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Schüler und Lehrer in einer Stadtteilschule in Hamburg.

© Christian Charisius/picture alliance/dpa

Stärkung der Bildungssprache Deutsch: KMK beschließt Einmaleins für den Schulerfolg

Deutsch auch als "Bildungssprache" zu beherrschen, fällt vielen Schülern schwer. Die Kultusminister wollen sie künftig systematischer fördern.

"Jede Stunde ist eine Deutschstunde." Mit diesem Motto erklärt der scheidende KMK-Chef Alexander Lorz (CDU), Bildungsminister in Hessen, wofür die Empfehlungen der 16 Länderminister zur Förderung der Bildungssprache Deutsch stehen. Zehn Grundsätze hat die Kultusministerkonferenz dazu am Donnerstag beschlossen, die jetzt in den Ländern mit Leben erfüllt werden müssen.

Als "Bildungssprache" wird ein differenziertes Inventar an sprachlichen Mitteln verstanden, die sich von der Umgangs- oder Alltagssprache unterscheiden. Ist Alltagssprache etwa von unvollständigen Sätzen, Füllwörtern und Wiederholungen geprägt, geht es in der Bildungssprache darum, komplexe Sätze zu bilden, keine Gedankensprünge zu machen - und keine grammatikalischen Fehler.

"Lesen, Schreiben, Zuhören, Sprechen" sind für Lorz das "Einmaleins für eine erfolgreiche Schullaufbahn". Er hatte die Sprachbildung zum Thema seiner KMK-Präsidentschaft in diesem Jahr gemacht. Insofern sind die Empfehlungen keine Reaktion auf die enttäuschenden Ergebnisse zur Lesekompetenz in der neuen Pisa-Studie. Sprachbildung ist aber zentral, um die von der OECD kritisierte Lücke bei der Bildungsgerechtigkeit zu schließen. Im Januar wird Lorz turnusgemäß durch die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) abgelöst.

Die zehn Grundsätze der KMK "für eine erfolgreiche Stärkung der Bildungssprache Deutsch" zielen im Kern darauf, sprachliche Bildung in allen Fächern und Lernbereichen als "durchgängiges Unterrichtsprinzip" zu verankern. Das soll auch für zusätzliche Angebote in Ganztagsschulen gelten. Sprachbildung und -förderung soll zu einer "ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung und Welt- sowie Wertorientierung" beitragen. Die Kinder und Jugendlichen sollen also lernen, sich mit ihren sprachlichen Mitteln differenziert zu informieren und zu äußern und sich die Welt lesend und schreibend zu erschließen.

Unabhängig von der Muttersprache fördern

Sprachbildung ziele keineswegs nur auf Schülerinnen und Schüler mit einer anderen Muttersprache als Deutsch, betonte Lorz. "Nicht jeder mit Deutsch als Muttersprache beherrscht die Bildungssprache Deutsch." Deshalb seien Sprachfertigkeiten für alle unabhängig von der Herkunft wichtig, wenn es um Bildungsabschlüsse, Ausbildung und Beruf geht.

Mehrsprachige Schüler, die etwa mit Arabisch oder Türkisch aufwachsen und Deutsch teilweise erst in der Kita oder in der Grundschule lernen, sollen nicht als Problemschüler gesehen werden. Mehrsprachigkeit "wird als Ressource verstanden; entsprechende Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler werden anerkannt und angemessen genutzt", heißt es.

Diese Empfehlung zeigt exemplarisch, wie viel Arbeit noch vor den Schulen und Lehrkräften liegt. Um die Familiensprachen der Kinder in den Unterricht einzubinden, brauchen die Lehrkräfte Grundkenntnisse in den Sprachen und praktische Unterrichtskonzepte. Dafür aber gibt es bislang nur wenige Modellprojekte.

Das gilt auch auch die für "standardisierten Diagnoseverfahren" für den Sprachförderbedarf der Schüler und für die Fördermaßnahmen, die jeweils wissenschaftlich evaluiert sein sollen. So endet der Katalog zur Bildungssprache auch damit, dass Konzepte sprachlicher Bildung in allen Phasen der Lehrkräfte- und Erzieherausbildung vermittelt werden müssten.

An Berufsschulen "sprachsensibel" unterrichten

Als Sonderfall sieht die KMK zudem den Unterricht an den beruflichen Schulen. Weil es dort darum geht, auch ältere Berufsschüler mit Fluchthintergrund zum Ausbildungsabschluss zu bringen, sei ein "sprachsensibler Unterricht" gefordert, heißt es. So sollen die Lehrkräfte "angepasst an das Sprachniveau der Schülerinnen und Schüler" sprechen. Die Vermittlung von Sprache und Fachinhalten sollen Hand in Hand gehen.

Als Beispiel für die Umsetzung der Sprachbildungs-Grundsätze in den Ländern nannte Alexander Lorz eine zusätzliche Deutschstunde für alle Grundschüler in Hessen. Dafür brauche man landesweit 100 zusätzliche Lehrkräfte, für das gesamte Bildungssprachkonzept bis zu 1000 Stellen mehr. Das sei angesichts des aktuellen Lehrkräftemangels eine Herausforderung, gab Lorz zu.

Neue Prognose für Lehrkräftebedarf

Bei ihrer aktuellen Prognose für den Lehrereinstellungsbedarf geht die KMK von einer weiteren Steigerung der Schülerzahlen aus - um 6,5 Prozent von 10,8 Millionen Schülerinnen und Schüler 2018 auf 11,5 Millionen im Jahr 2030. Im Grundschulbereich würden bis 2024 jährlich 2025 Lehrkräfte fehlen, im Sekundarbereich II seien es jährlich 780 Lehrkräfte. Bei den sonderpädagogischen Lehrämtern sagt die KMK bis 2023 eine Deckungslücke von jährlich 1450 Lehrkräften voraus.

Bei jeweils großen Unterschieden zwischen Regionen, Fächern und Schularten soll sich die Lage wegen wieder zurückgehender Geburtenzahlen aber ab 2024/25 entspannen. Die KMK rechnet mit dann mit einem zunehmenden Überangebot von Lehrerinnen und Lehrern, wie es jetzt schon die Gymnasien gelte - mit Ausnahme der MINT-Fächer.

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