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Max Planck und Albert Einstein im Gespräch.

© Gerald Wesolowski/ ETB

Theaterstück "Transcendence": Wie bringt man Einstein auf die Bühne?

Das English Theatre Berlin präsentiert mit "Transcendence" ein Stück, das die Wirren um die Nobelpreisvergabe an Albert Einstein beleuchtet. Es zeigt, wie dramatisch Wissenschaft sein kann.

Aus Max Plancks Worten spricht purer Ärger. "Wenn Ihnen diese verdammten Schweden nur endlich einen Nobelpreis geben würden", schimpft er. Die Worte sind an seinen Kollegen Albert Einstein gerichtet. Der Wissenschaftler steht, bekleidet mit einer Tweedjacke, neben Planck im Dämmerlicht und blickt etwas entrückt in die Ferne. "Wen interessieren solche Preise... Warum sollte es uns interessieren, was ein paar Schweden denken?", antwortet er.

Ganz mag der Zuschauer nicht an diese Gleichgültigkeit Einsteins glauben. Doch lange währt der Gedanke nicht, die Darsteller verwandeln sich schon für die nächste Szene. Anlässlich des 100. Jubiläums der allgemeinen Relativitätstheorie zeigt das English Theatre Berlin das Stück "Transcendence" . Geschrieben vom Wissenschaftler und Bühnenautor Robert Marc Friedman zeichnet es gekonnt die politischen Vorgänge nach, die sich hinter den Kulissen der Nobelpreisvergabe an Einstein abspielten. Gleichzeitig porträtiert es in kurzen Episoden die bröckelnde Freundschaft zwischen Einstein und Planck sowie die merkwürdigen Begegnungen Einsteins mit Franz Kafka.

Gegenspieler, Hindernisse und Konflikte

Wissenschaft und Theater sind auf Deutschlands Bühnen eine seltene Kombination. Das English Theatre geht mit seiner Reihe "Theatre & Science" allerdings schon in die sechste Runde. Ganz in der Tradition Englands, wo es eine lange Geschichte des wissenschaftlichen Theaters gibt.

Dem Autor Robert Marc Friedman ging es aber nicht darum, Wissenschaft in der Form eines Theaterstücks zu vermitteln. "Da gibt es sicher bessere Wege", sagt er. Vor der Generalprobe des Stücks sitzt er im Büro von Regisseur Günther Grosser und streicht sich nervös durch die grauen Locken. Vielmehr sei seine Motivation, theatralische Stoffe in der Wissenschaftsgeschichte zu finden und diese auf die Bühne zu bringen. Dafür brauche es einen Protagonisten, der etwas erreichen will, Gegenspieler, die ihn davon abhalten, sowie Hindernisse und Konflikte. "Außerdem muss die Geschichte etwas Wichtiges über die Natur der Wissenschaft aussagen." All das macht die Nobelpreisvergabe an Einstein wohl zu einem hervorragenden Stoff.

Einstein im Rausch der Formeln.
Einstein im Rausch der Formeln.

© Gerald Wesolowski/ ETB

Der hat Friedman, der Physik und Theaterwissenschaften studierte, lange gefehlt. "In der Universität dachte ich, ich könnte Bühnenautor werden. Aber ich war einer von Tausenden in New York und hatte nichts Besonderes zu sagen." Der Erfolg am Theater schien in weiter Ferne. Schließlich entschied er sich, in Wissenschaftsgeschichte zu promovieren, wurde Professor an der Universität Oslo. "In meiner Forschung sind mir dann eine Menge dramatische Geschichten begegnet, die uns viel über das Leben im Wissenschaftsbetrieb verraten." Plötzlich hatte er mehr als genug Stoff. Die Theaterstücke seien nun eine Ausweitung seiner Forschung. "Warum haben Menschen so gehandelt, wie sie gehandelt haben? Im Theater kann man diese Frage genauer beleuchten." Wobei das Ergebnis oft nur eine fundierte Vermutung sei, wie Friedman zugibt.

Ein komplexer Charakter

Seine Forschung zu Einstein hatte schon in den 1980er Jahren begonnen. Dabei war das wichtigste, Einsteins Briefe zu lesen, die eine genaue Vorstellung davon vermitteln, wer er ist. "Wir sehen ihn immer als einen komplexen Charakter, ein zerstreutes Genie, das auch immer leicht komisch wirkt", sagt Friedman. "Tatsächlich konnte er sehr abrupt und krude sein, sehr in sich gekehrt, vor allem wenn er arbeitete." Das öffentliche Bild von ihm umfasse aber nicht Einsteins tiefes politisches und soziales Engagement. Und es lasse außer Acht, dass der Wissenschaftler sich weiterentwickelt habe. "Einstein dachte lange, er könnte ein Mann ohne Religion und ohne Nationalität sein. Durch Kafka entdeckte und akzeptierte er seine jüdische Identität." Und entgegen des Vorwurfs, ein schlechter Vater zu sein, habe er sich immer darum gesorgt, seine Ex-Frau und seine Söhne finanziell ausreichend zu versorgen.

"Der Nobelpreis war nicht objektiv"

Das Stück ist zudem eine starke Kritik am Nobelpreis selbst. "Die deutsche Wissenschaftsgemeinde ist sehr unkritisch im Bezug auf das, was der Preis repräsentiert", meint Friedman. Es sei hoch naiv zu glauben, dass er in den ersten 50 Jahren seiner Verleihung jemals objektiv und unvoreingenommen verliehen wurde. Auch Einstein erhielt den Preis am Ende nicht für die allgemeine Relativitätstheorie sondern die Erklärung des photoelektrischen Effekts.

Mit dem Stück will Friedman außerdem das Wertesystem der Wissenschaftler hinterfragen. "Was ist wirklich wichtig? Und was bedeutet es für die Wissenschaft, wenn sie auf das Gewinnen, den Sport, den Wettbewerb, reduziert wird?" Auch Hierarchien und Machtbeziehungen in der Wissenschaft kritisiert Friedman. Wissenschaftlern, so vermutet er, würden in seinem Stück viele kleine Nuancen auffallen. Das Publikum insgesamt aber, solle sich auch einfach gut unterhalten fühlen.

"Transcendence" am English Theatre Berlin wird noch vom 25. bis zum 30. November um 20 Uhr aufgeführt. Fidicinstraße 40, 10965 Berlin-Kreuzberg.

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