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Ledger

© ddp

Stars und Sternchen: Leben am Limit

Sie haben scheinbar alles: Stars wie der verstorbene Heath Ledger. Warum sind sie trotzdem unglücklich?

Er war gerade auf dem Weg nach ganz oben und dabei schon ziemlich weit gekommen. Seine Rolle als schwuler, wortkarger, nur ab und zu nuschelnde Laute von sich gebender Cowboy in „Brokeback Mountain“ hatte ihn weltberühmt gemacht. Mehr als das: Die Rolle hat ihm Respekt eingebracht. Dann, am 22. Januar dieses Jahres, starb Heath Ledger, 28 Jahre alt, als Vater einer zweijährigen Tochter – und steht nun wieder auf als Joker in „Batman“, ab heute im Kino.

Ledger starb an einem tödlichen Medikamenten-Mix. Kein Selbstmord, wie es scheint, auch wenn vieles dafür spricht, dass der junge Schauspieler einsam starb, unglücklich. Und dass er den Medikamenten-Cocktail, der ihn zugrunde richtete, brauchte, um eine Leere in ihm zu füllen, die selbst Erfolg und Ruhm nicht hatten ausfüllen können.

Die Autopsie ergab, dass Ledger an einer Mischung aus sechs teils verschreibungspflichtigen Medikamenten starb: den Schmerzmitteln Oxycodon und Hydrocodon, den Beruhigungsmitteln Diazepam („Valium“), Temazepam und Alprazolam, das man auch zur Behandlung von Angst- und Panikstörungen einsetzt, sowie dem Schlafmittel Doxylamin.

Ledger starb einen einsamen Tod, nicht aber einen einzigartigen. Er weckt Erinnerungen an so manch andere Hollywood-Hoffnung vor ihm. River Phoenix etwa, der 1993 im Alter von 23 an einer Überdosis Heroin und Kokain starb. Bei der Autopsie stellte man Valium, Cannabis und andere Drogen in seinem Blut fest. Der Schauspieler John Belushi, Bruder von James Belushi, starb im Alter von 33, ebenfalls an einer Überdosis Heroin und Kokain.

Auch Ledger war vermutlich nicht nur von seinen Medikamenten abhängig: Kurz nach seinem Tod tauchte ein Video mit ihm auf, in dem man ihn sagen hört, er habe 20 Jahre lang fünf Joints täglich geraucht. 2006 soll er einen Drogenentzug geplant, ihn jedoch in letzter Minute wieder abgesagt haben.

Ledger, Phoenix, Belushi und so viele mehr – dass Künstler, besonders Schauspieler, häufig drogensüchtig sind, das kommt uns fast schon als Selbstverständlichkeit vor, als Klischee. Aufstieg und Abgrund, Glamour, Exzentrik, Exzesse, all das macht doch mit den Reiz aus, weshalb uns die Welt von Nicholson & Co. so fasziniert: Diese Menschen leben das Leben, das wir uns nicht zu leben trauen.

Die Erklärung für den psychischen Ausnahmezustand der Stars lautet oft: Als Topschauspieler steht man halt ununterbrochen im Rampenlicht der Öffentlichkeit, wird von Paparazzi gehetzt, gejagt. Wird gefeiert und gnadenlos fallengelassen, und irgendwann ist der Druck so hoch, dass man sein Leben nur noch mit ausreichend Tranquilizern aushält.

Sicher ist: Künstler sind tatsächlich häufiger drogenabhängig als der Durchschnittsmensch. In einer der größten Studien dazu hat der US-Psychiater Arnold Ludwig die Lebensläufe von über 1000 bedeutenden Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts analysiert. Dabei zeigte sich: Unter keiner Gruppe, nicht einmal unter den Dichtern und Schriftstellern, war der Alkoholismus so weit verbreitet wie unter den Schauspielern, und was die Abhängigkeit von anderen Drogen betrifft, wurden die Schauspieler nur noch von den Musikern übertroffen.

Es ist also etwas dran an dem Klischee. Nur die übliche Erklärung für die Exzesse scheint die Wirklichkeit nicht ganz widerzuspiegeln: Es sind nicht unbedingt der Erfolg und der Druck, der den Schauspielern zu Kopf steigt und in den Abgrund führt. Vielmehr schlummert der Abgrund längst in ihnen. Viele spätere Stars waren von Anfang an emotional labil. Erstens einmal verlangen wir von Schauspielern und anderen Künstlern just dies: Dass sie ihre Gefühle nicht im Griff haben. Dass sie sie intensiver als unsereins erleben oder darstellen können oder beides.

Das ist aber noch nicht alles. Emotionale Instabilität ist oft der Motor, der einem Menschen erst den grenzenlosen Ehrgeiz verleiht, um es bis ganz nach oben zu bringen. Manche Menschen, Psychiater bezeichnen sie als „Borderliner“, empfinden so etwas wie ein chronisches Leeregefühl. Wenn alles seinen normalen Gang geht, fühlt sich der Borderliner nicht normal. Er sucht den Ausnahmekick, braucht ihn: Erst dann fühlt er sich lebendig.

Der Göttinger Psychiater Borwin Bandelow, Autor des Buchs „Celebrities“, meint sogar, diese innere Leere biochemisch bestimmen zu können: Bei Borderlinern sei die Empfindlichkeit für körpereigene Opiate, Endorphine genannt, heruntergefahren (bei dem Schmerzmittel Oxycodon, das Ledger nahm, handelt es sich übrigens um ein Opioid). Um das gleiche Glück wie unsereins zu empfinden, brauchen Borderliner deshalb stärkere Erfolgserlebnisse, in Form von Aufmerksamkeit, Sex, Drogen, usw.

War Heath Ledger so einer? Von dem, was man so weiß, stand er dem Hollywood-Rummel skeptisch gegenüber, einerseits. Andererseits war er ein Mensch, der offensichtlich von krankhaftem Ehrgeiz getrieben wurde. Seine Anforderungen an sich selbst waren so hoch wie die zerstörerischen Selbstzweifel, die ihn plagten. Sogar 2005 noch, im Jahr von „Brokeback Mountain“, als er das erreicht hatte, wonach er so sehr strebte – eine große Charakterrolle – konnte er nicht glücklich sein, wie etwa eine Reporterin des US-Magazins „Time“ berichtet, die ihn damals traf: „Das meiste, was er von sich gab, war Unzufriedenheit.“ Nach seinen ersten Erfolgen, meinte er, wäre er am liebsten wieder ein Niemand geworden, „um neu zu starten, um zu sehen, was, wenn überhaupt, meine Fähigkeiten sind“. Viele Kritiker und Fans meinen, für seine Rolle als Joker verdiene Ledger einen Oskar, posthum. Ob ihm das genügt hätte?

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