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In Mathe nur im Mittelfeld. 

© Julian Stratenschulte/dpa

Timss-Studie zeigt schwächere Leistungen: Grundschüler fallen international zurück

Laut der internationalen Timss-Studie liegen Grundschüler aus Deutschland in Mathematik und Naturwissenschaften im Mittelfeld. Die Gruppe der Risikoschüler wird größer.

Die Leistungen der Grundschülerinnen und Grundschüler in Deutschland in Mathematik und Naturwissenschaften liegen im internationalen Vergleich im Mittelfeld. In den Naturwissenschaften sind die Kompetenzen dabei in den vergangenen Jahren signifikant zurückgegangen.

Das ergibt die internationale Schulstudie Timss, deren Ergebnisse an diesem Dienstagvormittag in Berlin vorgestellt wurden.

Damit ergibt sich gegenüber den vorangegangen Untersuchungen ein Abwärtstrend: 2016 lagen die Viertklässler aus Deutschland noch in den Naturwissenschaften im oberen Drittel, 2011 in beiden getesteten Bereichen. 2007 hatte Deutschland sogar in Mathematik und in den Naturwissenschaften noch fast mit dem oberen Leistungsviertel mitgehalten.

Für die Timss-Studie wurden weltweit mehr als 300.000 Schülerinnen und Schüler aus 58 Ländern getestet, aus Deutschland nahmen 4900 Schülerinnen und Schüler aus 203 Schulen teil. Da die Tests 2019 durchgeführt wurden, bildet die Studie noch keine Auswirkungen der Coronakrise ab, also etwa das wochen- und in manchen Ländern wie den USA monatelange Distanzlernen.

Länder aus Ostasien liegen vorne

In Mathematik erreichte Deutschland mit 521 Punkten jetzt ein praktisch identisches Ergebnis wie 2016. Stärker sind die Schülerinnen und Schüler in den Bereichen Messen und Geometrie, schwächer bei Arithmetik und Daten. In den Naturwissenschaften – gemeint sind in Deutschland natürlich die naturwissenschaftlichen Aspekte des Sachunterrichts – sind es 518 Punkte, ein Minus von zehn Punkten.

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Damit liegt Deutschland in beiden Bereichen zum Teil deutlich unter dem Schnitt der teilnehmenden EU-Staaten beziehungsweise OECD-Staaten.

Spitzenreiten sind fast ausschließlich Staaten aus Ostasien: In Mathematik Singapur, Hongkong und Südkorea, in den Naturwissenschaften Singapur, Südkorea sowie Russland. Singapur liegt rund hundert Punkte vor Deutschland - das entspricht eigentlich fast drei Lernjahren.

Könnte Deutschland von den Ländern Ostasiens etwas lernen? Studienleiter Knut Schwippert, Erziehungswissenschaftler an der Uni Hamburg, zeigte sich da skeptisch. In diesen Staaten würde Kindern vielleicht energischer Fehler im Unterricht ausgetrieben. Aber ob man das oft auf Drill ausgerichtete System in einer offenen Gesellschaft wie der deutschen wirklich übernehmen wollen würde, müsste man zumindest hinterfragen.

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Die Gruppe der Lernschwächeren wächst

In Mathematik erreichen 25,4 Prozent aller Viertklässler allenfalls ein elementares Wissen, sie gehören also zur so genannten Risikogruppe. In den Naturwissenschaften gehören sogar 27,6 Prozent dazu. Im Vergleich zu 2016 ist der Anteil in beiden Fachbereichen noch einmal gestiegen (in Mathematik um zwei Prozentpunkte, in Naturwissenschaften um sechs Prozentpunkte).

Schwippert nannte diesen Befund „beunruhigend“. International sind die Werte günstiger: Der EU- und der OECD-Schnitt liegt jeweils mehrere Prozentpunkte darunter. Zum Vergleich: In Irland macht diese Gruppe in Mathematik nur 16,4 Prozent aus, in Finnland in den Naturwissenschaften nur 12,7 Prozent.

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 Die Gruppe der Spitzenlerner bleibt klein

Umgekehrt gibt es vergleichsweise wenig Spitzenlerner in Deutschland. Der Anteil beträgt hier sechs Prozent (Mathematik) beziehungsweise 6,9 Prozent (Naturwissenschaften). Hier hat sich kaum etwas verändert – auch nicht, dass es insbesondere in Mathematik international deutlich mehr sehr gute Schülerinnen und Schüler gibt (EU-Schnitt: 9,4 Prozent, OECD-Schnitt: 11,5 Prozent).

Es gibt allerdings auch europäische Länder wie England und Nordirland, wo mehr als jeder Vierte zu den Spitzenlernen gehört.

Das Bildungssystem ist sozial ungerecht

Auffällig sind wie bei anderen Schulstudien die sozialen Disparitäten in Deutschland. So erzielen Kinder, deren Eltern beide nicht in Deutschland geboren sind, in Mathematik durchschnittlich 34 Punkte weniger, der Abstand entspricht fast einem Schuljahr. In Naturwissenschaften sind es 60 Punkte. Insgesamt beträgt der Leistungsvorsprung von Kindern aus sozial besser gestellten Familien in Mathematik 41 Punkten, in Naturwissenschaften 47 Punkte (OECD jeweils 40 Punkte).

Zwar geht die Schere in Deutschland seit 2007 nicht weiter auseinander, andererseits gibt es mit der Türkei, Neuseeland und Bulgarien nur drei Länder, wo die Unterschiede signifikant größer sind.

Versagt die Schulpolitik in Deutschland, weil seit Jahren kein wirklicher Fortschritt zu erkennen ist? So weit wollte Schwippert dann doch nicht gehen. Es sei durchaus eine „Herausforderung“, mit der immer größeren Heterogenität an den Schulen umzugehen: „Ich sehe nicht, dass die Schulpolitik hier scheitert.“ 

Unterschied zwischen den Geschlechtern

In Mathematik haben Jungen noch einen Vorsprung, der in anderen OECD-Ländern so nicht besteht. In den Naturwissenschaften sind dagegen keine Unterschiede mehr zu sehen. Auffällig ist laut Schwippert, dass hier die Mädchen nicht aufgeholt haben, sondern die Jungen schwächer abschneiden als früher.

Freude an den Fächern

„Erfreulich“ laut Schwippert: Zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler sind gegenüber der Mathematik positiv eingestellt, sogar drei Viertel gegenüber den Naturwissenschaften. Nicht ganz so erfreulich: Seit 2007 sinken diese Werte systematisch.

"Schulen kommen gut mit Flüchtlingskindern zurecht"

Bei der vorangegangen Studie flossen die Resultate der seit 2015 aufgenommen Flüchtlingskinder noch nicht ein. Könnte es sein, dass deren Ergebnisse nun das Gesamtresultat für Deutschland beeinflusst haben? Nein, sagt Schwippert: Die Veränderungen beim Migrationsanteil würden keine Effekte zeigen, die Schulen konnten gut mit dieser Gruppe umgehen.

Das sagt die Politik

Stefanie Hubig, Präsidentin der Kultusministerkonferenz und Bildungsministerin in Rheinland-Pfalz (SPD), sprach von einem „ordentlichen“ Ergebnis. Deutschland habe aber Nachholbedarf. Zentrales Handlungsfeld bleibe, für mehr Chancengerechtigkeit zu sorgen. Christian Luft, Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, sagte, man könne „nicht zufrieden sein, wenn ein Viertel unserer Grundschüler in Mathematik und Sachkunde als leistungsschwach gilt“. Gleichwohl dankte er den Lehrkräften für ihren „tollen Job“.

Margit Stumpp, bildungspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag sagte, die Studie belege „die zementierten Probleme und Ungerechtigkeiten in den Schulen hierzulande“. Ein Weiter-So dürfe es nicht mehr geben.

Timss  - die Abkürzung steht für „Trends in International Mathematics and Science Study“ - ist eine Studie der International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA). Sie wird federführend in Boston (USA) durchgeführt. Das deutsche Konsortium ist unter der Leitung des Erziehungswissenschaftlers Knut Schwippert an der Universität Hamburg angesiedelt. 

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