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Ein rot-weißer Doppeldeckerbus steht vor einem Universitätsgebäude, davor hat sich eine Schlage von Studierenden gebildet.

© Felix Noak/TU Berlin

Studierende krempeln den Ärmel hoch: Schlange stehen vor dem Impf-Bus an der Uni

Die meisten Studierenden sind geimpft. Aber wenn der Impfbus auf den Campus kommt, bilden sich Schlangen. Es gibt viele Gründe, erst jetzt bereit zu sein.

Ein rot-weißer Doppeldecker-Bus vor dem Hauptgebäude der Technischen Universität Berlin, ein kleines Partyzelt, ein paar Stühle für Wartende: Da ist es, das niedrigschwellige Angebot an alle Ungeimpften, die an der TU studieren oder arbeiten oder gerade am Donnerstagmorgen im Nieselregen an der Straße des 17. Juni 135 in Charlottenburg vorbeikommen.

Und es funktioniert. Von morgens bis nachmittags reißt die Schlange der Impfwilligen nicht ab. "Für mich ist es die einfachste Möglichkeit, mich impfen zu lassen, die Chance will ich nutzen", sagt Amor, ein 19-jähriger Studienanfänger in Informatik und Physik, dem Tagesspiegel.

Ganz so einfach ist die Entscheidung, sich hier und jetzt an der TU die Spritze zu holen, dann aber doch nicht. Amor hatte sich schon einen Impftermin mit Johnson & Johnson organisiert und telefoniert noch aus der Schlange mit seiner Mutter, um sich mit ihr zu beraten.

Grünes Licht von zu Hause: Doppelt geimpft hält besser

Mit der einen Johnson-Dosis hätte er schneller den vollen Schutz, mit zwei Dosen Biontech oder Moderna, die es im Impfbus gibt, müsste er noch ein paar Wochen lang für die Schnelltests bis zu 25 Euro zahlen, um die 3G-Regel der Uni zu erfüllen. Dann gibt es grünes Licht von zu Hause: Doppelt geimpft hält besser, das mit den Testkosten schaffen wir.

Damit gehört der junge Berliner zur Gruppe der Studierenden, die zum Semesterstart zwar ungeimpft, aber nicht impfunwillig sind. Genau das ist die Zielgruppe der Impf-Aktion, die am Freitag von 9 bis 15 Uhr noch einmal an der TU und auch vor der Grimm-Bibliothek der Humboldt-Uni sowie am Montag an der Freien Universität vor der "Silberlaube" (Fabeckstraße 23/25) stattfindet.

Wie es mit der Impfbereitschaft der Studienanfänger aussieht, wollte die TU jetzt noch einmal genauer wissen. Sie bat Ende September rund 6000 Studienbewerber:innen, an einer Umfrage teilzunehmen. 3131 von ihnen nahmen teil - eine ungewöhnlich hohe Quote von gut 50 Prozent. Vollständig geimpft sind demnach 88 Prozent der befragten Studienanfänger, zwei Prozent erstgeimpft, ein Prozent genesen und acht Prozent ungeimpft.

Höhere Impfbereitschaft unter ungeimpften Erstsemestern

Von den 262 Ungeimpften gaben 96 (36,6 Prozent) an, ein Impfangebot der Hochschule annehmen zu wollen. Dieser Prozentsatz liegt wesentlich höher als in der im August berlinweit befragten Studierendenschaft von zehn staatlichen und kirchlichen Hochschulen. Von den rund 42.000 Teilnehmenden waren 13,6 Prozent nicht geimpft und nur 16,2 Prozent von ihnen konnten sich vorstellen, noch ein Impfangebot anzunehmen.

Über der Eingangstür des TU-Hauptgebäudes hängt ein Banner mit dem Schriftzug "Jetzt impfen lassen!"
Der Appell am Hauptgebäude der TU Berlin scheint zu wirken, laut Pressestelle ließen sich bei der Aktion am 14. Oktober 65 Menschen impfen.

© Felix Noak/TU Berlin

In der Schlange vor dem Impf-Bus an der TU hat Jede und Jeder seine Geschichte, warum es vorher mit dem Impftermin nicht geklappt hat, aber heute passt. "Ich wollte eigentlich nicht, aber es ist notwendig für das Studium", sagt Wu (25), der Chemie studiert. 3G an der Uni bedeutet ohne Impfung oder Attest für Genesene, für jede Lehrveranstaltung auf dem Campus einen höchstens 48 Stunden alten offiziellen Test vorzuweisen - und jedes Mal dafür zu zahlen.

An der TU haben Studierende dabei noch Glück: Beim Anbieter Medicare, der das Testzelt vor dem Hauptgebäude mindestens bis Ende Oktober betreibt, wird der Schnelltest für 14,90 Euro gemacht.

Student Wu zweifelt: "Jeder Körper heilt sich selbst"

Die Alternative, weiterhin online zu studieren, sagt Wu, wäre für ihn das bequemste, weil er am anderen Ende der Stadt wohne. Doch bei weitem nicht alle Vorlesungen werden gestreamt. Und gerade in Chemie erfordern die Laborpraktika ohnehin Präsenz. Also handelt Wu jetzt gegen seine Überzeugung, die lautet: "Jeder Körper hat die natürliche Fähigkeit, sich selbst zu heilen. Und Impfen ist etwas Unnatürliches."

Wu reiht sich ein und sagt noch: "Ich bin nicht sehr sicher, ob das richtig ist, denn es ist ja nur irgendein Bus." Tatsächlich handelt es sich um eines von vier neu ausgestatteten Impfmobilen, die im Auftrag der Senatsverwaltung für Gesundheit von Hilfsorganisationen wie Malteser, DRK und DLRG betrieben werden. Von den jungen Ärzt:innen wird Moderna verimpft, teilweise soll auch Biontech zur Verfügung stehen.

Für Ashley beginnt ihr Auslandsstudium beim Impf-Event der TU. Die 24-Jährige ist gerade aus Kenia angekommen, um in Berlin ihren Master in Umweltplanung zu machen. Morgens in der Einführungsveranstaltung scheiterte sie an der Eingangskontrolle. "Nur einmal mit Astrazeneca geimpft, bitte gleich zum Test, sagte man mir", erzählt Ashley.

Astrazeneca in Kenia, Moderna in Berlin

Eine Kommilitonin, die das mitbekam, zeigte ihr das Testzelt, das seit Monaten vor dem TU-Hauptgebäude steht - und den Impfbus. Ashley stellt sich gleich an, sie sagt, sie sei froh, "meine Impfung gleich heute komplettieren zu können". Die Astra-Dosis hatte sie erst kurz vor der Abreise nach Deutschland erhalten, in Kenia liegt die Impf-Priorität noch auf älteren Menschen.

Vor ihr in der Schlange steht Dilara (20), Studentin der Arbeitslehre. Warum sie sich erst jetzt impfen lässt? "Ich bin keine Impfgegnerin, es hat sich einfach alles hingezogen, weil ich im Ausland war." Auch sie hatte schon einen Termin im Impfzentrum, aber das Angebot der eigenen Uni kam zum richtigen Zeitpunkt, um noch ein paar Tage vorher dran zu sein.

[Lesen Sie hier eine Umfrage unter Berliner Studierenden und Lehrenden zum Semesterstart: "Es wird ein kleines Abenteuer"]

Zum Impf-Event an der TU gehört, dass ein Mitarbeiter von Hertha BSC allen frisch Geimpften zwei kostenlose Tickets für die nächsten Spiele im Olympiastadion anbietet. Die TU verschenkt Stoffrucksäcke mit Uni-Logo und verlost Laptops. Deshalb stellt sich selbstverständlich niemand in die Impf-Schlange, sagt Amor. "Aber klar, wenn ich jemanden finde, der mitkommt, würde ich zu Hertha gehen."

Fokussiert ist er auf anderes: auf seine Einführungsveranstaltungen, die ersten Vorlesungen - und auf den Studierendenausweis, auf den er wegen technischer Schwierigkeiten der Uni noch warten muss. Er hat im Juni Abitur gemacht, sieht "krasse Unterschiede zur Schule, vor allem in der Selbstorganisation". Amor freut sich, dass Mentoren bereitstehen, um dabei zu helfen. Und über seine Entscheidung, sich impfen zu lassen, die vieles an der Uni leichter macht.

Weitere Oktober-Termine der mobilen Impfaktion der Hilfsorganisationen - nicht nur für die Hochschulen - finden Sie hier.

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