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Bei "Fridays for Future" demonstrieren Bürger für mehr Klimaschutz. Und unter bestimmten Bedingungen sind sie auch bereit, über eine CO2-Steuer dazu beizutragen, so das Ergebnis einer Schweizer Studie.

© Jens Büttner/zb/dpa

Studie Zürcher Forscher zeigt: Wie man die Menschen von einer CO2-Steuer überzeugen kann

Den Kohlendioxid-Ausstoß über eine Steuer regulieren – dazu sind Bürger bereit, allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen, so Schweizer Forscher.

Wenn es darum geht, das eigene Verhalten zu ändern, lässt die Begeisterung für Klimaschutz bei vielen Menschen rasch nach: Mehr Geld für Sprit zahlen? Mehr hinblättern für Flugreisen? Auf günstige Fleischprodukte verzichten? Entsprechend zögerlich handelt die Politik, um es sich mit unbeliebten Maßnahmen bei den Wählern nicht zu verscherzen.

„Unser Umgang mit dem Klimawandel folgt einem vertrauten Muster: Da läuft etwas grundlegend falsch, doch wir tun nichts dagegen“, sagt Christian Seidel, Sprecher des Instituts für Technikzukünfte (ITZ) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Dazu trage moralische Blindheit für die Interessen der künftigen Generationen genauso bei wie bloße Willensschwäche.

„Ein wichtiger Grund ist, dass es keine allgemeine Überzeugung davon gibt, dass jeder eine Pflicht zum Klimaschutz hat“, sagt Angela Kallhoff, Ethikerin an der Universität Wien (Österreich). Begründet werde dies etwa damit, dass das Handeln eines Einzelnen ohnehin wirkungslos sei, die Industrie als Verursacher sich um das Problem kümmern müsse oder die Politik für dessen Lösung zuständig sei.

Hinzu kommt: „Das Verhältnis von individuellem Handeln und politischen Maßnahmen ist kompliziert, da in einer Demokratie das politische Handeln durch Zustimmung der Bürgerinnen legitimiert werden muss“, so Kallhoff. „Deshalb dieses Lavieren zwischen großen Vorschlägen und doch keiner Durchsetzbarkeit von richtig teuren Maßnahmen.“

Dass sich die Zustimmung für Klimaschutzmaßnahmen durchaus stärken lässt – auch bei persönlichen finanziellen Einbußen – zeigt exemplarisch eine aktuelle Studie, die im Fachblatt „Science Advances“ veröffentlicht ist: Darin untersuchten zwei Forscher der Eidgenössisch-Technischen Hochschule Zürich (ETH) in der Schweiz, wie Menschen unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen auf die Einführung einer CO2-Steuer reagieren.

Das zentrale Ergebnis: Eine Besteuerung kann den Bürgern schmackhaft gemacht werden.

Bisher gibt es die CO2-Steuer nur in wenigen Ländern

Eine CO2-Steuer gilt als wirkungsvolles Mittel, um den CO2-Ausstoß zu senken und sich dem Erreichen der Klimaschutzziele zumindest zu nähern. Wer Kohlendioxid produziert, muss nach dem Modell einen festgelegten Preis dafür bezahlen – eine Privatperson beim Heizen oder Tanken genauso wie ein Kleinunternehmer oder die Industrie. „Die zugrundeliegende Idee einer Kohlenstoffsteuer ist einfach, bestechend und in der akademischen Welt anerkannt“, so die ETH-Wissenschaftler Liam Beiser-McGrath und Thomas Bernauer. „Die Besteuerung von Kohlenstoff erhöht den Preis fossiler Brennstoffe, wodurch deren Verbrauch und die damit verbundenen Emissionen sinken.“

Dennoch gäbe es bisher nur in wenigen Ländern Besteuerungsmaßnahmen für Kohlendioxid. „Die meisten Bürger haben anscheinend sehr wenig Hunger auf neue Steuern, die ihre Steuerlast erhöhen würden.“ Beiser-McGrath und Bernauer befragten mehr als 7000 Menschen in Deutschland und in den USA, um herauszufinden, wie man die Zustimmung verbessern könnte. Sie evaluierten die Popularität der Maßnahme unter Annahme verschiedener Preise und verschiedener Wettbewerbsbedingungen. Bei der Befragung variierten sie die Art der Informationen, die die Befragten vorab bekamen. So gab es etwa verschiedene Angaben darüber, wofür die Einnahmen verwendet werden sollen.

Allein indem die Befragten darüber informiert wurden, wie die eingenommenen Gelder an Bürger und Gesellschaft zurückfließen könnten, wuchs die Zustimmung für eine Besteuerung. Einige Maßnahmen waren dabei populärer als andere: Wenig beliebt war in beiden Ländern die Idee, die Unternehmensbesteuerung zu senken. Auch die Förderung von Umschulungsmaßnahmen oder die Begleichung von Steuerschulden des Staates stießen nicht auf große Gegenliebe.

Steuernachlässe für die Bürger und die Förderung erneuerbarer Energien gehörten zu den Verwendungsmöglichkeiten, die von den Befragten positiv bewertet wurden. Sie empfanden dann – bis zu einer gewissen Grenze – einen höheren Preis pro Tonne CO2 als gerechtfertigt.

Die Studie lege nahe, dass die Rückführung der Einnahmen an die Bürger die Zahlungsbereitschaft in einem Umfang erhöhe, der erhebliche Emissionssenkungen zur Folge habe, schreiben die Wissenschaftler.

Die Bereitschaft, zu zahlen, hing dabei maßgeblich vom Verhalten anderer Länder ab. Eine Mehrzahl der Befragten befürwortete hohe Steuern nur, wenn alle anderen industrialisierten Länder am gleichen Strang ziehen und ebenfalls Steuern verlangen.

„Ohne China und die USA ist Klimarettung nicht zu stemmen“

„Es ist keineswegs unvernünftig, schmerzhafte Einschnitte in die eigenen Gewohnheiten zu verweigern, solange niemand im Gegenzug garantieren kann, dass sich dadurch etwas bessert“, sagt Rudolf Schüßler, Professor für Philosophie an der Universität Bayreuth. „Deutschland allein kann das Klima nicht retten, nicht einmal die EU kann das. Ohne massive Mitwirkung der USA und Chinas ist die Klimarettung nicht zu stemmen.“

Viele Experten sind der Ansicht, dass Kommunikation und Aufklärung entscheidend für die individuelle Bereitschaft zum Handeln sind. Allzu oft würden in der Klimaberichterstattung negative Folgen betont, doch die sozialwissenschaftliche Forschung zeige, das Angstmachen nicht funktioniere, sagt Mike Schäfer, Professor für Wissenschaftskommunikation und Direktor des Center for Higher Education and Science Studies an der Universität Zürich.

„Aber genau das passiert oft: Ein großer Teil der Klimawandel-Kommunikation konzentriert sich auf mögliche negative Folgen – extreme Wetterereignisse, steigende Meeresspiegel, Verlust an Biodiversität und Ähnliches. Diese Berichterstattung bringt Aufmerksamkeit, aber sie paralysiert auch viele Menschen, die das Gefühl haben, den übermächtigen Naturgewalten nichts entgegensetzen zu können.“

Besser sei es, nicht (nur) auf die negativen Folgen des Klimawandels, sondern (auch) auf die positiven Folgen des Klimaschutzes hinzuweisen – also statt der Kosten so konkret wie möglich die möglichen Gewinne zu fokussieren: eine gesündere, weniger gefährliche Lebenswelt für uns und unsere Kinder, weniger Hitzeperioden in unserer Stadt und dergleichen. „Wohlgemerkt: Nicht jedes Problem der Klimadebatte lässt sich kommunikativ lösen. Aber es gibt viele Punkte, an denen man kommunikativ ansetzen kann.“

Appell an Gemeinschaftsgefühl

Helfen kann es nach Ansicht von Hannah Schmid-Petri, Professorin für Wissenschaftskommunikation an der Universität Passau, in der Berichterstattung an die Werte und die direkte Lebenswelt der Menschen anzuknüpfen. Motivierend wirke etwa ein Appell an das Gemeinschaftsgefühl im Sinne von „Wir können das gemeinsam schaffen“. „Dies ist meines Erachtens auch einer der Gründe für den Erfolg von Greta Thunberg, da sie glaubhaft vermittelt, dass auch der/die Einzelne etwas bewirken kann.“

In Deutschland will das Klimakabinett am Freitag sein Konzept für mehr Klimaschutz vorstellen. Ob die Politik darin klare Vorgaben machen wird oder vor allem auf die Schaffung von Anreizen setzt, ist offen. Am gleichen Tag werden weltweit aller Voraussicht nach hunderttausende Menschen beim globalen Klimastreik der Fridays-for-Future-Bewegung auf die Straße gehen und ihrer Forderung nach mehr Klimaschutz Ausdruck verleihen.

Bis vor Kurzem habe es zu wenig Mobilisierung und Druck aus der Öffentlichkeit auf Entscheidungsträger und Politik gegeben, sagt der Züricher Forscher Schäfer. „Fridays for Future“ versuche das jetzt und habe schon einiges erreicht. „Das ist vielversprechend und ich hoffe, dass der Bewegung nicht die Luft ausgeht.“

Sein Verhalten zu ändern sei sinnvoll, wenn es nicht nur rein rechnerisch um den ökologischen Fußabdruck von Emissionen gehe, sondern um eine Transformation des Lebensstils, sagt Kallhoff. „Wer sagt denn, dass energieärmeres Leben, Verzicht auf Flugreisen oder ein privates Auto zu einem schlechteren Leben führt? Es kommt doch darauf an, was man unter „gutem Leben“ versteht.“ (dpa)

Anja Garms

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