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Passantinnen vor dem historischen Gebäude der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin.

© Kitty Kleist-Heinrich

Streit um Inzidenz 165 für die Unis: Der Bund soll die Hochschulbremse zurücknehmen

Berlin hat eigene Pläne, wie Praxisformate an Unis bei hohen Inzidenzen erhalten bleiben. Berliner Jurastudierende wollen sich in die Bibliothek einklagen.

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Die Senatskanzlei Wissenschaft sieht die wenigen Präsenzformate, die trotz der pandemiebedingten Schließung der Hochschulen noch möglich sind, nicht durch die Bundesnotbremse gefährdet. Dafür werde es in der neuen, ab 1. Mai geltenden Berliner Infektionsschutzverordnung eine Formulierung geben, hieß es am Mittwoch auf Anfrage.

Wie berichtet wehren sich die Wissenschaftsminister:innen gegen das Bundesgesetz, das parallel zu den Schulen Präsenz-„Unterricht“ an den Hochschulen ab einer Inzidenz von 165 untersagt. Nach Auffassung der Ministerrunde – und auch der Senatskanzlei – sind Laborpraktika, Praxisformate in der Medizin und Übungen an Kunsthochschulen kein Unterricht. Reguläre Lehrveranstaltungen seien ja bereits komplett durch digitale Formate ersetzt worden.

Berlin sichere die Präsenz-Ausnahmen jetzt zusätzlich mit einer Teststrategie für Studierende und Lehrende ab, sagte ein Sprecher.

Hochschulrektoren: Ein "Unfall", den der Bund reparieren muss

Während Berlin dies wie angekündigt in der Landesverordnung verankern will, setzt die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) auf eine ergänzende Verordnung zum Bundesgesetz, um die verbliebenen Praxisformate als Ausnahmen zu bestätigen. HRK-Chef Peter-André Alt, der von der Mitgliederversammlung am Dienstag für weitere vier Jahre im Amt bestätigt wurde, nannte die Gleichstellung der Hochschulen mit den Schulen einen „Unfall“, der repariert werden müsse. Dafür gebe es deutliche Signale aus den beteiligten Bundesministerien.

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Alt bekräftigte Pläne für ein Hybridsemester ab dem Herbst dieses Jahres mit einem Präsenzangebot an alle Studierenden an mindestens zwei Tagen pro Woche. Dabei sei es sehr wahrscheinlich, dass bis September/Oktober nicht alle Studierenden gegen Corona geimpft sind. Deshalb müssten die bestehenden Testverfahren an den Hochschulen zum Wintersemester „noch einmal intensiviert werden“.

Damit kämen aber erhebliche Kosten auf die Hochschulen zu. Gegenwärtig wären es etwa für eine einmalige Testung von 8000 Studierenden rund 30 000 Euro sagte Alt. Das könnten die Unis nur mit zusätzlicher Unterstützung der Länder stemmen.

Unterdessen verlangen drei Jurastudierende der Humboldt-Universität per Eilantrag die Öffnung ihrer Bibliothek, weil sie sich aufs Examen vorbereiten müssen. Insbesondere fühlen sie sich gegenüber Schwerpunktstudenten benachteiligt.

Jurist: Bibliotheksschließungen nicht mehr verhältnismäßig

In der ersten Instanz vor dem Verwaltungsgericht unterlagen die Antragsteller bereits. Nun ziehen sie vor das Oberverwaltungsgericht. Der Hintergrund: Die Corona-Verordnung des Senats verbietet die Öffnung der Unis und ihrer Bibliotheken (abgesehen von der gegenwärtig möglichen Ausleihe und Rückgabe von Büchern), sieht aber Ausnahmen etwa für Prüfungen vor.

Die HU gewährt darüber hinaus Schwerpunktstudenten im 5. und 6. Semester zur Anfertigung ihrer Studienarbeit Zugang zur Bibliothek mit dem Argument, die Arbeit sei eine „konkrete Prüfungssituation“ nach Paragraph 13 der Infektionsschutzverordnung.

Das sehen die Uni und auch das Verwaltungsgericht bei Studierenden, die sich auf das Examen vorbereiten, anders. Sie zählten nicht als „Prüflinge“, da sie nur lernen, nicht aber die konkrete Prüfungsleistung in der Bibliothek erbringen. Zudem könnten sie ihr Material auch online finden.

Dem widerspricht Ingo Valldorf von der Kanzlei Gansel, der die Jurastudierenden vertritt: „Aus unserer Sicht gibt es eine ganze Reihe von Gründen, warum die Bibliotheksschließungen im zweiten Jahr der Corona-Krise nicht mehr pauschal zu rechtfertigen sind und warum die Ausnahmeregelung für Schwerpunktstudierende jeder vernünftigen Grundlage entbehrt.“

Da es Hygienekonzepte gebe, sei eine andauernde Schließung der Bibliotheken nicht mehr verhältnismäßig. Etwa in Potsdam und Frankfurt (Oder) seien die Bibliotheken auch für den Publikumsverkehr geöffnet, so dass Jurastudenten sich dort vorbereiten könnten. In Berlin könnten sie das nicht und erlitten daher einen Wettbewerbsnachteil, denn die zu schreibenden Klausuren seien identisch.

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