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Zwei Mädchen, eine davon mit Kopftuch, sitzen in einer Klasse und melden sich.

© Monika Skolimowska/dpa

Streit um Zuwanderer in der Schule: Wanka will Migrantenanteil pro Klasse begrenzen

"Bussing" für Schüler mit Migrationshintergrund, damit die Mischung in der Klasse stimmt? Für diesen Vorschlag wird Bildungsministerin Wanka scharf kritisiert.

Bildungsverbände und -politiker haben den Vorschlag von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) zurückgewiesen, die Zahl von Kindern mit Migrationshintergrund pro Klasse zu begrenzen. "Abstrus und illusorisch" nannte der Verband Bildung und Erzieherin (VBE) eine solche Quotierung. Wankas Idee würde bedeuten, bestehende Klassen in Stadtteilen mit einem hohen Anteil von Familien mit Zuwanderungsgeschichte aufzulösen. Die Kinder müssten dann mit Bussen auf andere Schulen verteilt werden, um bestimmte Quoten zu erreichen.

Das "Bussing" ist in vielen Ländern schon gescheitert

Ein solches "Bussing" sei rechtlich nicht möglich und in vielen Ländern bereits gescheitert, wendet Özcan Mutlu ein, bildungspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Er wirft Wanka vor, "die Realität in unserem Land" zu verkennen. Nicht die Kinder und Jugendlichen mit anderen Muttersprachen seien das Problem der deutschen Schulen, sondern die mangelnde personelle Ausstattung und Sprachförderung.

Wanka hatte dem „Focus“ gesagt: „Ich bin gegen eine starre Quote, denn die regionalen Unterschiede sind groß. Klar ist aber, dass der Anteil von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund möglichst ausgewogen sein muss.“ Es sollte keine Klassen geben, in denen der hohe Migrantenanteil dazu führe, dass Schüler untereinander vorwiegend in ihrer Muttersprache sprechen. Das erschwere die Integration.

Gymnasiallehrer sind für eine Quote von 35 Prozent

Der Deutsche Philologenverband begrüßte Wankas Initiative. Schulklassen mit einem Migrantenanteil von mehr als 35 Prozent führen laut Verbandschef Heinz-Peter Meidinger zu Leistungsabfall und Integrationsproblemen. Wanka und die Kultusministerkonferenz sollten sich „mit Vorgaben und einem Anreizsystem für Schulen und Schulämter“ um flexible Lösungen bemühen, sagte Meidinger. Er hatte die Forderung nach einer Quotierung schon 2015 anlässlich des Zustroms von Flüchtlingen nach Deutschland erhoben. Damals hatte Wanka erklärt, die Aufnahme der Flüchtlingskinder in die Schulen müsse niemandem Angst machen.

„Wir unterstützen den Vorschlag von Bildungsministerin Johanna Wanka und fordern die Länderminister auf, verbindliche Regelungen für die Klassenzusammensetzung zu schaffen, damit Integration für alle besser gelingen kann“, erklärte auch der „Integrations- und Islam-Beraterkreis“ um die rheinland-pfälzische CDU-Fraktionsvorsitzende Julia Klöckner.

Berater-Kreis: Es kommt auf das richtige Maß an

Vielfalt könne bereichernd sein, aber es komme auf das richtige Maß an. „Wenn sich einheimische Kinder in der eigenen Klasse fremd fühlen, dann ist das kein gedeihlicher Zustand“, erklärte der Kreis, dem neben Klöckner die Soziologin Necla Kelek, die Journalistin Düzen Tekkal und der Islamismus-Experte Ahmad Mansour angehören.

Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) erteilte der Quotierung eine Absage. Dass sich Familien mit Migrationshintergrund vermehrt in bestimmten Regionen ansiedeln, sei bundesweit "ein normaler Prozess", der durchaus seine Herausforderung für Politik und Schulen darstelle. Die Kinder und Jugendlichen müssten aber dort in die Schule gehen können, wo sie wohnen. Auf Schülerinnen und Schüler mit Sprachförderbedarf hätten die Länder mit mehr Lehrerwochenstunden und mehr Geld für Sprachfördermaßnahmen zu reagieren.

Zu Hause Deutsch sprechen? Das ist nicht immer ideal

Hubig widerspricht auch Wankas Forderung, Eltern aus Migrationsfamilien sollten zu Hause mit ihren Deutsch sprechen. Das sei in vielen Fällen kontraproduktiv, wenn die Kinder etwa durch Sprachunsicherheiten ihrer Eltern verwirrt würden. Wichtiger sei es, in Kitas und Schulen von Anfang Kontakt zu deutschen Muttersprachlern zu ermöglichen - möglichst in der Ganztagsbetreuung.

So würden die Kinder und Jugendlichen zusammen mit ihren deutschen Freunden Deutsch lernen und zusätzlich gefördert werden. Sprachwissenschaftlerinnen und Deutsch-Didaktiker weisen die These, zu Hause müsse Deutsch gesprochen werden, schon lange zurück. Familiensprachen seien wichtig für die Identität des Kindes und für die Eltern-Kind-Beziehung, sagen Verfechter der Mehrsprachigkeit.

Özcan Mutlu fordert eine "Bildungsoffensive" für alle Schülerinnen und Schüler - mit einem neuen Ganztagsschulprogramm, mehr Sprachförderung und Fortbildung für die Lehrkräfte. Damit der Bund dies mitfinanzieren könne, müsse das Kooperationsverbot auch im Bildungsbereich aufgehoben werden. Der Verband Bildung und Erziehung plädiert außerdem für eine neue Wohnungspolitik, die zu einer besseren sozialen Mischung in den Stadtteilen führt. (mit dpa)

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