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Im Labor funktioniert das Verfahren, im industriellen Maßstab müsste es sich noch als praktikabel erweisen.

© Reilly Henson/Virginia Tech

Styropor als Rohstoff: Upcycling von Abfall-Bergen

Polystyrol könnte chemisch zu hochwertigeren Produkten veredelt werden. Ein neues Verfahren dazu könnte auch an andere Kunststoffe angepasst werden.

Global werden immer größere Mengen von Kunststoffen hergestellt und immer größere Mengen davon landen als Plastikmüll in der Umwelt. Ein neues Verfahren könnte es ermöglichen, zumindest den unter dem Handelsnamen „Styropor“ viel genutzten Kunststoff Polystyrol stattdessen sinnvoll zu nutzen: als Ausgangsstoff für die Herstellung hochwertiger Chemikalien.

Fachleute loben den effizienten Ansatz, sehen aber Probleme bei Übertragung auf industrielle Maßstäbe. Welches Potenzial hat das Upcycling des gebrauchten Kunststoffs?

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„Ein interessantes Upcycling von Polystyrol“

„Leider werden mehr als 80 Prozent der Kunststoffe am Ende der Nutzungsdauer nicht recycelt, sondern deponiert oder in andere Länder verschifft, in denen ein Teil verbrannt wird“, sagte Johannes Gerardus de Vries, ehemals am Leibniz-Institut für Katalyse der Universität Rostock tätig, dem Science Media Center Deutschland. Ein anderer Teil gelange „versehentlich beziehungsweise absichtlich“ in die Umwelt und werde über Flüsse in die Ozeane gespült.

Kunststoffe könnten aber chemisch in ihre immer gleichen molekularen Bausteine, sogenannte Monomere, zerlegt werden. Diese könnten gereinigt und zur Herstellung eines neuen Polymers wiederverwendet werden. „Die zusätzlichen Kosten für das Sammeln, Lagern, Sortieren und vor allem für die Trennung von anderen Materialien und Füllstoffen führen jedoch dazu, dass das recycelte Monomer teurer ist als das neue Monomer, das aus fossilen Brennstoffen hergestellt wird“, sagt de Vries.

Die Umwandlung des Kunststoffs in ein Material mit einem höheren Marktwert – dieser Prozess wird als Upcycling bezeichnet – würde sich dagegen lohnen. Bisher verfügbare Upcycling-Methoden beruhen meist auf dem Einsatz teurer Katalysatoren, die die notwendigen chemischen Reaktionen ablaufen lassen, und die Qualität der erzeugten Produkte wird nicht allen Ansprüchen gerecht. „In der aktuellen Studie wird ein interessantes Upcycling von Polystyrol beschrieben“, urteilt de Vries als Experte für Katalyse mit nachwachsenden Rohstoffen.

Unter normalen Temperatur- und Druckverhältnissen

Das besagte Verfahren stellte ein Forschungsteam um Guoliang Liu von der Virginia Tech University im Fachmagazin „PNAS“ vor: Eine Tandemreaktion ermöglicht das Upcycling von Polystyrol in chemische Produkte. Polystyrol ist in Gebrauchsgegenständen, Verpackungen und Dämmstoffen enthalten. Es ist in Deutschland der am viertmeisten hergestellte Kunststoff, lässt sich aber nur schwer recyceln. Nach der neu entwickelten Methode wird in Benzol gelöstes Polystyrol mit Hilfe eines kostengünstigen Aluminiumchlorid-Katalysators und unter Bestrahlung mit ultraviolettem Licht zu aromatischen Verbindungen abgebaut. Das sind Stoffe wie das verwendete Benzol, die Ringe aus Kohlenstoffatomen enthalten.

Mathias Seitz, Professor für Verfahrenstechnik an der Hochschule Merseburg sieht im Abbau des Polystyrols den Wert der aktuellen Arbeit. „Die Kaskade ist neu.“ Verschmutzungen machten aber „immer“ Probleme, sodass in der technischen Realität von einer Zwischenreinigung ausgegangen werden müsste, bei der Störstoffe abgetrennt werden.

Das Team um Guoliang Liu fügt im nächsten Schritt des Verfahrens Dichlormethan hinzu. 97 Prozent der aromatischen Kohlenstoffringe des Polystyrols können so in Diphenylmethan überführt werden. Dieser Stoff wird unter anderem in der Lebensmittel-, Pharma-, Duft- und Farbstoffindustrie verwendet. „Diese Verbindung ist zehnmal teurer ist als Polystyrol“, sagt de Vries und fügt hinzu: „Chapeau!“

Die kombinierte Abbau- und Upcycling-Methode ist weniger kostspielig und nachhaltiger als derzeitige industrielle Verfahren zur Herstellung von Diphenylmethan, berichtet das Forschungsteam. Die Reaktionen laufen unter normalen Temperatur- und Druckverhältnissen ab, was zur hohen Energieeffizienz beiträgt.

Feinchemikalien für kleine Märkte

Eine ökonomische Analyse ergab, dass es sich „bei hoher Rentabilität und geringer Empfindlichkeit gegenüber Marktschwankungen“ auf einen hohen Stoffumsatz skalieren lässt. Den Autoren zufolge könnte die Methode zur Herstellung weiterer wertvoller Chemikalien oder zum Upcycling anderer Kunststoffarten angepasst werden und so zur Bewältigung des globalen Plastikproblems beitragen.

Seitz bemängelt an der Veröffentlichung, dass offen bleibe, in welchem Nebenprodukt das im verwendeten Dichlormethan enthaltene Chlor zu finden ist. Beim Upcycling besteht jedoch auch ein grundsätzliches Problem: Teurere Produkte haben einen kleineren Markt. „Daher könnte nur ein Bruchteil des gesamten Polystyrol-Abfalls auf diese Weise umgewandelt werden“, sagt de Vries. Auch die weiteren angedachten Produkte seien Feinchemikalien mit geringer Marktgröße. Die Umwandlung in ein Monomer für Polyurethane, bekannt aus Schaumstoffen, wäre interessant, sagt de Vries, aber ein unerprobter Syntheseweg. „Vielleicht ein inspirierender Gedanke für andere Chemiker?“

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