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Sascha Spoun, Präsident der Leuphana-Universität und designierter Präsident der Universität Göttingen.

© imago/Lars Berg

Streit um gewählten Präsidenten Sascha Spoun: Exzellenzfrage spaltet die Uni Göttingen

Das Exzellenz-Aus brachte die Uni Göttingen 2018 ins Trudeln. Jetzt geht die Präsidentin früher und der neue Uni-Chef wird scharf angegriffen.

Zu welchen Verwerfungen der Exzellenzwettbewerb bei den Verliererinnen führen kann, zeigt derzeit das Beispiel der Uni Göttingen. 2007 bis 2012 trug die niedersächsische Traditionsuniversität den Elitetitel, verlor ihn dann – und wollte sich die Krone in der neuen Exzellenzstrategie zurückholen. Doch Göttingen brachte vor einem Jahr nur einen Cluster durch und konnte sich damit nicht mehr um die Förderung als ganze Uni bewerben.

Präsidentin Ulrike Beisiegel, 2011 gewählt und 2015 für eine zweite Amtszeit ab 2017 bis 2024 bestätigt, zog daraus persönliche Konsequenzen. Nach der Clusterentscheidung gab sie bekannt, Anfang 2020 vorzeitig in den Ruhestand zu gehen. Dem akademischen Senat reichte das nicht, sie solle bereits zum 1. Oktober 2019 den Weg freimachen, forderte das Gremium. Beisiegel blieb bei ihrem Zeitplan, zunächst gestützt vom Vorsitzenden des Stiftungsrats der Uni, Wilhelm Krull, der noch bis Ende des Jahres Generalsekretär der Volkswagen-Stiftung ist.

Ulrike Beisiegel verlor die Rückendeckung

Öffentlich wollte der renommierten Biochemikerin und ersten Frau an der Spitze der 1737 gegründeten Uni niemand die Alleinschuld an der Exzellenzpleite geben. Vielmehr hieß es, Beisiegel sei zu verdanken, dass sie die Außenwirkung der Uni mit einer Wissenschaftsnacht, einem Innovations-Campus und Plänen für ein Göttinger Wissensmuseum verbessert habe.

Unterdessen begann die Suche nach einer Nachfolge – mithilfe einer Findungskommission. Beraten wurde sie von einem anderen niedersächsischen Unichef: dem Wirtschaftswissenschaftler Sascha Spoun, seit 2006 Präsident der Leuphana in Lüneburg und dort im Januar 2019 für acht Jahre wiedergewählt. Der heute 50-jährige Spoun galt als Hochschulreformator, weil er früh ein Orientierungsstudium einführte und das Image der kleinen „Leuphana“ insgesamt aufpolierte. Starke Kritik rief allerdings eine Kostenexplosion beim Bau des 2017 eröffneten neuen Zentralgebäudes der Hochschule hervor.

Erst Berater der Findungskommission, dann einziger Kandidat

Bei der Göttinger Präsidentenwahl im Juni war Findungs-Berater Spoun dann überraschend der einzige Kandidat. Seine Nominierung wurde begleitet von Professoren-Protesten. Sie forderten vergeblich eine universitätsöffentliche Anhörung. Auch nach der am 20. Juni erfolgten einstimmigen Wahl Spouns zum Präsidenten legte sich der Protest nicht. Vor einer Woche forderten 49 Professorinnen und Professoren den Rücktritt Krulls – wegen des „illegitimen“ Auswahlverfahrens. Spoun habe sich als „Berater“ durch interne Einsichten einen Vorteil bei seiner Kandidatur verschafft. Dabei sei er nicht, wie in der Ausschreibung verlangt, „ein international ausgewiesener Wissenschaftler“, sondern „forschungsfern“, habe lediglich eine Gastprofessur inne und sei auch als Hochschulmanager „höchst umstritten“.

Nach einem Bericht des „Göttinger Tageblatts“ vom 19. Juli, dem Tag der Exzellenzentscheidung, wendet Senatssprecherin Yasemin Boztug ein, Spoun habe als Leuphana-Präsident wenig Zeit für wissenschaftliche Veröffentlichungen. Zum Auswahlverfahren hatte die Uni schon vorher erklärt: Was Spoun noch als Berater der Findungskommission über die künftige strategische Ausrichtung der Uni vorgetragen habe, sei so beeindruckend gewesen, dass man ihn zur Kandidatur aufgefordert habe.

Die Universität für erneuten Kraftakt motivieren

Krull wird überdies vorgeworfen, er habe die von ihm einst ins Amt gehobene Beisiegel „fallen gelassen“. Tatsächlich hatte die Präsidentin am 18. Juli erklärt, bereits zum 1. Oktober in den vorzeitigen Ruhestand zu gehen, um der neuen Unileitung „schnellstmöglich die Gelegenheit zu geben, sich mit einem eigenen, neuen Konzept für die Weiterentwicklung der Universität auf den Weg zu machen“.

Laut „Hessische Niedersächsische Allgemeine“ soll es vorher zu einem „offenen Vertrauensentzug“ durch die Gremien gekommen sein. Krull bestreitet dies. Die schwierige Situation der Uni werde durch den vorzeitigen Ruhestand Beisiegels vielmehr noch verschärft, zitiert ihn das „Göttinger Tageblatt“. Aus Krulls Sicht sei Sascha Spoun am besten geeignet, Göttingen in den nächsten Anlauf auf den Titel Exzellenzuniversität zu führen. Um die ganze Universität für diesen Kraftakt zu motivieren, muss er sie allerdings zuerst von sich überzeugen.

In seiner Wahlrede am 20. Juni hat Spoun schon gezeigt, wie er sich das vorstellt: "Wie man über Göttingen redet, hängt primär von der Hingabe, Akribie, Kreativität und Innovationskraft ab, die der akademischen Gemeinschaft innewohnt", sagte Spoun dem veröffentlichten Redemanuskript zufolge. Er selber könne sich "nur mit aller Kraft und Leidenschaft dafür einsetzen", dass sich die Qualitäten der Forschenden, Lehrenden und Studierenden "zum Wohle des Ganzen bestmöglich entfalten können".

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