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Vermehrtes Potenzial. Die clevereren Flötenvögel ziehen auch mehr Küken groß als andere.

© University of Western Australia

Soziale Intelligenz von Tieren: Vögel, die in Gruppen leben, sind schlauer

Die Erfindungsgabe von Tieren wurde erstmals in freier Natur untersucht: Vögel, die in Gruppen leben, sind demnach schlauer als andere.

Wer in einer Gruppe lebt, schärft seinen Verstand. Dieser einfache Zusammenhang könnte bei den gern in Gruppen lebenden Affen bis hin zu uns Menschen die Entwicklung eines relativ großen Gehirns und einer hohen Intelligenz vorangetrieben haben, vermutete der heute in Cambridge lebende, britische Psychologe Nicholas Humphrey bereits 1976. Naturwissenschaftler haben seither wichtige Indizien für diese Theorie gefunden – für die Größe bestimmter Gehirnstrukturen etwa bei Makaken und sogar bei Buntbarschen. Nur lebten die untersuchten Tiere immer in Gefangenschaft, Studien in natürlichen Gruppen fehlten bisher.

Genau das haben jetzt Benjamin Ashton von der University of Western Australia in Perth und seine Kollegen mithilfe von Flötenvögeln nachgeholt: Je größer die Gruppe, umso cleverer lösen die ähnlich wie Elstern aussehenden Tiere knifflige Aufgaben und umso mehr Nachwuchs setzen sie in die Welt, berichten die Forscher in der Zeitschrift „Nature“.

Zur Belohnung gab's für die Vögel Mozarella

Genau wie Elstern picken die Flötenvögel – so genannt wegen ihres auffallenden Gesangs – alles auf, was sie verdauen können: Würmer, Käfer, Raupen und Grashüpfer, selbst Frösche und Mäuse. Sie jagen am liebsten auf Wiesen und anderen offenen Flächen. Aber auch Sandwich- oder Hamburger-Reste sind beliebt. Viele Flötenvögel-Gruppen fühlen sich mittlerweile in den Parks der Städte Australiens wohl. 14 solcher Stadtpark-Gruppen, zu denen jeweils drei bis zwölf Flötenvögel gehören, haben Benjamin Ashton und seine Kollegen an ihren Versuchen teilnehmen lassen. Die meisten der Vögel trugen zwar kleine Ringe an den Beinen, damit die Forscher jedes Individuum sicher identifizieren können, lebten ansonsten aber völlig frei. Auch die einzelnen Tests waren im Prinzip freiwillig – sofern die Vögel einer Belohnung in Form von geriebenem Mozzarella widerstehen konnten. Insgesamt 56 australische Elstern waren schließlich beteiligt.

Der Mozzarella lag in einem Experiment in der Mitte einer Röhre, die nur auf einer Seite offen und auf der anderen mit durchsichtigem Plastik verschlossen war. Je schneller ein Vogel lernte, dass er statt das Plastik aufzupicken, auch einfach um die Röhre herum laufen konnte, um an seinen Belohnungskäse zu gelangen, umso cleverer stuften die Forscher das Tier ein.

Vögel in einer größeren Gruppe waren verständiger

In einem weiteren Experiment, testeten sie, wie schnell ein Flötenvogel lernt, ob sich der Mozzarella unter einem dunkel- oder hellblauen Verschluss verbirgt. In einem dritten Versuch wurde der gleiche Test 24 Stunden später dem Vogel erneut angeboten, allerdings lag diesmal der Käse unter dem anderen Farbton als einen Tag vorher. Im vierten Experiment präsentierten die Forscher den Flötenvögeln ein Brett mit zwei hellblauen Verschlüssen in einer oberen Reihe, darunter lagen vier Verschlüsse im gleichen Farbton und in einer dritten Reihe gab es zwei weitere, ebenfalls hellblaue Verschlüsse. Nur ein einziges Käsestückchen lag dort verborgen, das der Vogel also spätestens beim achten Picken ergatterte.

Fünf Minuten, 24 und 48 Stunden später durfte das Tier dann erneut nach dem an gleicher Stelle wie vorher verborgenem Käse suchen. Je weniger Verschlüsse der Flötenvogel am ersten und zweiten Tag nach den beiden ersten Tests öffnete, bevor er seine Belohnung im Schnabel hielt, umso höher stuften die Forscher ihn im Cleverness-Ranking ein.

Als die Forscher am Ende ihre Ergebnisse auswerteten, waren die Flötenvögel in den größeren Gruppen erheblich verständiger als ihre Kollegen in Mini-Gruppen. Das könnte durchaus an den größeren Herausforderungen in der Konkurrenz mit mehr Artgenossen liegen. Diese Cleverness scheint auch den Alltag der Vögel zu beeinflussen. Die schlaueren Tiere ziehen gleichzeitig mehr Küken groß. Mit der Zeit könnten die Flötenvögel daher immer verständiger werden und so die Vermutung bestätigen, die Nicholas Humphrey einst für Primaten und den Weg zum menschlichen Verstand beschrieben hat. Roland Knauer

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