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Etwas andere Labormäuse. Diese Tiere wurden mit Eizellen gezeugt, die aus Stammzellen hergestellt wurden.

© Katsuhiko Hayashi, Kyushu-Universität

Stammzellforschung: Die Eizell-Ingenieure

Japanische Forscher haben Hautzellen von Mäusen in der Petrischale in reife Eizellen verwandelt. Das ist ein Erfolg - und wirft ethische Fragen auf.

Mit sich selbst kann man keine Kinder haben. Gleichgeschlechtliche Paare können keine Nachkommen zeugen, die mit beiden Partnern genetisch verwandt sind. Wenn eine Frau aufgrund der Menopause oder wegen einer Krebstherapie unfruchtbar wird, bleibt der Wunsch nach einem eigenen Baby unerfüllt. Diese drei Aussagen sind heute selbstverständlich. Doch das muss nicht so bleiben, deutet eine Studie japanischer Forscher an.

Dem Team um Mitinori Saitou von der Universität Kyoto und Katsuhiko Hayashi von der Kyushu-Universität in Fukuoka ist es gelungen, Stammzellen von Mäusen in der Petrischale in reife Eizellen zu verwandeln, berichten sie im Fachblatt „Nature“. Die Experimente klappten sowohl mit embryonalen Stammzellen als auch mit Hautzellen aus der Schwanzspitze der Mäuse, die zu Stammzellen umprogrammiert worden waren (iPS-Zellen). Insgesamt reiften so fast 3200 Eizellen heran. Als die Forscher dann die Eizellen mit normaler Chromosomenzahl künstlich befruchteten und die Embryonen in Mäuse-Leihmütter einsetzten, entwickelten sich elf von 316 Embryonen gesund weiter und wurden geboren. Die jungen Mäuse wuchsen normal heran, waren fruchtbar und starben nicht vorzeitig.

Es geht dem Team nicht um Kinderwunschbehandlungen

Hayashi und seine Kollegen bekommen seit 2012 regelmäßig E-Mails von Frauen, die sich verzweifelt ein Kind wünschen. Aber den Molekularbiologen geht es nicht um Reproduktionsmedizin. Sie wollen vielmehr verstehen, wie sich die Keimzellen von Säugetieren entwickeln. Dass die Mäuse Nachkommen produzieren, sei für ihn nur der Beweis, dass ihre Technik funktioniert, sagte Hayashi dem Fachblatt „Nature“. Ein Nebeneffekt. Patienten würden übersehen, welche Fleißarbeit dafür nötig sei und dass der Schritt von der Maus zum Menschen bedeute, wieder ganz von vorn anzufangen. Bis die Methode in der Medizin ankomme, könnten durchaus 50 Jahre vergehen.

Die nun veröffentlichte Studie führt fort, was die Arbeitsgruppe seit mehr als einem Jahrzehnt vorantreibt: den kompletten Zyklus von Keimzellen im Labor zu rekapitulieren. So bilden sich in der ersten Lebenswoche eines Mäuseembryos etwa 40 Vorläuferzellen, aus denen sich bis zur Geburt tausende Ei- oder Millionen Samenzellen entwickeln. In mühevoller Kleinarbeit hat Hayashis Team die Gene und Signalwege identifiziert, die für diese Vorläuferzellen unentbehrlich sind und dokumentiert, zu welchen Zeitpunkten sie wichtig werden.

Schritt für Schritt haben die Forscher ihre Technik weiterentwickelt

Damit die Vorläuferzellen zu funktionstüchtigen Eizellen heranreiften, mussten sie sie allerdings zunächst in Eierstöcke lebender Tieren verpflanzen. Das berichteten sie 2012 in „Science“. Jetzt haben sie ein Nährmedium gefunden, das die vollständige Reifung der Eizellen in der Petrischale ermöglicht. Mehr als einen Monat entwickelten sich die Vorläuferzellen in Clustern von „Hilfszellen“. Diese hatten die Forscher aus den Eierstöcken von Mäuseföten gewonnen und produzierten wichtige Nährstoffe wie Wachstumsfaktoren, Zytokine und Hormone.

„Sie haben ihr Protokoll Schritt für Schritt entwickelt und Meilensteine gründlich getestet“, sagte Thomas Zwaka von der Icahn School of Medicine am Mount Sinai-Krankenhaus in New York City. So hätten die Forscher vermieden, auf Sand zu bauen – anders als jene Gruppen, die gescheitert sind. Dass sich die aus Stammzellen erzeugten Eizellen wie „echte“ verhalten, hätten Hayashi und seine Kollegen in wichtigen Experimenten bewiesen, sagte James Adjaye, Stammzellforscher an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Die Gene würden ähnlich an- und abgeschaltet wie in Eizellen, die in Eierstöcken heranreifen. Die Eizellen konnten künstlich befruchtet werden. Daraus konnte man wiederum embryonale Stammzellen gewinnen. Und 3,5 Prozent der Embryonen entwickelten sich zu lebensfähigen Tieren.

Sicherheit ist die größte Hürde - doch es gibt auch ethischen Klärungsbedarf

Rudolf Jaenisch, Stammzellforscher am MIT in Cambridge, USA, findet die Daten überzeugend. „Es ist anzunehmen, dass mit ähnlichen Methoden funktionelle Eizellen von humanen Zellen im Reagenzglas produziert werden können“, sagte er. Henning Beier, Emeritus am Universitätsklinikum Aachen, warnt dagegen vor zu weitreichenden Schlussfolgerungen: „Anwendungen dieses Modellsystems beim Menschen sind reine Spekulation und daher an dieser Stelle nicht angebracht.“ Ralf Kühn, der am Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin mit iPS-Zellen forscht, ist ebenfalls skeptisch: „Solange nur wenige Prozent der Embryonen normal sind, ist der Sicherheitsaspekt die größte Hürde. Ich glaube nicht, dass diese Technik in den nächsten Jahrzehnten beim Menschen angewendet wird.“ Zunächst sollten die Experimente an Schweinen, Schafen und Kühen wiederholt werden, pflichtet ihm Adjaye bei.

Die ethischen Hürden sind nicht kleiner – von der Verwendung menschlicher Embryonen für die Forschung bis zu der Frage, „ob und inwiefern die Verwendung von artifiziell erzeugten Keimzellen zur Herstellung eines Embryos zulässig sein soll.“ Der Nationale Ethikrat sah bereits 2014 „Klärungsbedarf“. Dies betrifft nicht nur Eizellen, sondern auch mit ähnlichen Techniken erzeugte Samenzellen, von denen chinesische Forscher Anfang des Jahres berichteten.

Das deutsche Embryonenschutzgesetz verbietet die Technik nicht

„Das deutsche Embryonenschutzgesetz verbietet es nicht, Keimzellen, die aus iPS-Zellen hergestellt wurden, zur Fortpflanzung zu verwenden“, kommentierte Jochen Taupitz, Experte für Medizinrecht der Universitäten Heidelberg und Mannheim, die Studie. Die einzigen Voraussetzungen seien bisher, dass die Keimzellen nicht nach ihrer Entstehung genetisch verändert wurden und dass die Eizelle nur von der Frau verwendet wird, von der auch die iPS-Zelle stammt.

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