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In der Coronakrise nehmen psychische Erkrankungen wie Depressionen zu.

© dpa/Sina Schuldt

Exklusiv

Studie über psychische Folgen der Coronakrise: In der Pandemie nehmen Depressionen und Angststörungen stark zu

Immer mehr Menschen brauchen in der Pandemie psychologische Hilfe. Vor allem nach dem Sommer begaben sich viele in Behandlung.

Kinderbetreuung und Homeoffice, gereizte Stimmung in der U-Bahn und dann auch noch die Unsicherheit über die Zukunft – der Stress und die Belastungen in der Coronakrise können aufs Gemüt schlagen. Eine Folge
davon ist die deutliche Zunahme psychischer Erkrankungen, wie eine aktuelle Studie zeigt. Im Auftrag der Betriebskrankenkasse Pronova wurden dafür im Oktober und November mehr als 150 Psychiater und Psychotherapeuten online befragt.

82 Prozent der Ärztinnen und Ärzte stellen bei ihren Patienten häufiger Probleme mit Angstzuständen fest. Knapp 80 Prozent diagnostizieren öfter als zuvor Depressionen. Auch die Fälle somatischer Beschwerden – also psychische Beeinträchtigungen, die sich auf die körperliche Gesundheit auswirken – nehmen zu: Müdigkeit, Erschöpfung und Schmerzen ohne organische Ursache.

Bei vielen schlägt sich das vor allem nachts nieder, in Form von Schlafstörungen. Fast 70 Prozent der befragten Ärzte beobachten hier eine Zunahme der Fälle seit Beginn der Pandemie.

Die Krise hinterlässt Spuren in der Psyche

Gerd Herold, Beratungsarzt bei Pronova, macht den Corona-Alltag für den Anstieg der psychischen Beschwerden verantwortlich. „Neue Vorschriften und Umgangsformen wie Abstandsregeln, Masken oder Kontaktbeschränkungen wirken verunsichernd und tendenziell destabilisierend“, sagt er. „Angst vor einer Infektion mit dem Virus, um Angehörige, um den Job, Existenzsorgen oder auch Ängste vor sozialer Isolation im Lockdown sind weit verbreitet und hinterlassen Spuren.“

Insgesamt verzeichnet ein Drittel der befragten Ärzte einen vermehrten Zulauf an Patienten. Bei den niedergelassenen Psychiaterinnen und Psychiatern sind es 46 Prozent, die mehr Menschen behandelt als zuvor. Ein Viertel verschreibt mehr Medikamente als vor der Krise.

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Die Gründe, warum sich die Menschen in Behandlung begeben, sind vor allem ein Gefühl der Überforderung, Ängste und familiäre Probleme. Aber auch Alkoholsucht und aggressives Verhalten gegenüber anderen oder Zwangsstörungen bewegen Menschen
in der Krise vermehrt dazu, einen Psychotherapeuten oder eine Psychiaterin aufzusuchen. Besonders im dritten Quartal habe der Andrang in den Praxen zugenommen. „Im Sommer sanken die Infektionszahlen und die akuten Corona-Sorgen wurden kleiner – Menschen, die psychisch stark gelitten hatten, kämpften aber mit anhaltenden Beschwerden“, sagt Herold.

Patienten mit psychischen Vorerkrankungen seien in der Krise doppelt anfällig, heißt es in der Studie. 92 Prozent der befragten Fachärzte stellen fest, dass sich die seelischen Leiden ihrer Patienten in diesem Jahr verstärkt haben. Das betreffe vor allem Symptome wie Nervosität, Erschöpfung und Antriebslosigkeit. „Wer ohnehin in Beziehungsproblemen oder Ehekrisen steckt, erlebt oft, dass sich die Konflikte mit zunehmendem Alltagsstress zuspitzen“, sagt Herold und warnt: „Es ist zu befürchten, dass Streitigkeiten auch gewalttätig ausgetragen werden.“

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