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Schwimmunterricht. Was tun, wenn ein muslimisches Mädchen sich aus religiösen Gründen weigert, teilzunehmen?

© Rolf Haid/dpa

Tipps für Lehrkräfte: Ein Kartenset für Konflikte mit muslimischen Schülern

Streit um Schwimmunterricht oder Ramadan: "The Kids are Alright" vom Verein Ufuq soll Lehrkräften bei der Moderation von Konflikten helfen.

Wie verhalte ich mich, wenn muslimische Schülerinnen sich weigern, am Sportunterricht teilzunehmen? Wie lässt sich mit Konflikten zwischen schiitischen und sunnitischen Jugendlichen umgehen und was tue ich, wenn muslimische Schüler einander im Ramadan unter Druck setzen, „richtig“ zu fasten?

Bei solchen Fragen möchte das Kartenset „The Kids are Alright“ von ufuq.de Pädagoginnen und Pädagogen unter die Arme greifen. Auf 26 illustrierten Karten wird jeweils auf der Vorderseite eine Problematik angerissen, auf der Rückseite gibt es passende Hintergrundinformationen und pädagogische Optionen.

Der Verein Ufuq ist unter anderem vom Bundesfamilienministerium und der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert und beschäftigt sich mit Pädagogik im Kontext von Islam, Islamfeindlichkeit und Islamismus. Die Fragen und Themen seien ihnen aus „hunderten von Workshops mit Jugendlichen und Fortbildungen mit Pädagoginnen und Pädagogen“ bekannt, erklärt Jochen Müller, der Leiter des Projekts.

Hier gebe es nach Erfahrung des Vereins einen großen Bedarf, aber bisher wenige Angebote. In seinem Team befinden sich neben pädagogischen Fachkräften auch unterschiedlich religiöse Muslime. Wie sollen Lehrkräfte also reagieren, wenn muslimische Schüler anderen muslimischen Schülern vorwerfen, sie seien „keine richtigen Muslime“?

Gerade für „Jugendliche in Suchprozessen“ könne der Bezug auf eine Gruppe Stärke und Selbstbewusstsein vermitteln, erst recht, wenn sie wegen familiärer Krisen oder Diskriminierungserfahrungen verletzbar sind, erklären die Autoren von ufuq.de. Jugendliche nehmen also Partei, obwohl sie über den zugrundeliegenden Konflikt wenig wissen. Da es den Lehrkräften wohl kaum gelingen werde, etwa den Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten zu lösen, sollten sie stattdessen die Jugendlichen zum Sprechen darüber auffordern, warum für sie Gruppen und Gemeinschaft wichtig sind und welche Probleme damit aber auch verbunden sein können.

Auch könnten die Lehrkräfte Zuschreibungen und deren Folgen thematisieren – „damit können alle Jugendlichen aus persönlichen Erfahrungen etwas anfangen (Diskriminierungen)“, heißt es auf der entsprechenden Karte. „Wenn Jugendliche im Ramadan andere Jugendliche unter Druck setzen, weil diese ihrer Meinung nach nicht richtig fasten, dann liegt definitiv ein Problem vor“, meint Müller.

Die Schule müsse aber nicht das Fasten im Ramadan als Problem adressieren, sondern ansprechen, dass einige Jugendliche andere Jugendliche unter Druck setzen. Und das falle unter das große Thema Mobbing. „Darüber spricht es sich leichter mit den Jugendlichen und da sind die pädagogischen Fachkräfte ja schon Experten.“

Die Karten verweisen oft auf vorhandene Kompetenzen der Lehrkräfte: Viele Optionen zielen darauf ab die Schülerinnen und Schüler ernst zu nehmen, sich bei Diskussionen im Hintergrund zu halten, solange nicht abgewertet oder beleidigt wird, und im Zweifelsfall auch externe Hilfe zu suchen.

Manche Vorschläge wirken naiv oder zu vage

Die Lehrkräfte sollten außerdem keine „Kulturkämpfe“ beginnen. Wenn die Jugendlichen Raum und Zeit bekommen über ihrer Erfahrungen und Wünsche zu sprechen, dann gelingt das Miteinander in der Schule – auch wenn dafür leider oft zu wenig Zeit bleibt, meint Müller. Wie auch manche der Anregungen scheint das in Anbetracht der Gruppendynamik in manchen Klassen etwas naiv.

Andere Vorschläge bleiben etwas vage. So empfehlen die Autoren etwa mit einer Schülerin, die sich weigert, am Sportunterricht teilzunehmen „verschiedene Möglichkeiten der Bekleidung“ durchzusprechen. Hilfreicher für in der Hinsicht unerfahrene Fachkräfte wären konkrete Beispiele, welche Möglichkeiten der Bekleidung es denn gibt, wie Burkinis oder wie Kopftücher, die ohne Nadeln auskommen.

Einen größeren Mehrwert, insbesondere für Lehrkräfte, die wenig Erfahrung mit dem Islam haben, könnten die mitgelieferten Hintergrundinformationen bieten. Neben der halben Rückseite der „Problemkarten“ gibt es noch 14 weitere Karten, auf denen Themen wie „Sexismus“, „Deutschenfeindlichkeit“ und „Ehre, Stolz und Würde“ beleuchtet werden.

Das Kartenset ist für Berliner Lehrkräfte kostenlos, lediglich für den Versand muss aufgekommen werden. Die Nachfrage ist laut Jochen Müller „riesig“ und die ersten Reaktionen aus Schulen äußerst positiv. Bestellung per Email: bestellung@ufuq.de.

Sarah Reim

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