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Entdeckt. Mit einer neuen Lasertechnik wurden die Stätten der Maya aufgespürt. Der Film „Im Reich des Schlangen-Königs" am 6.2. auf National Geographic berichtet darüber.

©  National Graphic

Spektakulärer Fund in Guatemala: Maya-Hochkultur unterm Dschungel

Bauerndörfer und Paläste: Archäologen entdecken 60.000 Ruinen der Maya unter dem Regenwald Guatemalas. Die Funde zeigen: Die Gebiete der Maya waren viel dichter besiedelt als vermutet.

Zunächst geht es auf schmalen Pfaden durch den dichten Dschungel – und plötzlich wird der Blick frei auf kolossale Tempel, Mauern, Pyramiden und Paläste. Wer heute Ruinenstädte wie Palenque im Süden Mexikos oder Tikal im Norden Guatemalas besucht, darf sich immer noch ein wenig fühlen wie jene Abenteurer, die ab der Wende zum 19. Jahrhundert die Überreste der Maya-Kultur entdeckten.

Das alles aber kann wohl nur eine grobe Ahnung dessen vermitteln, was Archäologen nun im Regenwald Guatemalas entdeckten. Wie die „BBC“ und der „National Geographic“ am Wochenende berichten, stießen die Forscher auf rund 60.000 Ruinen, die sich auf einem mehr als 2000 Quadratkilometer großen Areal im Norden des Landes verteilen: bislang unbekannte Siedlungen, jahrhundertelang versteckt unterm dichten Dschungel. Funde, die für den deutschen Altamerikanisten und Maya-Experten Nikolai Grube (Uni Bonn) an sensationelle Entdeckungen anknüpfen, die bereits in den vergangenen Jahren gemacht worden sind: „Wir erkennen, dass ganz Guatemala und benachbarte Länder wie Belize eine einzige, große historische Maya-Stätte sind.“

Steinerne Fundamente von einfachen Wohnhäusern gehören zu den aktuellen Entdeckungen ebenso dazu wie Verteidigungswälle, Gräben, Paläste, Festungen und landwirtschaftlich genutzte Flächen. Er habe Tränen in den Augen gehabt, sagte einer der Wissenschaftler, Stephen Houston von der Brown University im US-Bundesstaat Rode Island, in der „BBC“. Die Forscher glauben, dass zu Zeiten der Maya bis zu vier mal mehr Menschen als lange angenommen in der Region siedelten: nämlich insgesamt zehn bis fünfzehn Millionen.

Eine siebenstöckige Pyramide verbarg sich unter der Vegetation

Die Infrastruktur nötigt den Experten größten Respekt ab. Offenbar seien die Maya, die ihre Blütezeit in Mittelamerika vor rund 1500 Jahren erlebten, ähnlich innovativ gewesen wie die Hochkulturen im alten Griechenland oder China. Die Maya hätten zwar keine Räder oder Tiere benutzt, um Lasten zu bewegen, sagte Marcello Canuto, ein Archäologe der Tulane University. „Wir haben es dennoch mit einer Zivilisation zu tun, die buchstäblich Berge versetzt hat.“ Anders als das zu Teilen freigelegte Palenque und Tikal liegen die jetzt entdeckten Ruinen versteckt unter dem dichten Dach des Regenwalds. Selbst eine siebenstöckige Pyramide verbarg sich für das bloße Auge nicht erkennbar unter der üppigen Vegetation.

Dass sich Wissenschaftler trotzdem ein Bild von alledem machen könne, liegt an einer neuen Technologie namens Lidar. Hinter dem Kürzel für „light detection and ranging“ steckt eine Lasertechnik, die von einem Hubschrauber aus den Erdboden mit enormer Präzision abtasten kann. Aus Abermillionen Laserimpulsen lässt sich im Anschluss eine dreidimensionale Ansicht der untersuchten Fläche erstellen, auch bei den Tempelanlagen im kambodschanischen Angkor Wat kam Lidar bereits zum Einsatz.

Faszinierend: Der Blick in den ländlichen Raum der Maya

Legendär und bekannt sind die Maya für ihre komplexen Tempelanlagen, die hochentwickelten Kalender. Faszinierend an der Lidar-Technologie ist für den Bonner Altamerikanisten Grube nun aber vor allem das Gegenteil: Nämlich dass Lidar den Blick in den ländlichen Raum der Maya ermögliche – also auf eben jene Stätten der Bauern abseits der großen bekannten Paläste. „Die Siedlungsdichte ist unendlich viel größer als wir uns das vorgestellt haben“, sagt Grube. Die Menschen wohnten eng beieinander, man könne nun die Felder, die vielen kleinen Städte, Begrenzungsanlagen erkennen und erforschen.

Zu ihrer Hochzeit – zwischen 250 und 900 – besiedelten die Maya laut „National Geographic“ ein Gebiet, das zweimal so groß war wie das mittelalterliche England. Praktisch alle Siedlungen waren mit breiten Wegen verbunden – so breit, dass sie für den Handel genutzt werden konnten. Sie waren zudem so erhöht gebaut, dass sie auch in der Regenzeit nicht unter Wasser standen. In einer Region, in der es je nach Jahreszeit viel zu viel oder viel zu wenig Niederschlag gibt, wurde der Wasserfluss damals mithilfe von Dämmen, Kanälen und großen Speicher ganzjährig genau geplant.

Der Ackerbau war viel intensiver als gedacht

Die Maya konnten so teilweise mehr als 95 Prozent des verfügbaren Landes bewirtschaften – was es ihnen erst ermöglichte, die für die vielen Menschen notwendigen Nahrungsmittel überhaupt zu produzieren. „Der Ackerbau war viel intensiver und nachhaltiger als bislang gedacht“, sagte der US-Archäologe Francisco Estrada-Belli dem „Guardian“. Die Maya hätten es sogar geschafft, Sümpfe trockenzulegen und zu nutzen, die man heute für völlig unnutzbar halte.

Beeindruckt zeigten sich die Archäologen auch von den „unglaublichen Verteidigungselementen“. Dies zeige, dass die Maya mehr Ressourcen in ihre Sicherheit investiert hätten als bislang vermutet. Die jüngsten Entdeckungen dürften auf jeden Fall nicht die letzten sind. Mit der Lidar-Technologie will die guatemaltekische Kulturerbe-Organisation Patrimonio cultural y natural Maya innerhalb von drei Jahren weitere 14 000 Quadratkilometer des Tieflands von Guatemala vermessen. Das dürfte Stoff genug für Forschung über Jahrzehnte sein. Immer noch werfen die Maya zahlreiche Rätsel auf: So ist auch noch immer nicht eindeutig geklärt, warum die Hochkultur ab dem 9. Jahrhundert unterging. (mit KNA)

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