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Die Humboldt-Universität.

© Doris Spiekermann-Klaas

Streit um unbefristete PostDoc-Stellen: Das neue Berliner Hochschulgesetz ist ein Etikettenschwindel

Das rot-rot-grüne Hochschulgesetz widerspricht nachhaltiger Wissenschaftspolitik. Die Unis werden damit vor unlösbare Aufgaben gestellt. Ein Gastbeitrag,

Adrian Grasse ist forschungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.

Kurz vor dem Ende der 18. Legislaturperiode des Abgeordnetenhauses hat der rot-rot-grüne Senat in einem fragwürdigen parlamentarischen Verfahren eine umfassende Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes beschlossen. In der Folge entbrannte eine hitzige Debatte sowohl über die Umsetzbarkeit als auch über die Auswirkungen der Neuregelungen für den Hochschul- und Wissenschaftsstandort.

Den vorläufigen Höhepunkt markierte die Ankündigung von Sabine Kunst, zum Ende des Jahres von ihrem Amt als Präsidentin der Humboldt-Universität zurückzutreten. Ihr Entschluss, den sie mit der „schlecht gemachten“ BerlHG-Novelle begründete, verdient Respekt.

Das muss ein Weckruf sein

Doch er sollte von den politisch Verantwortlichen auch als Weckruf verstanden werden. Während andere Bundesländer sich für eine gesetzliche Stärkung der Eigenverantwortung, Profilbildung und Autonomie ihrer Hochschulen einsetzen, hat der Berliner Senat den entgegengesetzten Weg eingeschlagen.

Der Versuch, durch eine landesgesetzliche Regelung auf die Ausgestaltung von Beschäftigungsverhältnissen im akademischen Mittelbau einzuwirken und den Hochschulen auf diese Weise einen umfassenden Transformationsprozess aufzuzwingen, wird sich einer verfassungsrechtlichen Prüfung erst noch stellen müssen. Ein Rechtsgutachten hat erst kürzlich auf die fehlende Gesetzgebungskompetenz des Landes verwiesen. Entzündet hat sich die Debatte am Paragrafen 110 Absatz 6 Satz 2, der den Hochschulen von nun an vorschreibt, allen promovierten Nachwuchswissenschaftlern auf Qualifikationsstellen eine Anschlusszusage zu machen – ohne Übergangsregelung und Finanzierungsgrundlage.

Nur auf den ersten Blick ein Gewinn für den akademischen Nachwuchs

Das Versprechen einer flächendeckenden Entfristung von Post-Doc-Beschäftigungsverhältnissen scheint nur auf den ersten Blick ein Gewinn für den akademischen Nachwuchs zu sein. Es wird in der Regel gern von denjenigen bemüht, die sich als Verfechter einer vermeintlich nachhaltigen und gerechten Personalpolitik sehen, sich jedoch offenbar weder der langfristigen Konsequenzen für unseren Wissenschaftsstandort bewusst noch für die praktische Umsetzbarkeit verantwortlich sind.

Der Autor: Adrian Grasse, Wissenschaftsexperte der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus.
Der Autor: Adrian Grasse, Wissenschaftsexperte der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus.

© Hannes Heine

Bedauerlich ist, dass die von den Hochschulen geäußerte Kritik an der Novelle nicht als das verstanden wird, was sie eigentlich ist: der notwendige Hinweis darauf, dass die vorgesehenen Regelungen unter den derzeitigen Rahmenbedingungen mittel- und langfristig zu einer dramatischen Reduzierung von Stellen für den wissenschaftlichen Nachwuchs führen würden. Da die Umsetzung der BerlHG-Novelle finanzierungsneutral erfolgen soll, kann eine Entfristung (und damit dauerhafte Besetzung) von Stellen nur mit Einsparungen in anderen Bereichen finanziert werden. Dies geht zu Lasten der Doktorandenstellen, der Digitalisierung und der Qualität in der Lehre.

Das neue Berliner Hochschulgesetz ist in seiner vorliegenden Fassung weder rechtssicher noch generationengerecht. Denn diejenigen, die derzeit im System sind und von nun an von den Dauerstellen profitieren, versperren denjenigen den Weg, die nachrücken wollen. Für sie wird es absehbar keine Qualifikationsstellen mehr geben.

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Der Wunsch jedes einzelnen nach Verlässlichkeit und langfristigen Perspektiven in der Lebens- und Berufsplanung ist nachvollziehbar. Er darf aber nicht losgelöst von der Rolle betrachtet werden, die unseren Hochschulen im Wissenschaftssystem, aber auch gesamtgesellschaftlich zukommt. Wie keine andere Institution tragen sie zur Heranbildung und Förderung wissenschaftlichen Nachwuchses bei und garantieren darüber hinaus den Transfer von Wissen in die Gesellschaft. Es muss ihr Anspruch bleiben, auch zukünftig attraktive Karrierewege für die weltweit besten Köpfe anzubieten. Mit dem neuen Hochschulgesetz wird es jedoch für Jahre keine Perspektiven mehr für künftige Nachwuchswissenschaftler geben.

Die Entwicklung an allen Hochschulen ist positiv

Die Berliner Hochschulen haben in den zurückliegenden Jahren bewiesen, dass sie sich ihrer Verantwortung als Arbeitgeber bewusst sind. Sie haben sich bereits in den Hochschulverträgen 2018 – 2022 dazu verpflichtet, die Zahl unbefristeter Beschäftigter im Mittelbau deutlich zu erhöhen und im Vertragszeitraum eine Quote von 35 Prozent an Dauerstellen zu erreichen. Die Entwicklung der Absolutzahlen ist an allen Hochschulen positiv.

Diese vertragliche Vereinbarung eines maßvollen Aufwuchses nun durch einen Zwang zur flächendeckenden Entfristung quasi aufzukündigen, ist absolut nicht nachvollziehbar. Was wir wirklich benötigen, ist eine ausbalancierte Lösung. Sie darf nicht zu einer zementierten Personalstruktur führen, die zukünftigen wissenschaftlichen Talenten Qualifizierungs- und Beschäftigungsperspektiven nimmt.

Eine Entscheidung zu Lasten künftiger Generationen

Politische Entscheidungen zu Lasten künftiger Generationen sind nicht nur kurzsichtig, sondern auch verantwortungslos. Die Ablehnung des Gesetzes durch die Hochschulen ist die nüchterne Feststellung, dass die Ressourcen des Systems endlich sind. Es ist wohlfeil, den massiven Ausbau unbefristeter Beschäftigungsverhältnisse zu fordern, ohne gleichzeitig auch einen Plan für die Umsetzung zu liefern und zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen.

Das neue Berliner Hochschulgesetz ist ein Etikettenschwindel. Es wird nicht zu einer Stärkung der Berliner Wissenschaft zu führen, sondern die Wettbewerbsfähigkeit des Hochschulstandortes erheblich gefährden. Unbefristete Stellen mögen attraktiv sein – aber nur für diejenigen, die jetzt von ihnen profitieren. Langfristig lässt sich eine flächendeckende Entfristung von Post-Doc-Stellen an unseren Hochschulen mit einer auch auf zukünftige Generationen ausgerichteten Wissenschaftspolitik nicht vereinbaren.

Adrian Grasse

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