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Viele Landkreise korrigieren ihre Coronavirus-Fallzahlen nachträglich nach unten – aus verschiedenen Gründen. -

© Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

Statistiken zum Coronavirus: Warum in München plötzlich 400 Corona-Fälle verschwanden

München korrigiert seine Fallzahlen massiv nach unten. Wieso das zu Lücken in der Statistik führt. 

Immer wieder müssen Gesundheitsbehörden ihre Daten zu Coronavirus-Fällen korrigieren. Nun hat die Stadt München ihre Zahlen korrigiert – und auf einmal 400 Coronavirus-Fälle weniger. Anstelle der am 5. Juni gemeldeten 6932 Fälle sind es nun 6564 (Stand 10. Juni). Eine so hohe Korrektur hatte es in den vergangenen Monaten bisher noch nicht gegeben. 

400 Infizierte, das sind ungefähr so viele, wie es aktuell Neuinfizierte pro Tag in Deutschland gibt, die nun in der Statistik fehlen. Die Stadt München begründet diese Anpassungen mit einem Software-Update. 

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„Die Korrektur der Zahlen resultiert aus einem bundesweiten Update der Meldesoftware der Gesundheitsbehörden, um die Corona-Fallzahlen in einer vom Robert Koch-Institut neu eingeführten, eigenen Fallkategorie „COVID-19“ erfassen und übermitteln zu können“, heißt es aus der bayerischen Landeshauptstadt.

Anders gesagt: Weil in der neuen Software nur Fälle aufgenommen werden, die auch positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden, fallen die sogenannten epidemiologischen Fälle nun heraus. Das sind Erkrankte, die zwar alle Symptome von Covid-19 vorweisen und Kontakt zu einer bestätigt infizierten Person hatten, aber nicht getestet wurden. Solche Fälle waren unter den 400, die nun verschwunden sind. Andere verschwunden Fälle sind nach Angaben der Behörde „bisherige Doppelerfassungen bei unterschiedlichen Wohnsitzen". Auch Umzüge von Asylbewerbern seien berücksichtigt worden

Das RKI weiß von nichts

Beim Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Bayern (LGL) bestätigt man diese Maßnahme und sieht in der unterschiedlichen Erfassung einen Grund für die hohe Korrektur. „Wenn ein Gesundheitsamt nun auch Fälle berichtet hat, die nicht der Referenzdefinition entsprechen (z. B. klinisch-epidemiologische Fälle), kann dies auch ein Grund für abweichende Fallzahlen sein“, heißt es auf Anfrage. Dort heißt es außerdem: „Aufgrund der fortlaufenden Datenbereinigung im Zuge der Umstellung auf die Meldekategorie COVID-19 kann es auch in anderen Landkreisen vereinzelt zu negativen Fallzahlen kommen.“ Die Landkreise erfassen also Erkrankte, die die Landesbehörde zählt. 

Beim RKI ist der Rückgang der Fallzahlen in München nicht nachvollziehbar. Möglicherweise genau deshalb, weil die Bundesbehörde nur „laborbestätigte COVID-19-Fälle mit einem direkten SARS-CoV-2-Erregernachweis als bestätigte Fälle“ zählt. Mit der Software-Umstellung soll sichergestellt werden, dass nach Prüfung nur noch diese Fälle gezählt werden. 

Die Lücke in der Statistik

Dabei gelten nach eigener Definition des RKI auch Menschen ohne Test als infiziert. So steht es in der Falldefinition des RKIs. Darin spricht das RKI zum einen von einem labordiagnostischen Nachweis, also der Bestätigung durch einen Test. Außerdem genannt wird der epidemiologische Nachweis. 

Dazu zählen etwa Kontaktpersonen von Erkrankten, die entsprechend Symptome vorweisen. Oder wenn in medizinischen Einrichtungen oder Altenheim mehr als zwei Fälle mit Lungenentzündung auftreten. Auch sie gelten als infiziert. Auch sie sind meldepflichtig. In der Statistik des Instituts tauchen sie bisher nicht auf. Im April erklärte das RKI dazu: „Eine weitere Auswertung der klinisch-epidemiologisch bestätigten Fälle wird derzeit vorbereitet, zum jetzigen Zeitpunkt liegen noch nicht ausreichend valide Daten vor." Auf eine erneute Anfrage zu diesem Thema hat das RKI bisher nicht reagiert. 

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Die Nicht-Gezählten

Das Problem zwischen der Differenz zwischen den Zahlen des RKI und den Landkreisen ist nicht neu. Denn nicht nur München, auch andere Landkreise melden diese ohne Test bestätigten Infizierten in ihren offiziellen Statistiken. Erst Mitte April hatten zahlreiche Landkreise in Nordrhein-Westfalen ihre Zahlen nach unten korrigiert, nachdem das Landesministerium beschlossen hatte, die Datenerfassungen in allen Landkreisen einheitlich zu gestalten. Da betraf das in einigen Landkreisen jeden vierten bis fünften Fall. 

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Der Landkreis Mettmann etwa korrigierte im April seine Fallzahlen um 216 nach unten. "Uns wäre es bedeutend lieber gewesen, bei unserer differenzierten Darstellung bleiben zu dürfen", erklärt Gesundheitsamtsleiter Dr. Rudolf Lange. "Die aus dem epidemiologischen Zusammenhang eindeutig diagnostizierten Fälle aus der Betrachtung herauszunehmen, blendet deren Existenz aus bzw. verbannt sie in den Dunkelzifferbereich." 

Bisher ist völlig unklar, wie viele Infizierte so in der Statistik gar nicht erfasst wurden. Denn oft wird erst klar, inwiefern epidemiologische Fälle mitgezählt wurden, wenn die Landkreise ihre Fallzahlen nach unten korrigieren müssen. Mehr als 600 Fälle sind so sicher schon aus den offiziellen Zahlen geflogen, etwa so viele, wie es im bayerischen Landkreis Landshuth insgesamt gab. Wie viele es noch werden können – ebenfalls unklar. Laut RKI ist die Sache simpel: Wer nicht getestet wurde, gilt offiziell als nicht erkrankt.  

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