zum Hauptinhalt
Neandertaler sammelten und tauchten nach Muscheln nicht nur, um sie zu essen, sondern auch um die Schalen als Werkzeuge zu verwenden.

© Villa et al., 2020

Taucher gab es schon in der Steinzeit: Neandertaler tauchten nach Muscheln

Aus den Untersuchungen von über hundert Venusmuscheln in einer Grotte in Italien schließen Forscher: Neandertaler sind extra nach den Schalen getaucht.

Auf der Suche nach Werkzeugen erkundeten Neandertaler einer Studie zufolge auch das Meer. Um bestimmte Muscheln zu sammeln, seien die Frühmenschen vermutlich sogar getaucht, schreibt ein Team um Paola Villa von der University of Colorado in Boulder im Fachblatt „PLOS One“. Die Studie basiert auf der Analyse von 171 bearbeiteten Glänzenden Venusmuscheln (Callista chione), die grob 100.000 Jahre alt sind.

Die Muscheln, die an der ganzen Mittelmeerküste und auch im Atlantik vorkommen, stammen aus der Grotta dei Moscerini – einer Höhle, die zwischen Rom und Neapel in der Region Latium am Mittelmeer liegt. Sie wurde schon in den 1930er Jahren entdeckt und in den 1970er Jahren beim Bau einer Straße verschüttet. Venusmuscheln können zwar auch gegessen werden, dienten laut Interpretation der Forscher aber vor allem als Werkzeuge zum Schneiden und Schaben.

Neandertaler tauchten bis zu vier Meter tief

Aus dem Zustand der Muscheln und der Besiedlung mit Meeresbewohnern schließen die Forscher, dass etwa ein Viertel davon (24 Prozent) direkt vom Meeresboden gesammelt worden waren, vermutlich teils aus einer Tiefe von bis zu vier Metern. Die übrigen Muscheln waren stärker abgeschliffen und lagen wahrscheinlich schon eine Weile am Sandstrand, bevor sie damals gefunden und in die Höhle gebracht wurden.

Dies deuten die Forscher als Beleg dafür, dass manche Neandertaler einen engen Bezug zum Meer hatten. Frühere Funde hatten bereits gezeigt, dass sie auch Fische fingen.

„Das Tauchen nach Muscheln oder das Fischen in seichtem Süßwasser war eine gewöhnliche Aktivität von Neandertalern, wie Daten von anderen Orten und eine anatomische Studie zeigen“, schreibt das Team.

„Surferohr“ war zur Zeit der Neandertaler wohl eine häufige Knochenwucherung

Vorigen Sommer hatten Forscher um Erik Trinkaus von der Washington University in Saint Louis ebenfalls in „PLOS One“ berichtet, dass Neandertaler oft eine sogenannte Gehörgangsexostose hatten. Diese Knochenwucherungen im Gehörgang gehen mit Kontakt zu kaltem Wasser einher, sind bei Wassersportlern verbreitet und werden daher zuweilen auch als Surferohr bezeichnet.

In der Höhle wurden außer den Muscheln auch rund 50 Bimssteine gefunden, die wahrscheinlich zum Abschleifen genutzt wurden. Sie stammen vermutlich von Vulkanausbrüchen etwa auf der Insel Ischia oder auf den Phlegräischen Feldern bei Neapel und trieben aus dem Golf von Neapel etwa 70 Kilometer nach Norden bis in die Umgebung der Höhle. Neandertaler bewohnten Europa bis vor etwa 40.000 Jahren. (Walter Willems, dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false