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Studien zeigen Einflüsse des Mondes auf den Menschen.

© Getty Images/iStockphoto

Taktgeber des Menschen: Der Mond bestimmt den Schlafrhythmus – auch in beleuchteten Städten

Lange umstritten, jetzt aber doch belegt? Der Begleiter der Erde beeinflusst Schlaf und Fruchtbarkeit der Menschen. Das könnte sich allerdings ändern.

Der Organismus der meisten Menschen orientiert sich an dem von der Sonne vorgegebenen 24-Stunden-Zyklus von Tag und Nacht, der unser Leben seit Urzeiten bestimmt. Weit weniger einig sind sich Biologen, ob auch der Mond als zweiter großer Taktgeber am Himmel im Alltag des 21. Jahrhunderts noch eine Rolle spielt. 

In der Zeitschrift „Science Advances“ zeigen jetzt gleich zwei Studien, dass er es tut: Charlotte Förster von der Universität Würzburg und ihr Team finden Parallelen zum weiblichen Zyklus, während eine Gruppe um Horacio de la Iglesia von der University of Washington in Seattle zeigt, dass die Dauer der abendlichen Aktivitäten von den Mondphasen abhängt.

Die US-Forscher rüsteten 98 Menschen des weit im Norden von Argentinien lebenden Volkes der Toba und 464 Studenten in der US-Metropole Seattle mit kleinen am Handgelenk getragen Geräten aus, die Bewegungsaktivitäten aufzeichnen. Mit diesen Aktometern konnten Horacio de la Iglesia und seine Gruppe ein bis zwei Monate lang zuverlässig messen, wann und wie lange die jeweiligen Versuchsteilnehmer schliefen oder aktiv waren.

Deutliche Änderungen durch Mondphasen

Dieser Rhythmus aber veränderte sich sehr deutlich mit den Mondphasen: Wenn am Abend der zunehmende Mond am Himmel stand, waren die Menschen in den Dornbusch-Savannen des Gran Chaco in Argentinien am Abend länger aktiv, gingen später zu Bett und schliefen weniger als in den Zeiten rund um den Neumond. 

Diese Phase mit wenig Schlaf begann ungefähr mit dem Halbmond und erreichte ihren Höhepunkt drei bis fünf Tage vor Vollmond. Dann schliefen die Teilnehmer jeden Tag zwischen 20 und 90 Minuten weniger als in den dunklen Nächten, in denen der abnehmende Mond erst nach Mitternacht aufging oder der zunehmende Mond noch eine schmale Sichel war, die nur wenig Licht spendete.

Dieser Rhythmus findet sich in Toba-Dörfern ohne elektrisches Licht ähnlich wie in kleinen Städten mit Stromversorgung. Allerdings moduliert die nächtliche Beleuchtung den Einfluss des Mondscheins: Ohne künstliches Licht schliefen die Menschen in Neumondnächten durchschnittlich 25 Minuten länger als bei Vollmond, während die Bewohner einer gut beleuchteten Kleinstadt sich nur elf Minuten mehr Schlaf gönnten.

Zur Überraschung der Forscher aber folgten auch die Studenten im gut beleuchteten Seattle dem Rhythmus des Mondes, gingen in den Nächten wenige Tage vor Vollmond später ins Bett und schliefen weniger. Dabei leuchtet des Kunstlicht in den Studentenvierteln von Seattle auch bei Neumond deutlich heller als der Vollmond über den Toba-Dörfern.

Ein Relikt aus alten Zeiten

Das aber stützt eine Theorie der Forscher, nach der dieser Mond-Rhythmus ein Relikt aus alten Zeiten ist, in denen die Menschen ohne Kunstlicht lebten: Wenn die Dämmerung langsam in die Nacht überging, war es zum Jagen und zum Sammeln zu dunkel und wegen hungriger Raubtiere auch zu gefährlich. 

Nur beim Scheinen des zunehmenden Mondes konnten die Menschen einst am Abend draußen länger aktiv sein. Der abnehmende Mond scheint zwar ähnlich hell wie der zunehmende. Nur ist sein Licht nicht hell genug, um einen schlafenden Menschen aufzuwecken. Deshalb verlängern nur die hellen Abende vor dem Vollmond die Aktivitätsphasen, nicht aber die hellen Morgen bei abnehmenden Mond.

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In Zukunft aber könnte dieses Relikt langsam verschwinden: Schließlich hatten schon frühere Studien gezeigt, dass elektrisches Licht die Schlafdauer von Menschen verkürzt. Obendrein scheinen elektrische Beleuchtung und Mondlicht auch den weiblichen Zyklus zu beeinflussen, zeigen Charlotte Förster von der Universität Würzburg und ihr Team. 

Dabei nutzte die Gruppe allerdings keine Hightech-Elektronik mit Beobachtungsdauern von einigen Wochen wie ihre Kollegen in den USA, sondern die bis zu 32 Jahre langen Aufzeichnungen von 22 Frauen aus Deutschland und anderen europäischen Regionen über ihre Menstruation. „Da wir die Daten von jeder Frau einzeln analysierten, konnten wir auch Einflüsse von Mondzyklen finden, die nur einige Monate oder wenige Jahren sichtbar waren“, erklärt Charlotte Förster den Vorteil dieser erstmals angewandten Methode.

Dieser Ansatz bewährte sich. So war Forschern bisher bereits aufgefallen, dass die Regelblutung bei jüngeren Frauen im Durchschnitt nach 29,4 Tagen mit erheblichen Schwankungen zwischen 20 und 35 Tagen auftritt und damit recht genau im Bereich der Mondphasen-Zyklen liegt, bei denen der nächste Vollmond etwa 29,5 Tage auf den vorigen folgt. 

Mit statistischen Analysen aber fanden Forscher bisher kaum eine Korrelation zwischen beiden Rhythmen. Den Grund dafür könnte die Würzburger Gruppe jetzt aufgedeckt haben: Sie fanden Zusammenhänge nur bei Frauen mit längeren Menstruationszyklen von mehr als 27 Tagen und das auch jeweils nur in einigen Lebensabschnitten.

So fiel bei 23,6 Prozent aller unter 35-Jährigen der erste Tag der Regelblutung entweder auf den Vollmond oder auf den Neumond. Bei den über 35-Jährigen war das nur bei 9,5 Prozent aller Menstruationsperioden der Fall. Offensichtlich nimmt die Korrelation zwischen Mondphasen und Regelblutungen also mit dem Alter ab.  

Auch Kunstlicht beeinflusst den weiblichen Zyklus

Und es gibt einen weiteren Faktor, der den weiblichen Zyklus beeinflusst: künstliches Licht. Drei der Frauen in der Studie lebten in Städten mit guter nächtlicher Beleuchtung und waren keine Frühaufsteher, sondern eher Nachteulen. Bei allen dreien waren die Perioden relativ kurz und die Forscher fanden praktisch keinen Einfluss der Mondphasen auf den Zyklus. 

Anscheinend hat der Mond also in jungen Jahren durchaus einen Einfluss auf die Menstruationszyklen, der aber von künstlicher Beleuchtung ausgebremst wird und obendrein im Alter deutlich abnimmt. „Zu unserer großen Überraschung fanden wir auch einen deutlich geringeren, aber durchaus wichtigen Zusammenhang zwischen den Menstruationszyklen und den Gravitationszyklen des Mondes“, ergänzt Charlotte Förster.

Da der Mond auf einer elliptischen Bahn um die Erde saust, kommt er alle 27,55 Tage unserem Planeten relativ nahe. In dieser Zeit wirkt die Schwerkraft des Mondes auf der Erde einen Tick stärker und verursacht in den Meeren größere Unterschiede zwischen den Gezeiten. Genau zur gleichen Zeit aber setzt die Regelblutung auffällig häufig ein.

Eine zweite, aber deutlich geringere Spitze liegt in der Zeit, in der zwischen Erde und Mond ein besonders großer Abstand liegt und die Schwerkraft des Mondes relativ gering ist. In den Phasen dazwischen beginnt die Menstruation nach den Analysen des Würzburger Teams dagegen deutlich seltener. „Mich würde brennend interessieren, wie Frauen diese winzigen Auswirkungen solcher Gravitationszyklen auf ihren Körper registrieren“, sagt Charlotte Förster. Noch rätselhafter sind die Wintermonate, in deren langen Nächten der Mond viel länger als in den kurzen Sommernächten scheint, und in denen der Zusammenhang zwischen Mondzyklen und Menstruationszyklen besonders auffällig ist.

Was könnte der biologische Sinn solcher Zusammenhänge sein? Möglicherweise geben die Ergebnisse der US-Forscher zu den längeren abendlichen Aktivitäten der Menschen kurz vor Vollmond darauf einen wichtigen Hinweis: Diese Zeiten konnte man früher mit relativ niedrigen Risiken nutzen, während man bei Neumond besser drinnen blieb.

Bei den untersuchten weiblichen Zyklen wiederum lag die Menstruation besonders häufig kurz vor Vollmond, war bei Neumond deutlich seltener und in den Zeiten dazwischen noch rarer. „Wenn rund 14 Tage nach dem Einsetzen der Blutung dann der Eisprung erfolgt und die Frau schwanger werden kann, sind die Menschen häufiger drinnen und haben so bei Neumond erheblich bessere Chancen auf Nachwuchs“, lautet Charlotte Förster Erklärung dazu. 

Allerdings ist das eine Theorie, die sich in Zeiten, in denen künstliches Licht den Einfluss des Mondes anscheinend immer weiter verringert, nur schwer beweisen lässt.

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