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Planeten-Geburt. Die warme Staubscheibe rund um den jungen Stern TYC 8241 2652 ist plötzlich nicht mehr zu sehen.Foto: Gemini Observatory/Lynette Cook

© dapd

Wissen: Sternenstaub verschwand rasant

Wissenschaftler vermuten, dass Planeten erheblich schneller entstehen als bislang angenommen.

Von Rainer Kayser, dpa

So etwas haben die Astronomen noch nicht gesehen: Innerhalb von zwei Jahren ist die Staubscheibe um einen jungen, 456 Lichtjahre entfernten Stern verschwunden. Das zeigen Beobachtungen eines amerikanisch-australischen Forscherteams. Ein solcher Vorgang, der mit der Entstehung von Planeten im Zusammenhang steht, sollte nach theoretischen Vorhersagen Hunderttausende oder gar Millionen von Jahren dauern. Eine befriedigende physikalische Erklärung gibt es für das rasante Verschwinden des Staubs nicht, schreiben die Astrophysiker im Fachblatt „Nature“. Möglicherweise entstehen Planeten erheblich schneller, als bislang angenommen.

„So etwas wurde niemals zuvor beobachtet und auch nicht vorhergesagt“, sagt Inseok Song von der Universität von Georgia im amerikanischen Athens. „Wir müssen noch viel über die Geburt von Planeten lernen.“ Der von Song und seinen Kollegen analysierte Stern mit der Katalogbezeichnung TYC 8241 2652 1 ist gerade einmal zehn Millionen Jahre alt – ein Alter, in dem die Planetenentstehung ihren Höhepunkt durchlaufen sollte. Zum Vergleich: Unsere Sonne ist 4,5 Milliarden Jahre alt.

Nach den Modellen der Astronomen entstehen aus Staubkörnchen, die in einer Scheibe um einen jungen Stern kreisen, nach und nach größere Himmelskörper. Sind diese groß genug, so ziehen sie mit ihrer Schwerkraft den noch übrig gebliebenen Staub an und reinigen so quasi ihre Umgebung. Umgekehrt erzeugt die Kollision von solchen Planetenembryos aber auch wieder neuen Staub. In einer Art Kettenreaktion können die dabei entstehenden Trümmerstücke immer wieder miteinander zusammenstoßen und so zu feinem Staub zermahlen werden - und die Strahlung des Sterns kann diesen feinen Staub dann aus dem jungen System herausblasen.

Song und seine Kollegen haben die Staubscheibe um TYC 8241 anhand von bereits 1983 aufgenommenen Bildern des Infrarot-Satelliten IRAS entdeckt. Der Staub absorbiert einen Teil der Strahlung des jungen Sterns, erwärmt sich dadurch auf 180 Grad Celsius und sendet die aufgenommene Energie dann als Wärme- oder Infrarotstrahlung wieder ab. Beobachtungen mit dem Gemini-Süd-Teleskop in Chile im Jahr 2008 zeigten zunächst – wie erwartet – die gleiche Infrarotstrahlung wie 1983. Doch acht Monate später bot sich ein dramatisch verändertes Bild: Die Wärmestrahlung war um nahezu zwei Drittel abgefallen. Und 2010 war schließlich kaum noch Wärmestrahlung nachweisbar – der Staub um TYC 8241 war fast vollständig verschwunden.

Die Astrophysiker sehen zwei mögliche Erklärungen für diese rasante Entwicklung: Entweder die Entstehung von Planeten verläuft wesentlich schneller und effizienter als erwartet. Oder nach einer Kollisionskaskade bläst die Strahlung des Sterns den Staub viel schneller aus dem System, als bislang angenommen. Beide Hypothesen lassen sich nicht ohne Weiteres mit den derzeitigen Modellen der Planetenentstehung in Einklang bringen. Song und seine Kollegen sind möglicherweise auf eine Phase der Planetenentstehung gestoßen, die derart rasch verläuft, dass sie Astronomen bislang entgangen ist. „Zwar sind die genauen Umstände noch unklar“, fassen die Forscher zusammen. „Doch in diesem System ist es eindeutig zu einem einschneidenden Ereignis gekommen. Dieses Ereignis verspricht uns einzigartige Einsichten in den Prozess, durch den felsige Planeten entstehen.“ Rainer Kayser

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