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An die Uni. Das Studium gelingt dann, wenn Studierende vor allem ihren Neigungen und Interessen folgen.

© imago/JOKER

Tipps für Abiturienten: „Mit Lust ins Studium“

Wie finden Abiturienten das richtige Fach, wie kommen Studierende erfolgreich durch die Uni? Der Bildungsforscher Ulrich Heublein gibt Tipps für Studienbewerber.

Herr Heublein, was raten Sie Abiturienten, die jetzt unter Hochdruck nach einem Studienplatz suchen?

Sich kurzfristig für einen Studiengang zu entscheiden, ist eine echte Herausforderung. Ein Studium ist dann besonders erfolgversprechend, wenn man es mit einer klaren Vorstellung vom Fach, von den Anforderungen in den ersten Semestern und von den eigenen Interessen beginnt. Es genügt nicht, sich mit einem Blick in das Studienprogramm im Internet zu informieren.

Warum nicht?

Wer Elektrotechnik studieren will und etwas von logarithmischen Funktionen liest, wird denken: Das hatten wir doch in der Schule. Ob diese Aufgaben aber wirklich beherrscht werden und dann auch auf dem Niveau, wie in den Ingenieurwissenschaften verlangt, das zeigt sich nur beim praktischen Selbsterproben, in einem Schnupperstudium zum Beispiel. Oder auch, indem man sich die Aufgaben des Studienanfangs, vielleicht nach einem Gespräch mit Studierenden in diesem Fach, einfach mal vornimmt. Dann zeigt sich auch, wie stark das eigene Fachinteresse wirklich ist.

Es gibt aber viele Unentschlossene, die sich erst kurz vor Bewerbungsschluss für ein Fach entscheiden.

Es gibt Jugendliche, die wissen schon mit 13, 14 Jahren, dass es Physik sein soll. Sie machen bei „Jugend forscht“ mit oder im Schülerlabor einer Universität. Und sie machen es richtig. Doch etliche, auch Einser-Kandidaten mit vielen Talenten von Naturwissenschaften bis Sprachen, sind vollkommen unentschlossen. Für sie ist es besonders wichtig, negative Erfahrungen wegen falscher Fachwahl zu vermeiden. Dabei sollte man in erster Linie seinen Interessen und Neigungen folgen. Extrinsische Motive wie die Vorstellung, dass ingenieurwissenschaftliche, medizinische oder juristische Studiengänge sichere Karriereaussichten versprechen, führen meist in die Irre.

Ulrich Heublein (58) ist stellvertretender Abteilungsleiter am Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung. Er leitete unter anderem die Studienabbruch-Studie.
Ulrich Heublein (58) ist stellvertretender Abteilungsleiter am Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung. Er leitete unter anderem die Studienabbruch-Studie.

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Was sind die Konsequenzen?

Allen, die uninformiert oder mit ausschließlich extrinsischen Motiven in die Hochschule hineinstolpern, droht erhöhte Abbruchgefahr. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass das gewählte Fach nicht zu ihnen passt oder sie nicht zur Fachkultur. Dann stellen die ersten zwei, drei Semester eine Orientierungsphase dar, in der sich die eigentlichen Interessen herausbilden. Studienabbruch oder -erfolg sind immer das Resultat eines Wechselverhältnisses: Wie steht es um die individuellen Studienvoraussetzungen und das Studierverhalten? Und wie sind die institutionellen Bedingungen an der Hochschule? An diesen beiden Schrauben kann gestellt werden.

Zur Hälfte haben es die Studienanfänger also selber in der Hand: Schwierigkeiten nicht ausweichen, sondern durchbeißen, fragen, lernen?

Unbedingt! Aber auch dafür gilt: Ich brauche eine feste Identifikation mit dem Fach, ein echtes Interesse mit den Gegenständen, ansonsten bin ich nicht bereit – oder es fällt mir sehr schwer – mich den Anforderungen eines Studiums zu stellen. Um als BWL-Anfänger die Rechnungsführung durchzustehen, braucht es Energie und Motivation. Man liest ein Buch von 1000 Seiten nicht, ohne Lust darauf zu haben.

Näher untersucht haben Sie Schwierigkeiten junger Migranten beim Einstieg: Insgesamt brechen 29 Prozent der Bachelor-Studienanfänger eines Jahrgangs das Studium ab, unter den Bildungsinländern, also jenen, die einen ausländischen Pass haben, aber in Deutschland ihr Abitur abgelegt haben, sind es 43 Prozent.

Auffällig ist, dass besonders viele Migranten nicht ihr Wunschfach studieren. Als Bildungsaufsteiger sind sie auch von ihrem Elternhaus besonders auf berufliche Sicherheit orientiert und wählen ihr Fach zu wenig nach ihrer Neigung. Wer als Erster in der Familie studiert, entscheidet sich nur in den seltensten Fällen für Philosophie oder Linguistik. Die Passungsprobleme an der Hochschule sind zudem bei Studierenden mit Migrationshintergrund verschärft.

Woran liegt das?

Das hat unter anderem damit zu tun, dass ein großer Anteil aus nichtakademischen Elternhäusern stammt. Vielfach fehlen nicht nur bestimmte sprachliche und kommunikative Fertigkeiten, sondern auch das Vermögen, eigenaktiv zu studieren.

Aber es gibt doch viele Beratungs- und Unterstützungsangebote.

Wir haben in Deutschland eine Angebotskultur: Bei schlechten Noten muss man nicht zur Beratung gehen, auch die Teilnahme am Tutorium ist freiwillig. Das heißt: Ich muss meine Studiensituation richtig einschätzen und mich aktiv einbringen. Wenn ich im Tutorium sitze, muss ich mich selbst beteiligen, nachfragen, wenn ich etwas nicht verstehe.

Ist das nicht selbstverständlich?

Nein, nicht alle Studierenden haben diese Fähigkeiten. Mit ihrer passiven Haltung gefährden sie ihr Studium. Die Betreuungs- und Unterstützungsangebote werden zu selten von jenen genutzt, die sie am dringendsten bräuchten.

Die Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks hat jetzt gezeigt, dass Studierende mehr jobben, um finanziell über die Runden zu kommen. Dafür sind sie weniger an ihren Hochschulen präsent. Wie hängt das zusammen?

Studierende mit Migrationshintergrund haben häufiger Finanzierungsprobleme, sie jobben zwar nicht unbedingt häufiger, aber wenn sie es tun, dann in einem größeren Umfang. Das Problem ist: Ab einem bestimmten Umfang der Erwerbstätigkeit, über zehn, zwölf Stunden pro Woche, kollidiert oftmals der Job mit den Studienanforderungen.

Gibt es „gute“ Jobs und „schlechte“ Jobs?

Am besten sind fachnahe Tätigkeiten, etwa als Hilfskraft im eigenen Studiengang. Dann beschäftigt man sich auf ganz andere Art mit den Gegenständen und bekommt Erfolgsimpulse auch von den Lehrenden. Leider werden diese Jobs vor allem an die Notenbesten vergeben. Die Hochschulen sollten mehr Hilfskraftstellen für eine größere Klientel anbieten.

Das ist aber keine Lösung für alle, denen der Einstieg ins Studium schwerfällt.

Nein, dafür brauchen wir eine umfassende Reform der Studieneingangsphase. Es ist nun einmal für sehr viele eine Orientierungsphase, also machen wir sie dazu – verpflichtend für alle. Dann fühlt sich auch niemand durch „gezielte“ Hilfsangebote diskriminiert. Wer was im „Collegejahr“ braucht, sollte mit Tests objektiviert werden. Sie zeigen, wie weit jede oder jeder bei der Studienvorbereitung ist. Es gibt ein weitgespanntes Angebot zur fachlichen, aber auch lernbezogenen Studieneinführung. Und es bestehen Lerngruppen, die von persönlichen Mentoren betreut werden.

Ein Collegejahr wird aber erst an den wenigsten Hochschulen angeboten. Was sollen frische Abiturienten tun, die nicht mehr genug Zeit für eine informierte Entscheidung haben?

Was 18-, 19-Jährigen häufig für ihre Studienentscheidung fehlt, ist Erfahrung mit allen denkbaren Tätigkeitsbereichen in unserer Gesellschaft. Welche unmittelbaren Erfahrungen konnten sie in der Schule schon machen in Bezug auf Umwelt, Wirtschaft, Soziales? Auf jeden Fall zu wenig. Deshalb sollten sie, auf jeden Fall die Unentschiedenen, nicht unbedingt gleich an die Uni gehen, sondern hinaus in diese Welt. Und rechtzeitig zurückkommen, um dann in einem Jahr eine richtige Entscheidung für ein Studium treffen zu können.

Das Gespräch führte Amory Burchard.

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