Treibhausgas als Kohlendioxid ist. Dadurch wird ein Teufelskreis in Gang gesetzt, in dem steigende Temperaturen mehr Methan ausgasen lassen, das wiederum das Klima und das Meerwasser weiter aufheizt.

Ein Tiefsee-Crawler wird mithilfe eines Krans von Bord des Forschungsschiffs Polarstern ins Meer gesetzt.
Sauerstoff-Messung mit einem Tiefsee-Crawler. Für die prähistorische Forschung wurden Gesteinsproben untersucht.

© Eddi Fadeev, AWI

Vor wenigen Monaten hat Wolfgang Kießling vorhandene Studien zu den Big-Five-Massen-Artensterben analysiert und einen wichtigen Zusammenhang festgestellt: „Supertödlich werden solche raschen Klima-Erwärmungen, wenn gleichzeitig der Sauerstoff-Gehalt des Meerwassers drastisch sinkt“, erklärt der Paläontologe. Damit fehlt Meeresökosystemen die Lebensgrundlage.

Anders sieht es für Bakterien aus, die keinen Sauerstoff benötigen und ihre Lebensenergie mit Hilfe von Sulfat gewinnen. Diese Substanz besteht aus Sauerstoff- und Schwefel-Atomen. Von diesen wiederum gibt es verschieden schwere Isotope, von denen die Sulfat-veratmenden Bakterien im Meeresgrund bevorzugt die leichteren verwenden.

„Fehlt im Meerwasser der Sauerstoff, werden die Sulfat-atmenden Bakterien aktiv und im Wasser reichert sich das schwerere Schwefel-34-Isotop an“, sagt Kießling.

Messungen an Kalk-Gestein

Als die Forscher von der Universität Leeds jetzt die Kalk-Gesteine untersuchten, die in der fraglichen Zeit im Meer vor dem Superkontinent Pangaea entstanden waren und dabei Schwefelverbindungen aus dem Wasser eingeschlossen hatten, fanden sie eindeutige Hinweise: In gerade einmal 50.000 Jahren hatte sich der Gehalt des Schwefel-34-Isotops darin ungefähr verdoppelt.

Da die Forscher einen solchen deutlichen Anstieg in den damals wie heute weit auseinanderliegenden Regionen im Westen Kanadas, in Nordirland und auf Sizilien finden, folgern sie, dass damals in weiten Teilen der Meere der Sauerstoff knapp wurde und die Sulfat-veratmenden Bakterien zunahmen. Innerhalb von 40.000 Jahren genau in dieser Zeitspanne starben auch die allermeisten Arten aus.

[Einen Überblick über das Artensterben heute finden Sie hier: Die Krise des Jahrhunderts]

Damit scheinen die Zusammenhänge klar: Vor 201,3 Millionen Jahren setzten die austretenden Lava-Massen riesige Mengen Kohlendioxid frei, die das Klima anheizten und die Temperaturen im Meer steigen ließen. Da wärmeres Wasser weniger Sauerstoff enthält, Organismen bei höheren Temperaturen aber eher mehr Sauerstoff benötigen, starben viele Arten von Fischen und anderen Wasserbewohner aus.

„Heute treibt das Verbrennen von Kohle, Erdöl und Erdgas den Kohlendioxid-Gehalt der Luft genau wie damals schnell nach oben und lässt so die Temperaturen steigen“, erklärt Wolfgang Kießling. Der Klimawandel könnte immer mehr zum derzeitigen Artensterben beitragen. „Genau wie damals dehnen sich in den Ozeanen die Regionen mit geringem oder gar keinem Sauerstoffgehalt aus“, sagt Kießling.

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