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Allein im All? Riesige Anlagen wie das Parkes-Radioteleskop in Australien halten Ausschau nach Signalen Außerirdischer. Die seit vielen Jahren vergeblichen Spähens gesammelten Daten wurden jetzt veröffentlicht und stehen auch Bürgerforschern zur Verfügung.

© CSIRO/dpa

Signale Außerirdischer im Erbgutcode?: „Wir suchen nach Relikten überlegener Intelligenz“

Haben uns die Aliens Hinweise auf ihre Existenz ins Genom geschrieben? Der Astronom Paul Davies hält das im Interview für „denkbar“.

Auf der Suche nach außerirdischen Zivilisationen haben Forscher fast zwei Petabyte an Beobachtungsdaten über die Milchstraße zusammengetragen – jetzt hat die privat finanzierte Initiative „Breakthrough Listen“ den Datenschatz öffentlich zugänglich gemacht, wie die an der Suche nach extraterrestrischer Intelligenz (SETI) beteiligte Universität von Kalifornien in Berkeley mitteilte. Ein Teil der Daten kann sogar über das Bürgerforschernetzwerk SETI@Home der Universität von Kalifornien auf heimischen PCs analysiert werden.

„Das ist die größte Veröffentlichung von SETI-Daten in der Geschichte“, betonte „Breakthrough Listen“-Chefwissenschaftler Andrew Siemion von der Universität von Kalifornien. Die Daten stammen vor allem vom Parkes-Radioteleskop in Australien und vom Green-Bank-Radioteleskop in den USA. Sie hatten in den vergangenen vier Jahren die von Sternen dicht bevölkerte Scheibe der Milchstraße nach möglichen Funksignalen außerirdischer Zivilisationen abgehorcht.

Der Astrophysiker Paul Davies von der Arizona State University leitet seit 2005 eine Forschergruppe, die erarbeitet, wie zu reagieren ist, falls man in den riesigen Datenmengen von SETI tatsächlich irgendwann auf Signale Außerirdischer stoßen sollte. Doch vielleicht ist die aufwändige Suche in den weiten des Alls gar nicht nötig. Denn Davies hält es im Interview mit dem Tagesspiegel für möglich, dass Aliens längst Spuren ihrer Existenz auf der Erde hinterlassen haben könnten - etwa im menschlichen Erbgut.

Herr Davies, wer Leben auf fremden Planeten sucht, muss erst einmal wissen, wie man es erkennt. Wissen wir das nicht?

Die große Unbekannte bei der Suche nach außerirdischem Leben ist dessen ursprüngliche Entstehung, der Übergang vom Toten zum Lebendigen. Was ist der zündende Funke, der aus einer Ansammlung von Molekülen ein Lebewesen macht? Eine klarere Definition von Leben könnte uns da erheblich voranbringen.

Der Astrophysiker Paul Davies (73) von der Arizona State University ist Direktor des „Beyond Center for Fundamental Concepts in Science“ und leitet seit 2005 die Forschergruppe, die erarbeitet, wie zu reagieren ist, falls SETI tatsächlich irgendwann Signale Außerirdischer entdecken sollte.
Der Astrophysiker Paul Davies (73) von der Arizona State University ist Direktor des „Beyond Center for Fundamental Concepts in Science“ und leitet seit 2005 die Forschergruppe, die erarbeitet, wie zu reagieren ist, falls SETI tatsächlich irgendwann Signale Außerirdischer entdecken sollte.

© John Gaffen/Mauritius

Woran hakt es da noch?

Die meiste Forschung der vergangenen hundert Jahre zur Entstehung des Lebens konzentrierte sich auf die Biochemie, darauf, ob es möglich ist, die Bausteine – etwa Aminosäuren für Proteine oder Nukleinsäuren für das Erbgut – nachzubauen und durch Zufuhr von Energie zum Leben zu bringen. Ich hatte immer Zweifel an dieser Vorgehensweise. Aus zwei Gründen: Zum einen geht sie davon aus, dass, wenn man einen Ziegelstein herzustellen weiß, man auch eine Stadt bauen könne. Ich glaube aber, dass dies erheblich schwieriger ist. Zum Zweiten basiert das Leben nicht nur auf der Hardware – also den Grundbausteinen, den Molekülen, aus denen wir bestehen. Es braucht auch eine Software – also organisierte Informationen. Das wäre ja sonst, als würden wir die erstaunlichen Dinge, die Computer vollbringen können, nur damit erklären, dass sie aus Silizium, Kupfer und Plastik bestehen und von Strom durchflossen werden. Das wahre Geheimnis liegt woanders, in der Software.

Zum Leben gehört also auch organisierte Information?
Richtig. Unser Erbgut ist voll von kodierter Information, die aber zu gar nichts führt, wenn sie nicht auch wieder dekodiert wird. Dazu hat die Evolution eine komplexe Maschinerie entwickelt: Gene, die einander an- und ausschalten und so weiter. Viele Forscher sind damit beschäftigt, diese Netzwerke und ihre Funktionen zu entschlüsseln. Auf genetischer Ebene genauso wie auf der Ebene der Zellen, die einander chemische und physikalische Signale geben. Oder der Informationsfluss von Tieren untereinander, der zum Beispiel bei Ameisenstaaten zu erstaunlichen Leistungen führt: Obwohl jedes einzelne Tier ziemlich dumm ist, trifft der Staat im Kollektiv oft sehr clevere Entscheidungen. Eigentlich stellt die gesamte Biosphäre ein riesiges Netzwerk mit Austausch von Informationen dar, das diesen Planeten ausmacht. Sie ist das eigentliche World Wide Web. Die entscheidende Frage ist nun, wie die erste kodierte Information des Lebens zustande kam. Gibt es da grundlegende Gesetze, nach denen das abläuft? Wenn wir solche Gesetze fänden, und sie das Entstehen von Leben in erdähnlichen Verhältnissen wahrscheinlich machen, würde SETI, also die Suche nach Außerirdischen, einen enormen Schub erfahren.

Einen Schub, wie er vom Fund von Mikroben auf dem Mars zu erwarten wäre?
Ja, beides wären starke Hinweise darauf, dass Leben im All mehrfach entstanden ist und sich womöglich zu intelligenten Wesen weiterentwickelt hat. Wir wissen, dass da draußen viele erdähnliche Planeten existieren. Aber wir wissen nicht, ob dieser große Schritt unter solchen Umständen zwangsläufig erfolgt, oder ob er auf Erden ein derart großer Zufall war, dass er trotz dieser Unmenge an Welten einmalig im Universum bleibt. Viele Forscher meinen, dass der Übergang mehrfach passiert sein muss. Aber wir wissen es einfach nicht.

Viele sagen, der Schritt vom einfachen zum komplexen, intelligenten Leben sei viel größer als der erste Schritt…
Dieser zweite große Schritt hat zwar in der Erdhistorie länger gedauert. Dennoch kennen wir den Prozess dahinter bereits: Evolution. Was wir nicht kennen, ist die Wahrscheinlichkeit, mit der dies zu Intelligenz führt. Aber der Schritt als solches ist für uns nicht mehr mysteriös. Darum gilt es vor allem, den ersten Schritt zu verstehen. Ich glaube, dass wir die Gesetze dafür in den nächsten zehn Jahren finden werden, also bevor wir außerirdisches Leben aufspüren. Die erste bemannte Reise zum Mars, von der sich viele Experten Gewissheit erhoffen, ob dort Leben zu finden ist, wird frühestens in den späten 2030er Jahren stattfinden.

Gibt es bereits Vorstellungen, wie ein solches Gesetz aussehen könnte?
Unser vorläufiger Vorschlag ist, dass diese neuen Gesetze womöglich abhängig vom Zustand der Materie sind. Das führt zu deutlich höherer Komplexität als fixe Gesetze, wie es die bekannten physikalischen Gesetze sind. Die Naturkonstanten etwa, die überall und für alles gelten.

Wie sähe so ein dynamisches Gesetz aus?
Stellen Sie sich ein Schachspiel vor, in dem sich die Regeln bei einer bestimmten Konstellation ändern. Wenn zum Beispiel ein Spieler, sobald er zwei Bauern weniger hat als der andere, diese statt nur vor, sowohl vor als auch zurück bewegen dürfte. Daraus würden völlig neue Spielsituationen entstehen, die im normalen Spiel unmöglich wären. Irgendetwas in diese Richtung könnte auch bei lebenden Systemen passieren. Der Informationsaustausch im Erbgut läuft ja auch nur unter gewissen Umständen, ist systemisch mit anderen Faktoren verbunden. Die DNS für sich ist nur eine Abfolge von Buchstaben, die nichts bedeutet.

Wie wollen Sie diesen Gesetzen auf die Schliche kommen?
Das ist der Vorteil: Wir brauchen keine neuen Riesenteleskope oder Teilchenbeschleuniger. Wenn es solche Gesetze gibt, dann finden wir sie wahrscheinlich durch quantenmechanische Versuche in der Nanotechnologie, denn nur auf der molekularen Ebene wirken Quantentheorie, Chemie und Informationstheorie zusammen. Dort tut sich zurzeit ein neues Forschungsfeld auf. Die dazu nötigen nanotechnologischen Methoden kennen wir schon. Daher sind mehrere Forscher weltweit bereits auf der Suche.

Wird sich dadurch die Fahndung nach Außerirdischen verändern?
Das ist unklar. Wenn, dann ändert sich vor allem die Suche nach belebten Planeten generell. Womöglich lässt sich die bisherige Analyse der biochemischen Signale im Licht von Planeten durch den Fund solcher Gesetze auf bestimmte Muster eingrenzen. Aber auch das ist nur eine vage Vermutung. Davon unabhängig hat sich SETI bereits geändert: Lange Zeit suchte man vor allem nach gezielten Botschaften von Aliens. Doch um zu erkennen, ob wir allein im Universum sind, braucht es eine solche ja gar nicht. Zumal das extrem unwahrscheinlich ist. Denn es ist davon auszugehen, dass ET uns erst dann anfunkt, wenn er weiß, dass wir das auch empfangen können. Wir nutzen diese Technologie aber erst seit gut hundert Jahren. Also würde ET sich auf diese Weise nur dann melden, wenn er sich im Umkreis von 50 Lichtjahren aufhielte. Astronomisch gesehen gehört das noch zur unmittelbaren Nachbarschaft und ist daher kaum denkbar. Stattdessen suchen wir heute eher nach Relikten überlegener Intelligenzen in unserer kosmischen Umgebung.

Die Außerirdischen sind in der Vergangenheit vorbeigekommen und haben etwas hinterlassen? Klingt nach den Theorien Erich von Dänikens, eines bekannten Schweizer Ufologen…
Ich sage nicht, dass sie das getan haben. Aber es könnte sein. Wissen Sie: Eigentlich glaube ich selbst nicht daran, dass es tatsächlich anderes intelligentes Leben im All gibt. Aber ich bin offen dafür, ein aufgeschlossener Skeptiker sozusagen. Ich sehe, welche Faszination die Idee auf die Menschen ausübt; sie bringt viele junge Menschen dazu, sich für Astronomie und Biologie zu interessieren. Und sie veranlasst uns, über unser Selbstverständnis als Menschheit nachzudenken. Das allein schon macht diese Forschung sinnvoll.

Wo könnten denn solche Relikte zu finden sein?
Ich persönlich favorisiere Methoden der Suche, die uns nichts kosten. Zum Beispiel wäre es denkbar, irgendein Artefakt von Außerirdischen auf dem Mond zu finden. Den kartieren wir im Rahmen anderer Projekte zurzeit sowieso in Hochauflösung. Warum also nicht diese Bilder für jedermann zugänglich machen und etwa in Schulprojekten nach verdächtigen Spuren suchen? Die Wahrscheinlichkeit, etwas zu finden, ist extrem gering. Aber es kostet uns ja nichts und macht Spaß. Interessant finde ich auch die Idee des genomischen SETI: Eine überlegene Intelligenz könnte uns eine Nachricht in unserem Erbgut hinterlassen haben – eine auffällige Abfolge von Buchstaben, die zum Beispiel den Primzahlen entsprechen. Der amerikanische Biochemiker Craig Venter hat bewiesen, dass so etwas funktioniert: Er hat seine E-Mail-Adresse in ein Genom eingebaut. Da wir die Gene ohnehin sequenzieren, könnten wir dies in einem Aufwasch prüfen.

Das klingt nun wirklich verrückt…
Aber es wäre denkbar. Und verrückter als die Idee, Außerirdische könnten uns gezielt eine Radiobotschaft gesendet haben, ist es auch nicht. Vielleicht wissen wir, falls wir dem Geheimnis des Lebens auf die Spur kommen, demnächst besser, ob und wie wir suchen sollten.

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