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Sigmund Jähn

© imago/ITAR-TASS

Sigmund Jähn ist tot: Acht Tage im All brachten ihm den Ruhm

Mit seinem Weltraumflug war der DDR ein Coup gelungen. Sigmund Jähn wurde als Held gefeiert, er gab sich aber immer bescheiden und nahbar.

Der erste Deutsche im All, Sigmund Jähn ist tot. Das teilte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) am Sonntagabend mit. Demnach starb der 82-Jährige bereits am Samstag in seinem Zuhause in Strausberg, östlich von Berlin.

Jähn war und ist insbesondere im Osten der Landes populär; er war verheiratet, hatte zwei Kinder, galt als zurückhaltend und bodenständig. Wer den eher klein gewachsenen Mann erlebte, lernte ihn als höflichen, leisen, aber gleichwohl bestimmten Menschen kennen. Jähn wusste, was seine Leistungen waren, wusste aber auch, was er anderen zu verdanken hatte und verheimlichte das nicht.

Berühmt wurde er mit seinem knapp achttägigen Flug in der Raumstation Saljut 6 im Sommer 1978. Damit war der DDR-Führung ein Coup gelungen: Ein DDR-Bürger war der erste Deutsche im All, der Westdeutsche Ulf Merbold sollte erst 1983 ins All gelangen.

Jähn war am 13. Februar 1937 in der sächsischen Kleinstadt Morgenröthe-Rautenkranz geboren und hatte zunächst Buchdrucker gelernt. Später ging er zur Nationalen Volksarmee (NVA) und wurde Jagdflieger. 1976 wurde er von der DDR als einer von anfangs vier Kandidaten für einen sowjetischen Weltraumflug ausgewählt.

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Hartes Kosmonauten-Training

Es folgte ein hartes Training, um die künftigen Kosmonauten auf die physischen und psychischen Anstrengungen eines Weltraumflugs vorzubereiten. Um sich an die Schwerelosigkeit zu gewöhnen, erhöhte er das Ehebett – seine Frau war damals beim Training im sogenannten Sternenstädtchen nahe Moskau dabei – mit Büchern so, dass seine Beine höher lagen, berichtete er einmal.

So wollte er sich an den Blutandrang im Gehirn gewöhnen. Tatsächlich machen das Raumfahrer bis heute. Auch Alexander Gerst, der mittlerweile elfte Deutsche im All, hatte vor seinem jüngsten Flug 2018 zur Internationalen Raumstation ein Foto verbreitet, auf der er das erhöhte Fußteil seines Bettes zeigte.

Überhaupt verbanden Jähn und Gerst einige Erlebnisse. Der Kosmosveteran hatte sich 2018 noch einmal aufgemacht zum Kosmodrom nach Baikonur, um Gerst einen guten Start zu wünschen und diesen mit zahlreichen Journalisten und VIPs aus sicherem Abstand zu verfolgen.

„Alex ist ein kluger, ehrlicher Mann mit viel Emotionen“, hatte Jähn einst in einem Tagesspiegel-Interview gesagt. Das Interesse an dem „jungen Mann“ und seiner Art der Weltraumforschung aber auch Kommunikation war groß, wie Jähn mehrfach erkennen ließ.

Auch von den DDR-Medien gesteuert

Sein eigener Flug vor 41 Jahren verlief unter ganz anderen Bedingungen, auch in Bezug auf die mediale Berichterstattung, die den Umständen entsprechend weitaus mehr gesteuert war als dies heute der Fall ist.

Am 26. August startet der DDR-Kosmonaut von Baikonur. An der Spitze einer „Sojus“-Rakete, eingezwängt in enge Raumkapsel, donnert er gemeinsam mit dem sowjetischen Kommandanten Waleri Bykowski (1934-2019) in die Erdumlaufbahn. An Bord der Raumstation Saljut-6 verbringt er 7 Tage, 20 Stunden und 49 Minuten im All und umkreist die Erde dabei 125 Mal.

Er macht verschiedene Experimente und fotografiert die Oberfläche seines Planeten mit der Multispektralkamera MKF 6, gefertigt von Carl Zeiss Jena. Anders als ein gewöhnlicher Fotoapparat, der die üblichen Bilder macht, konnte diese Kamera Aufnahmen in ausgewählten Wellenlängenbereichen machen.

Heute gilt diese Technik als Standard, um etwa Rohstoffe aufzuspüren oder Umweltveränderungen zu erfassen. „Eigentlich sollte ich Bilder von der DDR machen“, erzählte Jähn einmal. „Aber die Umlaufbahn der Station lag so, dass es dort fast immer dunkel war, wenn ich darüber hinwegflog. Also habe ich andere Länder fotografiert.“

Ungewohnt harte Landung

Auch die Landung verlief nicht planmäßig, sondern ungewohnt hart. Der Fallschirm hatte sich nicht rechtzeitig gelöst, wodurch die Kapsel sich mehrfach überschlug. Jähn verletzte sich an der Wirbelsäule und litt zeitlebens unter Schmerzen. Nach der Rückkehr wurde er gefeiert wie ein Held.

Er bekam die Auszeichnungen „Held der DDR“ und „Held der Sowjetunion“. Im Hain der Kosmonauten vor der Archenhold-Sternwarte im Berliner Bezirk Treptow wurde eine Büste mit seinem Abbild enthüllt. Auch Schulen, Freizeitzentren, Straßen sowie ein Frachtschiff erhielten schon zu Lebzeiten seinen Namen.

Bescheiden und nahbar

Jähn selbst gab sich weiterhin bescheiden und nahbar. Obgleich ihm manche die Nähe zum System übelnahmen: Allen war klar, dass nur jene für die Kosmonautenausbildung infrage kamen, die hundertprozentig „auf Linie“ waren.

Die Aufnahmen der MKF 6 wurden später am Zentralinstitut für Physik der Erde in Potsdam ausgewertet. So entstand bis 1983 Jähns Doktorarbeit – gemeinsam mit dem Fernerkundungsexperten Karl-Heinz Marek. Sie widmete sich möglichen Anwendungen der damals noch neuen Methodik.

„Ich muss ehrlich sagen, den meisten Anteil hat Marek erbracht“, sagte Jähn einmal. „Ich war vor meinem Raumflug Inspekteur für Flugsicherheit bei den Luftstreitkräften und hatte anschließend dann auch mit der Öffentlichkeitsarbeit viel zu tun.“ Er erinnere sich gern an anregende Diskussionen mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.

Nach der Wende beim DLR als Berater

Nach seinem Raumflug übernahm Jähn zudem die Leitung des neu geschaffenen Raumfahrt-Trainingszentrums der Luftwaffe in Eggersdorf bei Strausberg und hielt diese Position bis zur Wiedervereinigung Deutschlands. Am 2. Oktober 1990 wurde die DDR-Luftwaffe aufgelöst und Jähn mit dem Rang eines Generalmajors entlassen, heißt es in einer aktuellen Mitteilung der europäischen Raumfahrtagentur Esa.

Danach arbeitete er als freier Berater für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Gagarin Cosmonaut Training Center bei Moskau und ab 1993 auch für die Esa im Auftrag des Europäischen Astronautenzentrums in Köln.

Hier betreute er die deutschen und europäischen Astronauten bei der Vorbereitung der Missionen Mir-92 (Klaus-Dietrich Flade und Reinhold Ewald), Euromir-94 (Ulf Merbold und Pedro Duque), Euromir-96 (Thomas Reiter und Christer Fuglesang) und Mir-97 (Reinhold Ewald und Hans Schlegel).

Bis zur Pensionierung Esa-Berater

Jähn war bis zu seiner Pensionierung 2002 als Esa-Berater im Sternenstädtchen tätig. Seitdem war er ein reger Botschafter der Weltraumforschung und nahm an Veranstaltungen, Vorträgen und Foren in ganz Europa teil. Er spielte auch eine Schlüsselrolle bei der Gründung der internationalen Association of Space Explorers (ASE). Als Gründungsmitglied war er 1985 mehrere Jahre Mitglied des Vorstandes. Asteroid 17737 wurde 2001 zu seinen Ehren benannt.

„Mit Sigmund Jähn verliert die deutsche Raumfahrt einen weltweit anerkannten Kosmonauten, Wissenschaftler und Ingenieur“, sagt Pascale Ehrenfreund, Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) laut einer Mitteilung des Zentrums. „Der erste Deutsche im All hat sich auch immer als Brückenbauer zwischen Ost und West im Sinne der friedlichen Nutzung des Weltraums verstanden. Seine Botschaft, für die Erde ins All, werden wir in ehrendem Gedenken bewahren und fortführen.“

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