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Ein Bauer erntet sein Weizenfeld am Rande von Amritsar im indischen Bundesstaat Punjab im Norden des Landes.

© AFP/Narinder Nanu

Studie zu globaler Ernährung: Kann „Degrowth“ den Welthunger stillen und das Klima schützen?

Forschende haben geprüft, ob ein alternatives Wirtschaftsmodell Emissionen in der Landwirtschaft senkt – und kamen zu ernüchternden Ergebnissen.

Wie kann die Menschheit die wachsende Weltbevölkerung ernähren, dabei das Klima schützen und planetare Grenzen einhalten? Verfechter:innen der „Degrowth“-Theorie meinen: Das geht nur, wenn sich die Welt vom Modell der ewig wachsenden Wirtschaft verabschiedet und sich Menschen in reicheren Ländern ein gutes Leben mit insgesamt weniger Konsum, Produktion und Geld aufbauen.

Eine solche Revolution würde laut den „Degrowth“-Verfechter:innen dazu beitragen, klimaschädliche Emissionen zu senken und mit dem verbleibenden Ackerland auf der Erde die Menschheit nachhaltig zu versorgen.

Ein Team um die Wissenschaftler Benjamin Bodirsky und David Chen vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hat diese Annahmen in einer Studie erstmals für das globale Ernährungssystem geprüft. Die Ergebnisse im Fachmagazin „Nature Food“ zeigen: Weniger Geld für Menschen in reichen Ländern und mehr Geld für Menschen in armen Ländern würde im jetzigen Ernährungssystem kaum zu mehr Klimaschutz führen. Grund dafür ist, dass höhere Einkommen in armen Ländern klimaschädliche Ernährungsweisen wie mehr Fleisch- und Käsekonsum befördern.

In einem der sechs untersuchten Szenarien sanken die klimaschädlichen Treibhausgasemissionen hingegen deutlich: wenn die Menschheit bis 2030 weniger Lebensmittel verschwendet und weniger tierische Produkte wie Fleisch und Käse konsumiert, um planetare Grenzen nicht zu überschreiten. In einem weiteren Szenario sanken die CO₂-Emissionen im globalen Ernährungssystem, wenn ihr Ausstoß gemäß dem 1,5-Grad-Klimaziel auch etwas kostete.

Ein solcher CO₂-Preis hätte zur Folge, dass zum Beispiel Mehl, Tomaten oder Wurst teurer werden oder günstig bleiben – abhängig davon, wie viel klimaschädliches CO₂ ihre Produktion verursacht. Eine solche Maßnahme würde die Kosten der Klimaverschmutzung einpreisen und Menschen dazu animieren, klimafreundlicher zu essen oder ihre Nahrungsmittel entsprechend zu produzieren.

Klimaneutrales Ernährungssystem bis 2100

Erwartungsgemäß brachte eine Kombination von mehreren Maßnahmen die besten Ergebnisse beim Klimaschutz: weniger Fleisch und Milch, weniger Lebensmittelverschwendung, ein CO₂-Preis und dass ärmere Länder von reicheren Ländern mit internationalen Transferzahlungen unterstützt werden.

Die Viehhaltung verantwortet einen großen Ausstoß des besonders klimaschädlichen Treibhausgases Methan.
Die Viehhaltung verantwortet einen großen Ausstoß des besonders klimaschädlichen Treibhausgases Methan.

© dpa

Auf diese Weise würden in dem Szenario die Emissionen aus der Landwirtschaft von 14,4 Gigatonnen an CO₂-Emissionen im Jahr 2020 auf 1,18 Gigatonnen CO₂-Emissionen im Jahr 2050 schrumpfen. In den verbleibenden 50 Jahren gäbe es den Forschenden zufolge dann genug Landfläche, um dort aufzuforsten und Wälder wachsen oder andere Ökosysteme gedeihen zu lassen. 

Die natürlichen Klimaschützer würden dann CO₂ aus der Atmosphäre binden und nicht vermeidbare Treibhausgase wie Lachgas aus Dünger und Methan aus der Viehhaltung an anderer Stelle ausgleichen. Bis 2100 wäre das globale Ernährungssystem dann klimaneutral, es würden also unter dem Strich null klimaschädliche Emissionen anfallen.

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Von den genannten Klimaschutzmaßnahmen ist der CO₂-Preis in Deutschland bekannt: ein nationaler CO₂-Preis verteuert hierzulande bereits fossile Energieträger wie Benzin und Diesel im Verkehrssektor sowie Heizöl und Erdgas im Gebäudesektor. Der europäische CO₂-Preis greift im Energiesektor und macht vor allem klimaschädliche Kohlekraftwerke unprofitabel, wodurch Wind- und Solaranlagen zunehmend wettbewerbsfähig werden. Die Landwirtschaft ist in Deutschland aber bislang von einer CO₂-Bepreisung ausgenommen.

Die Forschungsarbeit ist eine der eher seltenen Analysen, die „Degrowth“-Hypothesen mithilfe von Berechnungen auf Klimaschutz und planetare Grenzen abklopfen – in diesem Fall beim globalen Ernährungssystem. In den vergangenen Jahren haben ökonomische Debatten über die Notwendigkeit von „Degrowth“ an Fahrt aufgenommen – also über die Frage, ob die Wirtschaft gerade in reicheren Ländern schrumpfen und Wohlstand anders als über mehr Konsum und Produktion erreicht werden muss, damit die Menschheit ihre Lebensgrundlagen nicht zerstört.

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