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Solartechnik

© pa/dpa

Solarenergie: Strom aus der Wüste

Die Sonne über der Sahara könnte den Energiehunger Europas stillen. Solarzellen, wie sie vielfach auf hiesigen Dächern montiert sind, sind für das Wüstenstrom-Konzept "Desertec" allerdings nicht geeignet.

Als Bundeskanzlerin Angela Merkel gestern Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika traf, warb sie unter anderem für bessere Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern. Bald könnten dazu auch Stromlieferungen im großen Stil gehören. Das glaubt zumindest Gerhard Knies.

Der Physiker, der vor seiner Pensionierung am Deutschen Elektronen-Synchrotron (Desy) forschte, hat das Wüstenstrom-Konzept „Desertec“ entwickelt. Es besagt: Solarkraftwerke in der Sahara könnten genug Strom für ganz Europa liefern. Für die Kraftwerke seien weniger als 0,3 Prozent der Wüstenfläche nötig, um die Mittelmeeranrainer und Europa mit Energie zu versorgen.

„Um den Stromverbrauch Europas zu decken, benötigt man rund 17 000 Quadratkilometer, das entspricht der Fläche Schleswig-Holsteins“, sagt Knies. Die Berechnungen basieren auf mehreren Studien des Instituts für Technische Thermodynamik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart. Mithilfe detaillierter Wetteraufzeichnungen und Satellitenbeobachtungen haben die Wissenschaftler ermittelt, zu welcher Tageszeit wie viel Strahlungsleistung der Sonne in der Wüste ankommt.

Damit die Solarenergie effizient genutzt wird, sieht das Desertec-Konzept solarthermische Kraftwerke vor. Dort wird das Sonnenlicht mittels gekrümmter Spiegel gebündelt und bringt Wasser zum Kochen. Die übrige Technologie funktioniert wie in einem herkömmlichen Kohlekraftwerk: Der Wasserdampf wird durch eine Turbine geleitet, die wiederum einen Generator antreibt.

Solarzellen, wie sie vielfach auf hiesigen Dächern montiert sind, seien für das Wüstenprojekt nicht geeignet, sagt Knies: „Solarthermische Kraftwerke arbeiten in der Sahara deutlich billiger.“ Außerdem lasse sich damit Energie speichern. Während eine Solarzelle die Energie des Sonnenlichts direkt in Strom verwandelt, entsteht bei der solarthermischen Anlage zunächst Wasserdampf. „Dessen Wärme kann man beispielsweise in 400 Grad Celsius warmem, flüssigem Salz speichern“, sagt der Physiker. Nachts, wenn es dunkel ist, könne die Wärme dann wieder Wasserdampf erzeugen – und die Stromproduktion laufe weiter.

Bleibt nur die Frage des Transports. Gewöhnliche Hochspannungsleitungen, in denen Wechselstrom durch die Kabel saust, kommen dafür nicht infrage, denn über die weiten Distanzen sind die Verluste enorm. Knies setzt auf Gleichspannungsleitungen. Der Grund: Je höher die Spannung ist, desto geringer sind die Verluste bei der Stromübertragung. Wechselstrom erreicht aufgrund der ständigen Polaritätsänderung nur selten hohe Spannungen, meist liegen sie im niedrigen bis mittleren Bereich. Bei Gleichstrom hingegen ist die Spannung immer maximal. Sie sind allerdings teurer als Wechselstromleitungen. „Ihr Einsatz lohnt sich erst bei Distanzen von mehr als 600 Kilometern“, sagt Dietrich Biester von der Firma Siemens, die bereits mehrere Gleichstromleitungen errichtet hat.

Die Kosten für den Wüstenstrom indes sind enorm. Berechnungen Knies’ zufolge müssten 350 Milliarden Euro in Solarkraftwerke und 45 Milliarden Euro in die Stromleitungen investiert werden, um 700 Terawattstunden nach Europa zu bringen. Und diese Menge deckt gerade mal ein Fünftel des geschätzten Bedarfs im Jahr 2050.

„Man muss ohnehin neue Kraftwerke bauen, um den Bedarf zu decken“, sagt Knies. Die Solartechnologie sei zwar anfangs etwas teurer, aber es entstünden keine Brennstoffkosten wie bei Kohle- oder Kernkraftwerken. „Und die werden auch künftig kräftig steigen“, fügt der DLR-Forscher Wolfram Krewitt hinzu. In 15 Jahren werden nennenswerte Mengen an Strom nach Europa exportiert, hofft er. Ganz unrealistisch scheint die Vision nicht: Die Firma New Energy Algeria hat bekannt gegeben, eine 3000 Kilometer lange Starkstromleitung nach Deutschland bauen zu wollen.Ralf Nestler

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