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Teilchendetekor, Supercomputer, Forschungsflugzeug: Helmholtz-Gemeinschaft präsentiert Roadmap für 40 große Anschaffungen

Die größte deutsche Forschungsgemeinschaft präsentiert ihre Wünsche für neue Infrastrukturen. Doch die Geldgeber werden nicht jeden erfüllen.

Ein paar Monate ist es noch hin, bis Kinder ihre Wunschzettel schreiben. Die Forscherinnen und Forscher der Helmholtz-Gemeinschaft sind da früher dran, ihre Liste ist schon fertig.

Ein unterirdisches Observatorium für Gravitationswellen, ein neues Forschungsflugzeug, ein super Supercomputer, ein Testfeld für „energiewendesichere“ Stromnetze und 36 weitere 40 Vorhaben sind auf der „Helmholtz-Roadmap für Forschungsinfrastrukturen 2021“ zu finden.

Zwischen den Jahren 2023 und 2027 sollen die neuen Projekte nach den Wünschen des Forschungsmanagements starten.

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Mit Experten abgestimmt und inhaltlich geschärft

Bevor die Liste den Geldgebern der Helmholtz-Gemeinschaft – allen voran das Bundesforschungsministerium BMBF – übergeben wird, soll sie an diesem Montag auf einem Symposium noch einmal diskutiert werden. Große Änderungen sind jedoch kaum zu erwarten.

Woher können die Steuerzahler wissen, dass die vorgeschlagenen Projekte wirklich die spannendsten Themen der Forschung sind und nicht am Bedarf vorbei entstehen? „Grundsätzlich erforschen wir von Energie, über Gesundheit, Erde und Umwelt bis zu Information und Ursprung und Struktur der Materie die großen Themen für die Wissenschaft und die Gesellschaft“, sagt Otmar Wiestler, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft.

Kaum eine Organisation hierzulande habe so viel Erfahrung im Bau und Betrieb großer Forschungsinfrastrukturen, die auch international ausstrahlen. „Alle Maßnahmen auf der Roadmap sind bereits mit international besetzten Expertengremien abgestimmt, mehrfach begutachtet und inhaltlich geschärft worden.“

Das bevorstehende Symposium sei aber wichtig, weil man sich dort mit den künftigen Nutzern, vor allem den Universitäten, abstimmen werde, ob die vorgeschlagenen Spezifikationen die richtigen sind. Wiestler ist überzeugt, dass alle Vorhaben „auf höchstem Niveau laufen“ und einen „klaren Bedarf haben“.

Damit hat die Liste zwar die üblichen Prozeduren durchlaufen. Eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, wie sie auch in der strategischen Ausrichtung der Forschung mitunter gefordert wird, fand aber nicht statt. Unter anderem deshalb, weil große Infrastrukturen komplex und nicht so einfach zu bewerten seien, wie Wiestler erläutert. Künftig könne er sich jedoch vorstellen, „wichtige strategische Linien mit einem Kreis von Personen der Öffentlichkeit“ abzustimmen.

Die strategische Planung sollte aber zunächst auf der Helmholtz-Ebene in Abstimmung mit wissenschaftlichen Partnern und Zuwendungsgebern laufen, sagt der Präsident und ergänzt: „Bei den Themen, um die es hier geht, ist die Forschungspolitik stets unmittelbar beteiligt und damit auch das Parlament, das von den Menschen dieses Landes gewählt wurde.“

„Erde und Umwelt“, „Energie“ und „Materie“

Welche Vorhaben wirklich umgesetzt, sprich finanziert werden, ist offen. Noch ist es eine Wunschliste ohne finanzielle Zusagen. Von der letzten Helmholtz-Roadmap von 2015 wurde etwa die Hälfte der Maßnahmen zumindest begonnen. „Im internationalen Vergleich ist das eine gute Quote“, findet Wiestler.

Auch jetzt gehe man davon aus, dass maximal die Hälfte der geplanten Vorhaben realisiert werden wird, sagt Georg Teutsch, Leiter der Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und zugleich Koordinator für den Helmholtz-Forschungsbereich Erde und Umwelt im Roadmap-Prozess. „Das ist besorgniserregend, wenn man bedenkt, dass die Überbeanspruchung des Erdsystems ein zentrales Thema inzwischen aller demokratischen Parteien ist und wir mit unseren Forschungsinfrastrukturen die Grundlagen legen für das Handeln unserer Entscheidungsträger.“ Mit acht von 40 Vorschlägen auf der Liste ist „Erde und Umwelt“ ein gewichtiger Teil des Helmholtz-Portfolios.

Vorgeschlagen sind mehrere Messnetze, um den globalen Wandel und seine Auswirkungen genau zu erfassen – mit Observatorien an Land und im Meer, wo zudem robotische Plattformen eingesetzt werden sollen. In einem weiteren Vorhaben sollen vorhandene Unterwasser-Glasfaserkabel genutzt werden, um Temperaturen, Verformung und sogar Erdbebenwellen zu messen. Da solche Kabel in allen Meeren liegen und auch durch küstenferne Gebiete verlaufen, könnten die Forscher große Gebiete seismisch überwachen, wo es bisher kaum Messgeräte gibt und somit Frühwarnsysteme für Erdbeben und Tsunami verbessern.

Auch der Forschungsbereich „Energie“ hat acht Vorhaben auf die Liste gesetzt. Und auch dessen Koordinator für den Roadmap-Prozess, Holger Hanselka, zugleich Präsident des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), geht davon aus, dass die Hälfte davon bis 2027 starten wird. Welche den Zuschlag bekommen, ist ungewiss. Gute Chancen dürften ein Untertagelabor für Geothermie und die Verknüpfung von Labor- und Pilotmaßstab in der Katalyseforschung haben. Denn diese wurden vom Forschungsbereich in der Startliste nach vorn für 2023 beziehungsweise 2024 gesetzt, was eine Prioritätensetzung erkennen lässt. Sollten sie sich im Wettbewerb um Geldmittel bei Helmholtz nicht durchsetzen, können sie später erneut eingebracht werden.

Mit elf Vorhaben hat der Forschungsbereich „Materie“ die meisten Wünsche auf die Liste gesetzt. Hier dürfte es besonders kompliziert werden, denn nur zwei sind im Helmholtz-Korridor bis 50 Millionen Euro. Das heißt, sie bewerben sich lediglich um Investitionsmittel aus der Gemeinschaft. Teurere Vorhaben müssen auf die nationale Roadmap kommen, die das BMBF koordiniert, oder müssen gar in internationale Planungen wie die ESFRI-Roadmap aufgenommen werden.

Helmut Dosch, Leiter des Deutschen Elektronen-Synchrotrons (Desy) in Hamburg und Koordinator im Forschungsbereich „Materie“ ist entsprechend zurückhaltend mit einer Erfolgsprognose. „Auf der einen Seite hat uns die Covid-19-Krise allen gezeigt, wie relevant Forschung für unsere Zukunft ist, auf der anderen Seite werden wir angestrengte Haushalte haben“, sagt er.

„Ich gehe davon aus, dass man in Deutschland weiterhin, hoffentlich verstärkt, auf Forschung setzt und dass es 2022/23 einen wissenschaftsgeleiteten nationalen Roadmap-Prozess gibt, in dem sich forschungspolitisch hoch relevante Zukunftsprojekte auch durchsetzen werden.“ In dieser Kategorie sieht die aktuelle Liste unter anderem die Synchrotronstrahlungsquelle „Bessy III“ am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie vor, die ab 2026 entstehen soll.

Polarforschung, Dunkle Materie und das heißeste Feld der Astronomie

Auf internationaler Ebene angesiedelt sind eine Erweiterung des Neutrinodetektors IceCube am Südpol, ein Detektor für den direkten Nachweis Dunkler Materie sowie einer für höchstenergetische kosmische Strahlung. Außerdem ist das „Einstein-Teleskop“ gelistet, ein unterirdischer Gravitationswellendetektor, der in der Region Aachen-Limburg-Maastricht gebaut werden könnte. Es gilt als Schlüsselelement der aktuell heißesten Disziplin der Astrophysik.

Aus den übrigen Forschungsbereichen kommen noch weitere Wünsche wie ein Forschungsflugzeug, ein Exascale Supercomputer und eine Allianz für Pandemietherapeutika. Welche der ersehnten Infrastrukturen demnächst errichtet werden, hängt maßgeblich vom BMBF ab und wie es sich nach der Bundestagswahl im September aufstellt. Verbindliche Zusagen, so ist zu hören, wird es wohl erst im nächsten Sommer geben.

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