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Die Hochschulen mussten binnen kurzer Zeit auf digitalen Lehrbetrieb umstellen.

© Sebastian Gollnow/dpa

Start ins digitale Sommersemester: Berliner Unis wollen acht von zehn Veranstaltungen online anbieten

Die Berliner Hochschulen können nach eigenen Angaben mehr als 80 Prozent ihrer Lehrveranstaltungen digital anbieten - bitten Erstsemester dennoch um Geduld.

FU-Präsident Günter M. Ziegler nennt es „Kreativsemester“, HU-Präsidentin Sabine Kunst „Experimentiersemester“. Damit appellieren die Hochschulleitungen an ihre Lehrenden und Studierenden, das Sommersemester wegen der Corona-Krise nicht ausfallen zu lassen, sondern es mit digitalen Formaten zu stemmen - auch wenn es viel spontane Kreativität und Experimentierfreude erfordert.

Und tatsächlich sehen sich die Hochschulen in der Lage, einen Großteil ihrer Vorlesungen und Seminare online anzubieten, wenn an diesem Montag das Sommersemester startet. Das ergibt eine aktuelle Abfrage des Tagesspiegels.

"Viel mehr als erwartet", sagt die HU-Präsidentin

So spricht die Humboldt-Universität davon, mehr als 80 Prozent des regulär für das Sommersemester vorgesehen Angebots digital bereitzustellen. „Es ist fantastisch, was alles funktioniert“, sagt Präsidentin Sabine Kunst: „Es ist viel mehr als ich erwartet habe“. Sie spricht von einem „Kraftakt“, der bei vielen Universitätsangehörigen zu „hohen Belastungen" führe.

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Einige HU-Institute haben sogar ihr komplettes Lehrangebot ins Netz verlegt: Dazu gehört die öffentlich immer wieder stark diskutierte Islamische Theologie, die Katholische Theologie und die Sprachbildung der Professional School of Education, in der die Lehramtsstudierenden ausgebildet werden.

Laborpraktika sind nicht einfach zu ersetzen

Von universitätsweit 80 bis 90 Prozent geht die Technische Universität aus. Hier schwankt das Angebot ebenfalls je nach Fachbereich: Für Mathematik sind es 90 Prozent, für den Quereinstiegsmaster zum Lehramt 100 Prozent des Lehrangebots.

Unsere Berichte zur Corona-Lage an den Hochschulen

In der Chemie können Studierende dagegen nur 60 bis 70 Prozent der Lehrveranstaltungen wahrnehmen, „schwierig“ sieht es auch im Brauereiwesen und in der Lebensmittelchemie -und -technologie aus. Die für diese Fächer nötigen Laborpraktika können eben doch nicht so einfach digital ersetzt werden.

Eine Twitter-Vorlesung in den Theaterwissenschaften

Ähnlich wie an HU und TU sieht es an der Freien Universität aus: Diese geht davon aus, dass über die gesamte Hochschule hinweg rund 80 Prozent der ursprünglich geplanten rund 4.500 Lehrveranstaltungen digital stattfinden werden - in einzelnen Bereichen nahezu alle.

Einige seien komplett neu aufgelegt und auch für die breite Öffentlichkeit zugänglich. Ein Beispiel dafür: Eine Twitter-Vorlesung in der Theaterwissenschaft, die sich auf einen Streifzug durch die Schauspielkunst begibt.

Hochschulweit 88 Prozent der Lehre in digitalen Formaten wird es an der Beuth-Hochschule geben, eine der großen Fachhochschulen der Stadt. Auch hier ist die Lage je nach Studiengang unterschiedlich: Während in zwanzig Studiengängen nur 55 bis 70 Prozent des Studienangebots umgewandelt werden konnten, sind es in 33 Studiengängen 85 bis 100 Prozent. Die Studierenden sollen hier auch erstmals interaktive Angebote zum selbstgesteuerten Lernen erhalten - um den Studierenden „den Einstieg zum eigenständigen Lernen zu erleichtern“.

Die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) bietet laut Präsident Carsten Busch „so viel wie immer“ an. Auch an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) könne "nahezu alle Kurse" wahrgenommen werden, es sind insgesamt über 1300 Kurse.

Für die VIadrina-Universität in Frankfurt/Oder hält Präsidentin Julia von Blumenthal 80 Prozent des „normalen“ Lehrangebots für realistisch: „Es gibt eine sehr große Bereitschaft der Lehrenden, sich auf dieses Experiment einzulassen.“

Tipp an die Erstsemester: Geduld haben mit sich und der Uni

Und was raten die Hochschulen den Erstsemestern, die nun auf die üblichen Erstsemesterfrühstücke, Campus-Rallyes und Einführungen verzichten müssen? „Geduld haben mit sich und der TU“, heißt es zum Beispiel aus der Technischen Universität - und: „viel fragen, was nicht verstanden wurde“. Die TU werde auch noch spezielle Online-Werkzeuge für die Gruppenarbeit und die Kommunikation zwischen den Studierenden bereitstellen.

Die HU verweist auf ein „großes Maß an Kreativität und Engagement in der gesamten Universität“. Trotz der vielen offenen Fragen sollten sich Studienanfängerinnen und Studienanfänger „nicht entmutigen lassen, sondern das erste Semester mit Neugier, Freude und Zuversicht beginnen und alle Angebote des (virtuellen) Austausches wahrnehmen und gerne auch mit voranbringen“.

Müller spricht von einem Semester, das es "so noch nie gab"

Berlins Regierender Bürgermeister und Wissenschaftssenator Michael Müller (SPD) sprach am Freitag von einem „Sommersemester, das es so in der Geschichte unserer Stadt noch nie gab“.

Mit dem Digital-Angebot sei ein „Kraftakt“ gelungen. Dennoch sei allen bewusst, dass das Semester mit Herausforderungen für alle Beteiligten verbunden sein werde, erklärte Müller. Er rief dazu auf, der Situation mit solidarischem Handeln, Geduld, Verständnis und Rücksicht zu begegnen. „Wir wissen, dass nicht alle online lehren und studieren können und haben dafür kulante Regelungen vereinbart.“ Man wolle auch jenen Menschen unter den fast 200 000 Studenten helfen, die nicht über die Technik zur Teilnahme am digitalen Studium verfügten.

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