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Grüne Dächer und Fassaden, Solarzellen, Dämmung – Städte können viel tun, um der Klimaerwärmung entgegenzuwirken, die sie zum Großteil mit verursachen. Allerdings geht das oft nicht ohne Hilfe der nationalen Ebene.

©  Stephanie Pilick/p-a/dpa

Städte klimafreundlich umbauen: Mit Westentaschen-Parks gegen die Hitze der Stadt

Die Metropolen sind überall auf der Welt die größten Klimakiller. Jetzt lässt die EU erforschen, wie man gegensteuern kann.

Kattowitz ist das, was man sich früher einmal unter einer modernen Stadt vorgestellt hat: Eine achtspurige Autobahn durchschneidet das Stadtzentrum. Am Tagungszentrum, wo die 24. Klimakonferenz der Vereinten Nationen stattfindet, kommt man nur durch eine weitläufige Unterführung auf die andere Straßenseite. Als Fußgängerin fühlt man sich in dieser Stadt klein und verloren. Radfahrer sind gar nicht zu sehen.

Wie könnte man so eine Stadt, wie könnte man Städte überhaupt klimafreundlich umbauen? Das ist eine Frage, die auch die Teilnehmenden der Klimakonferenz beschäftigt. Antworten sind deshalb so schwierig, weil jede Stadt anders ist. Und weil die vielen Daten, die es zum Klimawandel gibt, oft nur auf nationaler Ebene vorliegen. Ein Bürgermeister oder eine Ortsvorsteherin kann damit nicht viel anfangen. Wichtig wäre aber, auch auf lokaler Ebene gute Entscheidungen zur Lösung der Klimakrise treffen zu können. Denn Städte nehmen zwar nur drei Prozent der Erdoberfläche ein, aber die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Städten und drei Viertel der Emissionen entstehen hier.

Die Ärmsten leiden am meisten unter dem Klimawandel

Als der Weltklimarat IPCC sich mit den Städten beschäftigte und erwog, einen Sonderbericht zu dem Thema herauszugeben, stieß er auf diese Forschungslücke. Und weil der IPCC nicht selbst forscht, sondern die verfügbare Literatur zusammenfasst, beschloss er, mehr Forschung zum Thema Städte anzustoßen.

Auf Initiative des IPCC lotete eine Konferenz im kanadischen Edmonton im Frühjahr dieses Jahres aus, wo Forschungsbedarf besteht. Eines der Ergebnisse: Woran es noch mangelt, ist etwa, das Zusammenspiel der Städte mit den umliegenden Regionen zu verstehen. "Städte sind komplexe Systeme mit großer Reichweite", schreibt Xuemei Bai von der Australian National University in einem Kommentar für das Magazin "Nature". Gut gemeinte Aktionen vor Ort könnten Probleme für andere Sektoren nach sich ziehen. So würde etwa das Verlagern von energieintensiven Unternehmen ins Umland Emissionen nur verschieben, ohne dass ein Nettogewinn dabei herauskäme.

Ein Problem ist auch die Forschung und Datenerhebung in den Städten des globalen Südens: Wie bekommt man einen Überblick über die Verhältnisse in Slums – die Zahl der Bewohner, die Arbeitsverhältnisse, die Emissionen?

Das genauer zu wissen und gute Maßnahmen zu entwickeln, wäre auch deshalb wichtig, weil die Ärmsten am meisten unter dem Klimawandel leiden. Etwa weil sie ihre Hütten an einem Hang bauen, der bei Starkregen abrutscht. Oder weil die Wasserversorgung bei Dürren in ihren Vierteln zuerst zusammenbricht. Diese Auswirkungen des Klimawandels kennen Entwicklungsländer bereits heute. "Das Leugnen des Klimawandels ist ein Luxusproblem des Nordens", sagte Julie Greenwalt von der Cities Alliance bei einer Veranstaltung des "International Council for Science" und des Städtebündnisses "C40" bei der Klimakonferenz in Kattowitz.

Was genau hilft? Da besteht Forschungsbedarf

Dort stellte Emmanuelle Pinault von C40 eine Handreichung des IPCC vor: die Zusammenfassung des Berichts zum 1,5-Grad-Ziel für die zuständigen Akteure in den Städten. "Die Klimawissenschaft muss den politischen Entscheidungsträgern in der Stadt zugänglich sein, denn ohne sie gibt es keine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad", heißt es darin.

Schlussfolgerungen aus dem Bericht haben Städte bereits gezogen: "Es gibt sechs Bereiche, in denen lokale Regierungen handeln können", teilt ein weiteres Städtebündnis mit, die United Cities and Global Governments (UCLG). Handlungsfelder sind demnach: Energiesysteme, Gebäude, Verkehr und Stadtplanung, grüne Infrastruktur, nachhaltige Landnutzung und Wassermanagement. "Maßnahmen in diesen Bereichen bringen erhebliche Vorteile mit sich", betont UCLG, darunter eine Verbesserung der öffentlichen Gesundheit und eine Verringerung der Luftverschmutzung.

Wie genau aber solche Maßnahmen aussehen sollten und welche wirksamer sind als andere, wäre eben noch zu klären: "Wir brauchen die Evidenz der Forschung, um unsere Arbeit zu überprüfen", sagte Yann Françoise aus Paris, der dort für die Nullemissionsstrategie bis zum Jahr 2050 verantwortlich ist, bei der Veranstaltung in Kattowitz.

Westentaschen-Parks gegen den Klimawandel

Den Forschungsbedarf jedenfalls hat auch die EU erkannt und eine Expertengruppe eingesetzt, die im Frühjahr Forschungsempfehlungen zum Thema Städte herausbringen soll, berichtete Patrick Child von der EU-Kommission. Schon heute ist geplant, die europäische Forschungsförderung im kommenden Sieben-Jahres-Programm (ab 2020) neu zu strukturieren und auf einzelne Schwerpunkte auszurichten. Einer davon wird sein, den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft in Städten zu erforschen, kündigte Child an.

Im aktuellen EU-Forschungsprogramm Horizon 2020 sind immerhin schon 3,1 Milliarden Euro für die nachhaltige Entwicklung von Städten vorgesehen. Gefördert wird unter anderem das Projekt "Grow Green", in dem sogenannte naturbasierte Lösungen ausprobiert werden. Sie sind laut Definition der EU von der Natur inspiriert, kostengünstig und sollen zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit von Städten beitragen.

Einer der Vorreiter in diesem Programm ist das polnische Breslau (Wroclaw), das besonders von Hitzestress, aber auch von Überflutungsrisiken betroffen ist. Demonstrationsprojekte wie Westentaschen-Parks – kleine, gärtnerisch gestaltete Flächen – und begrünte Fassaden werden dort verwirklicht. Mit "Innovate4Cities" gibt es außerdem ein Netzwerk der EU, das sich mit Forschungsbedürfnissen von Städten im Klimawandel beschäftigt. Und im "European Green Capital Network" fördert die Union jedes Jahr besonders nachhaltige Städte. 2018 wurde Essen für die Transformation der Kohlemetropole in eine grüne Stadt ausgezeichnet.

Städte sind abhängig von Rahmenbedingungen, die sie nicht selbst schaffen

Der klimafreundliche Umbau der Städte ist also möglich. Auch Berlin will, wie viele andere Städte weltweit, bis 2050 klimaneutral werden und hat dieses Ziel schon 2014 in einer Machbarkeitsstudie wissenschaftlich untersuchen lassen. Eines der Ergebnisse: Die größten Potenziale für die Minderung von CO2-Emissionen bestehen im Bereich Energieversorgung. Bei den erneuerbaren Energien sei das vor allem die Fotovoltaik.

Das bestätigte 2018 auch eine Studie der Hochschule für Technik und Wirtschaft. Allerdings werde das Potenzial nicht ausgeschöpft – schuld seien die gesetzlichen Rahmenbedingungen: "Die betriebswirtschaftliche Optimierung auf die maximale Projektrendite führt unter heutigen Rahmenbedingungen zu deutlich kleineren Fotovoltaikanlagen, als es das Solarpotenzial zulassen würde." Das liegt daran, dass es sich finanziell besonders lohnt, selbst erzeugten Strom auch selbst zu verbrauchen.

Beim Einspeisen ins Netz fallen dagegen Abgaben und Umlagen an, die die Rendite mindern. Große Dachflächen werden deshalb meist nur mit kleinen Anlagen bestückt, die den Strombedarf des Hauses gerade decken. "Dies kann langfristig bei der Erreichung der Klimaschutzziele hinderlich sein", schreibt die HTW. Das zeigt ein grundsätzliches Problem der Städte: Sie sind abhängig von Rahmenbedingungen, die sie nicht selbst schaffen. In diesem Fall vom Erneuerbare-Energien-Gesetz des Bundes.

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