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Die Humboldt-Universität Unter den Linden in Berlin.

© Tsp/Kitty Kleist-Heinrich

Theologie-Streit an der Humboldt-Universität: Gründung des Berliner Islam-Instituts bleibt schwierig

Für das geplante Institut für islamische Theologie an der Berliner Humboldt-Universität zeichnet sich eine organisatorische Lösung ab. Doch es drohen Konflikte mit den Islam-Verbänden.

Das geplante Institut für islamische Theologie an der Humboldt-Universität könnte als „Zentrum zwischen den Fakultäten“ entstehen. Das jedenfalls hält der Gründungsbeauftragte, der HU-Historiker Michael Borgolte, für denkbar. „Da das Institut im Herbst 2018 starten soll, halte ich die Zentrumslösung für das momentan gangbarste und am wenigsten konfliktträchtige Modell“, sagte Borgolte dem Tagesspiegel.

Zugleich zeichnet sich ab, dass es für die HU keineswegs leicht wird, die Beteiligung der islamischen Verbände zu sichern – ganz unabhängig davon, wie das Institut wissenschaftlich eingebettet wird. Daran könnte am Ende die ganze Gründung scheitern.

Sorge, andere Konfession könnten den Islam an der HU "überwältigen"

Borgolte bezweifelt inzwischen, dass die erst seit Kurzem an deutschen Universitäten etablierte islamische Theologie in einer Institution mit den anderen Konfessionen gut aufgehoben wäre. „Es könnte zu einem Überwältigungsmechanismus kommen.“ Im Interesse der Muslime müsse es sein, ihre Theologie erst einmal „zu separieren, ohne sich zu isolieren“. Das wäre in einem eigenen Zentrum mit Fakultätsrang möglich. Auch aus dem Zentrum heraus könnten die Islam-Gelehrten mit den Kollegen der anderen Konfessionen kooperieren.

Dies würde auch der Empfehlung des Wissenschaftsrats von 2010 für die universitäre Etablierung der islamischen Theologie entsprechen. Seit 2011 wurden bundesweit fünf Institute dieser Art gegründet. Keines von ihnen ist in einer bestehenden Theologischen Fakultät aufgegangen; teilweise gehören die Professuren, wie in Erlangen, mehreren Fakultäten an, teilweise sind sie Mitglieder einer Philosophischen oder Kulturwissenschaftlichen Fakultät. An mehreren Standorten wurde ein eigenes Zentrum zwischen den Fakultäten gebildet.

Eine solche fast schon salomonische Lösung wäre eine Alternative zu den beiden umstrittenen Optionen, die bislang in der Diskussion waren. Zum einen hatte die Dekanin der Philosophischen Fakultät, die Historikerin Gabriele Metzler, im Januar ein Papier vorgelegt, in dem sie beschreibt, wie Philosophen, Ethnologen und Geschichtswissenschaftler mit der islamischen Theologie kooperieren könnten. Zum anderen wurde von evangelischen Theologen das Modell einer multireligösen Fakultät für die christlichen Konfessionen sowie für die muslimische und jüdische entwickelt.

Gehören die abrahamitischen Religionen zusammen?

Rolf Schieder, Studiendekan der evangelischen Theologischen Fakultät, hat sich dann in einen Artikel in der „Zeit“ vom „Gespenst einer ,multireligiösen Mischfakultät’“ distanziert. Gleichwohl warb er für die Gründung einer „Fakultät der Theologien“. Darin könnte „protestantische, islamische, katholische und jüdische Theologie studiert, gelehrt und erforscht werden“ – mit der evangelischen Theologie „sozusagen als Mutterinstitution“, schrieb Schieder. Die theologische Begründung für seinen Vorschlag lautet, dass die drei monotheistischen, „abrahamitischen“ Theologien, die sich auf Abraham beziehungsweise Ibrahim als Stammvater beziehen, in einer Fakultät zeigen könnten, dass sie eine „gemeinsame Hermeneutik“ verbindet.

Ob die katholische Theologie wie vom Berliner Senat gewollt von der Freien Universität an die Humboldt-Uni verlagert wird, hängt von der Zustimmung der katholischen Bischöfe und der Uni-Gremien ab. Vom Judentum war bislang nur in der Diskussion um die multireligiöse Fakultät die Rede. Die Jüdische Theologie sitzt an der Uni Potsdam, und dort soll sie dem leitenden Rabbiner Walter Homolka zufolge auch bleiben. Im „Deutschlandfunk“ zeigte er sich aber für eine enge Kooperation offen.

"Abbau christlicher Theologie" befürchtet

Borgolte sieht auch deswegen gute Chancen für das Zentrums-Modell, weil sich Widerspruch gegen die große Lösung in einer Fakultät der Religionen mehrt. Bedenken hat zuletzt der Theologe und Philosoph Ingolf Dalferth geäußert. Eine multireligiöse Fakultät könnte zum „Abbau christlicher Theologie“ führen, schrieb Dalferth, der bis 2013 an der Universität Zürich Professor für Systematische Theologie war und derzeit Religionsphilosophie an der Claremont University in Kalifornien lehrt, kürzlich in der „FAZ“. Weitere mögliche Folgen wären „der Verlust eines stabilen Ausbildungskanons und das Verschwinden theologischer Abschlüsse“. Das sei an den US-amerikanischen „Divinity Schools“ etwa in Harvard und Yale zu beobachten, die als Modell für die Theologien an der Humboldt-Uni genannt wurden. Zuvor hatte sich schon der Dekan der HU-Theologie, Christoph Markschies, gegen eine gemeinsame Fakultät ausgesprochen.

Orthodoxe oder konservative Rabbiner wären nicht dabei

Auch der Direktor des Jüdischen Museums Berlin, Peter Schäfer, erhebt grundsätzliche Einwände gegen eine Fakultät der drei abrahamitischen Religionen: Im Hebräischen gebe es weder einen Begriff für „Theologie“ noch für „Glauben“, schreibt der Judaist in der „FAZ“ vom Mittwoch. Deshalb sei die Annahme „naiv“, man könnte orthodoxe oder konservative Gelehrte als Kollegen gewinnen. Sich nur auf das liberale Judentum zu beschränken, stehe wohl außer Frage.

Schon die Frage, wer „den Islam“ an deutschen Universitäten vertreten darf, sei ja „der eingebaute Stolperstein der Islamischen Theologie in Deutschland“, merkt Schäfer an.

Wie steht es damit in Berlin? Michael Borgolte berichtet, die fünf islamischen Verbände, mit denen der Senat die Gründung des Islam-Instituts vereinbart hat, hätten „weiterhin Interesse“. „Es geht ihnen um das Prestige, auch in der Hauptstadt an einer Universität vertreten zu sein, und um die Gleichrangigkeit mit den anderen großen Religionen.“ Das habe er in Gesprächen mit den Islamverbänden, besonders mit der Islamischen Föderation Berlin sowie der Islamischen Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden erfahren, sagt Borgolte.

"Kein Automatismus, dass Institut mit Beteiligung der Verbände entsteht"

Trotzdem gebe es „keinen Automatismus, dass das Institut tatsächlich mit Beteiligung der Verbände entsteht“. So liege keine Zusage vor, dass die Verbände die Absolventen des HU-Instituts auch als Religionslehrer und Imame beschäftigen und nicht wie bisher auf im Ausland ausgebildete und vor dort finanzierte Kräfte zurückgreifen würden, sagt Borgolte. Und wie an allen anderen Standorten der universitären Islam-Zentren gebe es auch in Berlin Streit um die Repräsentanz der Muslime durch die fünf im Beirat vertretenen Verbände. In ihnen sind nur 20 Prozent der Berliner Muslime organisiert.

Als organisatorische Herausforderung für die HU kommt hinzu, dass die Aleviten, die aus den Verhandlungen zwischen Senat und Verbänden frühzeitig ausgestiegen waren, eine eigene, vom Islam-Institut unabhängige Juniorprofessur bekommen. Klar ist bislang nur, dass sie nach der Gründung des Instituts eingerichtet werden soll. Wo sie institutionell angebunden wird, ist offen.

Wenn Ditib die "rote Linie" überschreitet, droht das Aus

Borgolte hofft auf eine „pragmatische Lösung“ mit den fünf Verbänden. Die könnte allerdings an der Ditib scheitern, der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion, die unter der Kontrolle des türkischen Staats steht. Sollten die Spionagevorwürfe gegen Imame in Ditib-Moscheen und Fälle von Entlassungen angeblicher Anhänger der Gülen-Bewegung auch auf Berliner Gemeinden zutreffen, sähe Borgolte „die rote Linie für die Ditib in Berlin“ überschritten. Dann wäre die größte islamische Gemeinschaft nicht an dem neuen Institut beteiligt – was das ganze Projekt ins Wanken bringen würde.

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