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Blick von einer Anhöhe auf die "Großen Bäder" und die antike Meeresbucht bei Utica.

© Elisa Pleuger/dpa

Studie zu Karthago: Bergbau in Nordafrika trug zu den Punischen Kriegen bei

Wie finanzierte Karthago die Kriege gegen das aufstrebende Rom? Sedimentuntersuchungen in Tunesien bringen neue Erkenntnisse.

Blei- und Silberbergbau haben einer Studie zufolge die Widerstandsfähigkeit des antiken Karthago in den Kriegen gegen die Römer gestärkt. Dadurch habe die See- und Handelsmacht während der drei Punischen Kriege (264 bis 146 v. Chr.) den wirtschaftlichen Zusammenbruch lange verhindern können, schließen Forscher aus Bleiablagerungen im Mündungsgebiet des Flusses Medjerda an der Nordostspitze des heutigen Tunesien.

Aus den Bleiwerten im Delta nahe der antiken Stadt Utica zieht das Team um Hugo Delile von der Universität Lyon in den "Proceedings" der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften ("PNAS") Rückschlüsse auf historische Zusammenhänge.

Die Karthager hielten Küstengebiete in Nordafrika

"Bei den drei Punischen Kriegen kämpften zwei der größten Reiche der Antike über ein Jahrhundert lang um die Kontrolle des westlichen Mittelmeers", schreiben die Forscher. Zu Beginn dieser Zeit hielten die - von den Römern Punier genannten - Karthager Küstengebiete im nördlichen Afrika und in Andalusien sowie etliche Inseln im Mittelmeer. Wie Karthago die Kriege gegen das aufstrebende Rom finanziert habe, sei bislang wenig bekannt gewesen - auch weil sich die Forschung stärker auf den Bergbau in Europa als in Nordafrika konzentriert habe.

Die Forscher werteten nun acht Bohrkerne aus dem Sediment des Medjerda aus, dem längsten Fluss Tunesiens. Sie waren nahe der antiken Stadt Utica entnommen worden. 77 der insgesamt 146 analysierten Proben daraus hatten einen niedrigen Bleigehalt, der wohl natürlichen Ursprungs ist. In den übrigen 69 Proben war der Bleigehalt stark erhöht, zum Teil um das 20-Fache.

"Das häufigste Silbererz ist Galenit, ein Bleisulfid", schreibt das Team. "Die meisten Silberminen sind daher auch Bleiminen." Das Blei im Flusssediment stammt demnach aus dem Sickerwasser, das bei der Metallgewinnung aus Erz entsteht. Das Team um Delile unterscheidet vier Phasen der Metallgewinnung in der Region: Demnach begann die erste Phase um 340 v. Chr., noch während der Griechisch-Punischen Kriege, die bis 307 v. Chr. dauerten.

Erste Prägung punischer Münzen in Karthago

"Auffällig ist, dass der Beginn dieser frühen Bleiverschmutzung mit der ersten Prägung punischer Münzen in Karthago in der Mitte des vierten Jahrhunderts v. Chr. zusammenfällt", schreiben die Forscher.

Die zweite Bergbauphase setzt um 275 v. Chr. ein, ein Jahrzehnt vor Beginn des ersten Punischen Krieges (264 bis 241 v. Chr.). Sie reicht bis zum Jahr 180 v. Chr., etwa 20 Jahre nach Ende des zweiten Punischen Krieges (218 bis 201 v. Chr.). Bisher wurde angenommen, dass die Karthager die Reparationszahlungen an Rom nach dem ersten Punischen Krieg, etwa 96 Tonnen Silber, aus ihren Minen im heutigen Spanien gewonnen hatten. "Wir vermuten jetzt, dass auch die tunesischen Minen zu dieser Aufwendung beitrugen, da Karthago während der ersten beiden Punischen Kriege seine traditionellen Silberquellen verlor: 241 v. Chr. Sardinien und Sizilien und 201 v. Chr. Spanien", heißt es in der Studie.

In der dritten Phase, von 180 bis 95 v. Chr., stammte das Blei aus anderen Quellen, wie die Isotopen-Zusammensetzung der Ablagerungen verrät. Sie passen zu mehreren Galenitvorkommen in der Gegend, von denen allerdings nur Bou Jaber und Slata im Einzugsgebiet des Medjerda liegen. Die Forscher schließen daraus, dass zumindest eines dieser beiden Vorkommen erschlossen wurde, nachdem die älteren Lagerstätten weitgehend erschöpft waren.

Versuchte Rom, sich die Metallressourcen anzueignen?

Diese Rohstoffe ermöglichten es Karthago demnach, dem wirtschaftlichen Druck standzuhalten: Nach dem zweiten Punischen Krieg hatte es die Minen in Südspanien verloren und musste zusätzlich an Rom 375 Tonnen Silber für Reparationen zahlen. "Es gab also eine beträchtliche Diskrepanz zwischen dem Geldbedarf von Karthago und den verfügbaren Metallressourcen", betont das Team. Dieser Druck habe Karthago dazu getrieben, auf seinem verbliebenen Territorium weitere Vorkommen auszubeuten. Die damalige Architektur der Städte belege, dass die Handelsmacht zu jener Zeit durchaus noch sehr wohlhabend gewesen sei - wohl auch wegen des Bergbaus in seinem Hinterland.

Möglicherweise seien der Wohlstand Karthagos und seine Bergwerke ein Grund für den dritten Punischen Krieg (149 bis 146 v. Chr.) gewesen, spekuliert das Team. Rom sei eventuell versucht gewesen, seinen Rivalen zu eliminieren und sich seine Metallressourcen anzueignen. Der Krieg endete mit der Zerstörung der Stadt Karthago, das Gebiet wurde eine römische Provinz.

In der vierten Bergbauphase von 95 v. Chr. bis 800 n. Chr. gab es der Studie zufolge zwar weitere Bergbauaktivitäten, aber in wesentlich geringerem Maße als zuvor. (Stefan Parsch, dpa)

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