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Fracking, nein danke! Umweltschützer halten eine symbolische Giftspritze. Sie protestieren gegen den Einsatz von Chemikalien in Fracfluiden. Diese Zusatzstoffe dürfen laut Gesetzentwurf allenfalls schwach wassergefährdend sein.

© Wolfgang Kumm/dpa

Streit um Sicherheit von Fracking: Mit der Giftspritze

Fracking ist keine "Hochrisiko-Technologie", wie Umweltgruppen behaupten. Doch sachliche Argumente habe es in der Debatte schwer, wie auch die geplatzte Einigung zum Fracking-Gesetz zeigt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ralf Nestler

Glück gehabt. 32 Grad sollen es am Freitag werden – kein gutes Wetter, um in einen dichten Schutzanzug zu steigen und unter der gleißenden Sonne zu schmoren. Die Aktivisten hätten es wohl auf sich genommen, für ihren Protest gegen die Regelungen zum Thema Fracking, über die der Bundestag an diesem Tag abstimmen sollte.

Der Hitzekoller bleibt ihnen erspart, denn die Entscheidung wurde vertagt. Die Koalitionsparteien können sich nicht einigen. Das ist nicht zuletzt den Umweltgruppen zu verdanken, die seit Jahren gegen die Förderung von Erdgas aus Schiefergestein und anderen „unkonventionellen Lagerstätten“ protestieren. Wahlweise mit einem Bohrgerät oder einer riesigen Giftspritze malträtieren sie symbolisch Mutter Erde, um darauf aufmerksam zu machen, wie gefährlich das Verfahren aus ihrer Sicht ist. Knallorange Anzüge, Atemschutzmasken, dicker Bohrer – solche Requisiten kommen gut an. TV-Kameraleute und Fotojournalisten nutzen solche Gelegenheiten gern: Endlich mal was anderes als die Mutti-Raute.

Die US-Umweltschutzbehörde kann keine weitreichenden Verschmutzungen erkennen

Ihre Bilder sind mitverantwortlich für die vielfach ablehnende Haltung der Bevölkerung und auch der Abgeordneten zum Fracking. Die massiven Kampagnen und nicht zuletzt der Film „Gasland“ mit dem berühmten brennenden Wasserhahn taten das Übrige. Zu Recht, denn die freie Meinungsäußerung, die offene Diskussion von strittigen Themen machen die Demokratie so erstrebenswert. Allerdings gehört dazu auch, die Argumente der anderen zu hören, sie gegen die eigenen abzuwägen.

Bei nüchterner Betrachtung zeigt sich, dass Fracking so teuflisch nicht ist. Die amerikanische Umweltschutzbehörde EPA veröffentlichte erst kürzlich eine groß angelegte Untersuchung, in der es um Gefahren für das Grundwasser ging. Unbestritten kam es in Einzelfällen zu Verschmutzungen, etwa weil die Bohrlöcher nicht richtig abgedichtet waren. Gemessen an der Vielzahl der Bohrungen seien die Schäden jedoch gering. Von einer weitverbreiteten, systematischen Verunreinigung des Grundwassers könne keine Rede sein, lautet das Fazit der EPA. Und das in einem Land, in dem Umweltvorschriften teilweise schwächer sind als in Deutschland.

"Gasland" wird von den öffentlich-rechtlichen Sendern nicht mehr gezeigt

Auch hierzulande haben sich verschiedene Expertengremien mit dem Verfahren befasst. Sie meinen, Fracking sei beherrschbar, wenn man den Untergrund vorab solide erkundet und ein paar Regeln beachtet. Zu diesem Ergebnis kam erst jüngst wieder eine Arbeitsgruppe der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech).

Selbst beim Öko-Sender Arte hat man unterdessen festgestellt, dass bei „Gasland“ nicht alles mit rechten Dingen zugeht und bewusst irreführende Darstellungen genutzt wurden. Wie zum Beispiel der Wasserhahn, aus dem angeblich nach Fracking-Aktivitäten brennbares Gas strömte: Tatsächlich gibt es in manchen Grundwasserschichten natürlich vorkommendes Methan, das zu dem gezeigten Phänomen führen kann. Jedenfalls haben die öffentlich- rechtlichen Anstalten im Januar mitgeteilt, die „Dokumentation“ nicht mehr auszustrahlen.

Kein Fracking in Deutschland - aber potenziellen Lieferländern muten wir es zu?

Nach jahrelangen Debatten und allerhand Analysen wächst die Erkenntnis: Ein Verbot des Verfahrens, das Grüne und Linke fordern und manche aus den übrigen Fraktionen mehr oder weniger offen wünschen, ist wissenschaftlich nicht zu begründen. Es ist sogar ausgesprochen widersprüchlich. Rund ein Zehntel des Erdgases, das wir verbrauchen, wird aus heimischen Quellen gefördert. Tendenz fallend. Woher soll der Rest kommen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten? Das gefährliche Fracking werden wir den Bewohnern anderer Länder doch nicht zumuten wollen, oder?

Die Regierungskoalition gibt sich etwas offener, streitet aber um Details, vor allem über die Expertenkommission. Diese sechs Leute, etwa vom Umweltbundesamt und geowissenschaftlichen Behörden, sollen die ersten wissenschaftlichen Tests begleiten und regelmäßig berichten. Auf dieser Basis sollen sie später auch eine Empfehlung über mögliche kommerzielle Bohrungen abgeben. Eine gute Idee, schließlich sind das Leute vom Fach. Die Genehmigung erteilen am Ende jedoch Landesbehörden und nicht die Experten.

Trotzdem will die SPD, dass im Zweifel erneut das Parlament dazu befragt wird. Offensichtlich kriegt sie die Bilder mit der Giftspritze nicht aus dem Kopf.

Eine gute Zusammenfassung zum Inhalt des Regelungspakets zum Thema Fracking gibt es beim Bundesumweltministerium.

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